Fred Alger (67), Gründer und Chief Executive Officer der Fred Alger Management Inc., gilt als einer der erfolgreichsten und schillerndsten Vermögensverwalter an der Wall Street. Mit 3000 Dollar an Erspartem gründete der Yale-Absolvent 1964 seine Fondsgesellschaft. Vor sieben Jahren gab Alger wegen der Erbschaftssteuer die US-Staatsbürgerschaft auf und zog nach Genf. Die Firma leitete danach sein jüngerer Bruder David, der am 11. September beim Anschlag auf das World Trade Center starb – zusammen mit mehr als 30 Mitarbeitern. Fred Alger, heute Bürger der Karibikinsel Saint Kitts, kehrte danach nach New York an die Spitze seiner alten Firma zurück und leitet seither die Geschäfte als zwischen dem neuen Firmensitz im Flatiron District von Manhattan und der Schweiz pendelnder CEO. Der Finanzmakler betreut 15 Milliarden Dollar an Anlegervermögen. In der Schweiz verfügbar sind die Anlagefonds Alger US LargeCap Growth, Alger US MidCap Growth, Alger US SmallCap und der Alger American Asset Growth Fund.
BILANZ: Mr. Alger, bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York haben Sie mehr als 30 Mitarbeiter verloren. Wie geht es Ihnen und Ihrer Firma heute? Fred Alger: Nun, wir sind zufrieden, dass es uns in dieser Zeit gelungen ist, Fred Alger Management Inc. wieder aufzubauen und das Vertrauen unserer Anleger zurückzugewinnen.
Es wurde spekuliert, ob Ihre Fondsgesellschaft überhaupt weiterexistieren werde. Das kann ich mir gut vorstellen. Unser Überleben war keine Selbstverständlichkeit.
Was waren die entscheidenden Schritte, um Ihre Firma wieder auf die Schiene zu stellen? Ich habe wieder die Leitung des Tagesgeschäfts und zugleich das Krisenmanagement übernommen. Wenige Stunden nach dem Anschlag waren alle verbliebenen Mitarbeiter versammelt. Einen Tag später haben wir einen Conference-Call mit 300 Klienten organisiert. Die wollten natürlich wissen, wie es uns geht, aber auch, wie es um ihr Geld steht. Zum einen musste ich die Kunden beruhigen, zum anderen sicherstellen, dass künftig ein qualifiziertes Team zur Verfügung steht …
Was beides gelungen ist. Ja, auf der Leitungsebene waren wir nach wenigen Wochen wieder komplett. Heute haben wir die beste Analystenabteilung zusammen, die wir je besassen.
Stimmt es, dass viele ehemalige Mitarbeiter ihre Hilfe angeboten haben? Ja, andere habe ich angerufen und gefragt, ob sie nicht zurückkommen wollen.
Ist es nicht schwierig, im Schatten der toten Kollegen weiterzuarbeiten? Im Gegenteil, für uns alle bedeutet das eine ungeheure Motivation.
Hat es Ihnen bei der Bewältigung Ihrer Trauer geholfen, eine klare Aufgabe vor Augen zu haben, den Wiederaufbau der Firma? Natürlich hilft einem alles, was einen vom eigenen Schmerz ablenken kann, das ist klar.
Gab es auf Seiten der Kunden so etwas wie eine moralische Verpflichtung, ihr Geld bei Ihnen zu belassen, statt es abzuziehen? Möglich. Nur ein Kunde hat sein Konto aufgelöst. Inzwischen haben wir sogar eine Reihe neuer Klienten gewinnen können.
Sie haben gesagt, dass Sie mit einem solchen Ereignis, wenn auch nicht in diesem Ausmass, gerechnet hatten. Ja, die US-Regierung hatte in drei ausführlichen Studien auf die Gefahr hingewiesen, die vom internationalen Terrorismus ausgeht. Die Frage war immer, wie kann man sicherstellen, dass wir im Falle eines Terrorangriffs unverzüglich weiterarbeiten können.
Nach dem ersten Bombenanschlag auf das World Trade Center im Jahre 1993 haben Sie in New Jersey ein Notbüro eingerichtet. Ja, wir haben diese Räume damals mit allem ausgestattet, was man braucht, um grosse Mengen Aktien handeln zu können.
Den Plan, wieder nach Manhattan zurückzukehren, hatten Sie aber schon früh? Ja, ein Vermögensverwalter muss im Zentrum des Geschehens präsent sein, und das ist nun mal Manhattan.
War es für das Überleben Ihrer Firma mitentscheidend, dass die kurze Rallye an den Börsen Anfang 2002 die Anleger erst einmal beruhigte? Das hat sicher geholfen. Unsere Fonds standen wenige Wochen nach der Katastrophe im oberen Drittel der Performanceliste.
In Ihrem Quartalsreport schrieben Sie damals, das «neue Zeitalter von Prosperität und Wachstum» habe am 1. Januar 2002 begonnen. Waren Sie zu optimistisch? Wir waren tatsächlich überrascht, dass der Markt im Juni und Juli noch einmal so massiv eingebrochen ist.
Der Dow Jones sank um mehr als 20 Prozent. Das war eine der schlechtesten Zeiten für Wachstumsaktien seit dem Bear-Market in den Jahren 1973 und 1974. Auch wir mussten während dieser Monate Verluste hinnehmen – womit wir uns nicht von der Performance vergleichbarer Aktienfonds unterschieden.
Aber Sie wollen Geld verdienen, nicht die Indizes schlagen. In einem Markt, der 25 bis 30 Prozent Verlust verzeichnet, sind wir nicht mit einem Ergebnis zufrieden, das knapp über dem Durchschnitt liegt. Unsere wachstumsorientierte Kernphilosophie können wir deswegen noch lange nicht aufgeben. Diese hat über einen Zeitraum von annähernd vier Jahrzehnten schliesslich hohe Renditen erzielt …
… und ist jedoch generell verbunden mit einem höheren Risiko. Sie erfordert eine vorausschauende Perspektive und hat den grössten Erfolg, wenn der Markt Ausschau nach neuen Möglichkeiten hält und nicht, wie es im Moment der Fall ist, auf vergangene Probleme zurückblickt. Wir befinden uns in der harten Phase von Konsolidierung und Korrektur der Exzesse und Innovationen der Neunzigerjahre.
Schauen Sie für uns nach vorne! Wir sind der Überzeugung, dass die Wirtschaft grundsätzlich gesund ist. Die makroökonomischen Zeichen weisen auf eine Erholung der US-Wirtschaft hin. Jetzt ist die Zeit, in Growth-Werte zu investieren – in dieser Flaute, in der die Preise günstig sind und der Markt die Richtung wechselt.
Für einen Growth-Fund-Manager also ein Eldorado? Wir sehen die konjunkturelle Entwicklung der letzten Monate als eine kurze Verschnaufpause, der nun eine längere Wachstumsphase folgen wird. Der Motor des Aufschwungs sind die Vereinigten Staaten, und die Innovationen der New Economy sind der Treibstoff.
Gestatten Sie, dass ich zusammenzucke. Leider führen viele die Kursverluste an den Börsen als Argument gegen die New Economy an. Kurzfristig gesehen trifft es zwar zu, dass der Technologiesektor noch schwächelt und die Unternehmen erst wieder beginnen, mehr in Technologie zu investieren. Doch richtig ist auch, dass moderne IT in jeder Branche und jedem Unternehmen zu höherer Leistungs- und Innovationskraft führt. Hier liegt der Hauptgrund dafür, dass die jüngste Rezession so kurz war und die US-Wirtschaft optimistisch in die Zukunft blicken kann.
Also eine goldene Gelegenheit für «Bottom-Fishing»? Sie verwenden eine veraltete Terminologie. Wenn man die prognostizierten Gewinne der S&P-500-Unternehmen mit den Anleiheren- diten im zehnjährigen Laufzeitbereich vergleicht, erscheinen Aktien derzeit überaus attraktiv. Ich behaupte sogar, in den vergangenen hundert Jahren gab es keine so günstige Gelegenheit, Aktien zu kaufen, wie heute.
Aber selbst Sie haben sich doch von Technologiefirmen abgewendet, oder? Nein, wir halten weitere erhebliche Investments in Firmen, die rasant wachsen.
Sind das für Sie insbesondere Unternehmen im Bereich Healthcare? Nein, Sie müssen mir besser zuhören! Wir denken, dass der Aktienmarkt als solcher überaus attraktiv im Vergleich zu Bonds ist. Das heisst, dass wir die Möglichkeit sehen, Geld über das ganze Spektrum hinweg zu verdienen. Wir denken dabei nicht in Kategorien wie Healthcare oder Technologie oder was auch immer. Wir versuchen, rasant wachsende Unternehmen zu identifizieren. Wir glauben, dass in den letzten Monaten ein Paradigmawechsel stattgefunden hat: Gewinne sind heute weniger wichtig als noch vor einem Jahr oder vor fünf Jahren. Marktdominanz ist wichtig. Die Bilanz ist wichtig. Wachstum ist wichtig. Das Geschäft ist wichtig. Phrasen wie «Gesundheitssektor» und «Hightech-Sektor» oder «Bottom-Fishing» helfen wenig, sie stammen aus einer Zeit, die passé ist.
Sehen Sie eine Gefahr durch die immer noch zu hohen Erwartungen der Anleger? Nein. Ein diversifiziertes Aktienportfolio wird in den nächsten zehn Jahren selbst bei einer stagnierenden Wirtschaft höhere Erträge produzieren als US-Staatsanleihen. Das einzige Szenario, wo Bonds besser abschneiden, wäre eine Depression. Und die ist meiner Ansicht nach nicht sehr wahrscheinlich.
Die Wirtschaft stagniert, die Börse floriert? Ja, solche Zeiten hat es gegeben. Denken Sie an die Periode zwischen 1955 und 1962, als die Unternehmensgewinne in den USA auf der Stelle traten, die Automobilverkäufe und die Investitionstätigkeit der Unternehmen stagnierten. Die Russen schossen Sputniks in den Himmel, und jeder glaubte, die USA hätten ihre Führungsposition im Technologiebereich verloren. Die europäischen Staaten häuften grosse Dollarreserven an, während wir wegen der Schwäche unserer Zahlungsbilanz 600 Millionen Dollar pro Jahr an die wirtschaftlich aufholenden Länder überweisen mussten. Die US-Goldbestände verminderten sich in diesen Jahren um fast sechs Milliarden Dollar, es drohte der Bankrott. Kurz: Die Nachrichtenlage war verheerend. Dennoch stieg das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis an der Börse von 14 auf 21.
Und dieses Szenario sehen Sie heute auch? Keineswegs. Selbst wenn wir von einer pessimistischen Sichtweise ausgehen, sind Aktien heute attraktiver als jemals zuvor. Heute ist die Position der USA gegenüber dem Rest der Welt stark, die Produktivität ist hoch, die Arbeitslosenquote niedrig. Die Zinsen sind auf das tiefste Niveau seit vierzig Jahren gefallen.
Wie bewerten Sie die bisherigen Ergebnisse im Kampf gegen den Terrorismus? Ich denke, dass die USA einen bemerkenswert guten Job gemacht haben.
Wie würde ein Krieg im Irak die Märkte kurz- und mittelfristig beeinflussen? Derzeit bestimmen vier prinzipielle Faktoren die politisch-ökonomische Grosswetterlage: erstens die Freundschaft zwischen den USA und Russland. Zweitens die Öffnung des chinesischen Marktes. Drittens die Einführung des Euro, von der wir hoffen, dass sie eines Tages die europäische Wirtschaft wiederbeleben wird. Und die vierte, meiner Ansicht nach wichtigste Entwicklung ist die Etablierung der Pax Americana durch die USA.
Für Henry Kissinger besteht der historische Test der USA darin, ob es ihnen gelingt, ihre derzeitige Vormachtstellung in einen internationalen Konsens zu verwandeln. Richtig, etwas Vergleichbares hatten wir das letzte Mal im 19. Jahrhundert unter dem britischen Commonwealth. Dank einem stabilen Frieden erlebten die dort vereinten Länder eine Phase des höchsten Nettowachstums. Und zwar weil sie ihre Ressourcen frei hatten, um sie in die Entwicklung ihrer Infrastruktur zu stecken, nicht in die Verteidigung.
Und heute? Die militärische Überlegenheit der USA gegenüber dem Rest der Welt wird als Folge des 11. September noch grösser – obwohl der US-Verteidigungshaushalt im Vergleich zu den Zeiten des Kalten Krieges nur noch 60 Prozent beträgt. Präsident Bush hat signalisiert, dass befreundete Länder in Zukunft einen Grossteil ihrer Ausgaben nicht mehr in die Verteidigung stecken müssen, sondern für ihre strukturelle Entwicklung aufwenden können.
Wäre ein militärischer Angriff auf den Irak ein Schritt in Richtung Pax Americana? Der Irak scheint nur halb so gut auf einen Krieg vorbereitet zu sein wir vor zehn Jahren. Wir wissen heute genau, wo die militärisch wichtigen Ziele sind. Der Golfkrieg würde heute vielleicht fünf Tage statt zwei Wochen dauern. Und wenn die USA – was ich für eine gute Idee halte – von den 77 000 in Deutschland stationierten Soldaten 50 000 in den Irak verlagerten, könnte das Land stabilisiert und wieder aufgebaut werden. Eine solche Befriedung des Nahen und des Mittleren Ostens scheint mir ausgesprochen aussichtsreich.
Und an den Börsen? Die erste Reaktion auf einen Krieg mag negativ sein. Das wäre nur vorübergehend.
Alles in allem heisst das aber: Der amerikanische Aktienmarkt ist derzeit «the place to be»? Absolut, wenn Sie irgendwo Ihr Geld anlegen wollen, sollte das Amerika sein. Hier ist das Wachstum besser, die Dynamik grösser, die Produktivität höher, die Technologie überlegen. Zudem haben Sie eine unglaublich entschlossene Regierung, dieses Land zum sichersten Ort der Welt zu machen. Unter diesen Umständen amerikanische Unternehmen zu kaufen, deren Kurse sich auf ein Niveau verbilligt haben, das sie seit fünf bis sechs Jahren nicht gesehen haben, erfordert für mich keine besondere geistige Anstrengung.
Gleichwohl haben auch viele Amerikaner vom Aktienmarkt derzeit die Nase voll. Ja, ich verstehe das. Die sind heute so angeekelt, wie sie 1999 begeistert waren.
Haben wir inzwischen den Boden an den Börsen gefunden? Das weiss ich nicht. Kann sein, dass es im nächsten Jahr noch ein Stück runtergeht. Für den Neueinsteiger hiesse das: noch besser. 1998 standen Aktienkurse hoch, das hiess aber nicht, dass sie 1999 nicht noch steigen konnten. Man sollte an den Finanzmärkten immer wissen, wo man gerade steht. Wenn sich Möglichkeiten wie heute ergeben, muss man sie beim Schopfe fassen.
Und das, wenn es doch zum Worst-Case-Szenario einer Depression kommt, vor dem Leute wie Stephen Roach von Morgan Stanley warnen? Vor dem Hintergrund der politischen Stärke Amerikas, der heruntergeprügelten Aktienkurse und der niedrigen Zinsen ist für mich als Investor heute das Worst-Case-Szenario, eine Staatsanleihe mit zehnjähriger Laufzeit zu kaufen. Wenn es jemals eine Zeit gegeben hat, aggressiv zu sein, dann jetzt.
BILANZ: Mr. Alger, bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York haben Sie mehr als 30 Mitarbeiter verloren. Wie geht es Ihnen und Ihrer Firma heute? Fred Alger: Nun, wir sind zufrieden, dass es uns in dieser Zeit gelungen ist, Fred Alger Management Inc. wieder aufzubauen und das Vertrauen unserer Anleger zurückzugewinnen.
Es wurde spekuliert, ob Ihre Fondsgesellschaft überhaupt weiterexistieren werde. Das kann ich mir gut vorstellen. Unser Überleben war keine Selbstverständlichkeit.
Was waren die entscheidenden Schritte, um Ihre Firma wieder auf die Schiene zu stellen? Ich habe wieder die Leitung des Tagesgeschäfts und zugleich das Krisenmanagement übernommen. Wenige Stunden nach dem Anschlag waren alle verbliebenen Mitarbeiter versammelt. Einen Tag später haben wir einen Conference-Call mit 300 Klienten organisiert. Die wollten natürlich wissen, wie es uns geht, aber auch, wie es um ihr Geld steht. Zum einen musste ich die Kunden beruhigen, zum anderen sicherstellen, dass künftig ein qualifiziertes Team zur Verfügung steht …
Was beides gelungen ist. Ja, auf der Leitungsebene waren wir nach wenigen Wochen wieder komplett. Heute haben wir die beste Analystenabteilung zusammen, die wir je besassen.
Stimmt es, dass viele ehemalige Mitarbeiter ihre Hilfe angeboten haben? Ja, andere habe ich angerufen und gefragt, ob sie nicht zurückkommen wollen.
Ist es nicht schwierig, im Schatten der toten Kollegen weiterzuarbeiten? Im Gegenteil, für uns alle bedeutet das eine ungeheure Motivation.
Hat es Ihnen bei der Bewältigung Ihrer Trauer geholfen, eine klare Aufgabe vor Augen zu haben, den Wiederaufbau der Firma? Natürlich hilft einem alles, was einen vom eigenen Schmerz ablenken kann, das ist klar.
Gab es auf Seiten der Kunden so etwas wie eine moralische Verpflichtung, ihr Geld bei Ihnen zu belassen, statt es abzuziehen? Möglich. Nur ein Kunde hat sein Konto aufgelöst. Inzwischen haben wir sogar eine Reihe neuer Klienten gewinnen können.
Sie haben gesagt, dass Sie mit einem solchen Ereignis, wenn auch nicht in diesem Ausmass, gerechnet hatten. Ja, die US-Regierung hatte in drei ausführlichen Studien auf die Gefahr hingewiesen, die vom internationalen Terrorismus ausgeht. Die Frage war immer, wie kann man sicherstellen, dass wir im Falle eines Terrorangriffs unverzüglich weiterarbeiten können.
Nach dem ersten Bombenanschlag auf das World Trade Center im Jahre 1993 haben Sie in New Jersey ein Notbüro eingerichtet. Ja, wir haben diese Räume damals mit allem ausgestattet, was man braucht, um grosse Mengen Aktien handeln zu können.
Den Plan, wieder nach Manhattan zurückzukehren, hatten Sie aber schon früh? Ja, ein Vermögensverwalter muss im Zentrum des Geschehens präsent sein, und das ist nun mal Manhattan.
War es für das Überleben Ihrer Firma mitentscheidend, dass die kurze Rallye an den Börsen Anfang 2002 die Anleger erst einmal beruhigte? Das hat sicher geholfen. Unsere Fonds standen wenige Wochen nach der Katastrophe im oberen Drittel der Performanceliste.
In Ihrem Quartalsreport schrieben Sie damals, das «neue Zeitalter von Prosperität und Wachstum» habe am 1. Januar 2002 begonnen. Waren Sie zu optimistisch? Wir waren tatsächlich überrascht, dass der Markt im Juni und Juli noch einmal so massiv eingebrochen ist.
Der Dow Jones sank um mehr als 20 Prozent. Das war eine der schlechtesten Zeiten für Wachstumsaktien seit dem Bear-Market in den Jahren 1973 und 1974. Auch wir mussten während dieser Monate Verluste hinnehmen – womit wir uns nicht von der Performance vergleichbarer Aktienfonds unterschieden.
Aber Sie wollen Geld verdienen, nicht die Indizes schlagen. In einem Markt, der 25 bis 30 Prozent Verlust verzeichnet, sind wir nicht mit einem Ergebnis zufrieden, das knapp über dem Durchschnitt liegt. Unsere wachstumsorientierte Kernphilosophie können wir deswegen noch lange nicht aufgeben. Diese hat über einen Zeitraum von annähernd vier Jahrzehnten schliesslich hohe Renditen erzielt …
… und ist jedoch generell verbunden mit einem höheren Risiko. Sie erfordert eine vorausschauende Perspektive und hat den grössten Erfolg, wenn der Markt Ausschau nach neuen Möglichkeiten hält und nicht, wie es im Moment der Fall ist, auf vergangene Probleme zurückblickt. Wir befinden uns in der harten Phase von Konsolidierung und Korrektur der Exzesse und Innovationen der Neunzigerjahre.
Schauen Sie für uns nach vorne! Wir sind der Überzeugung, dass die Wirtschaft grundsätzlich gesund ist. Die makroökonomischen Zeichen weisen auf eine Erholung der US-Wirtschaft hin. Jetzt ist die Zeit, in Growth-Werte zu investieren – in dieser Flaute, in der die Preise günstig sind und der Markt die Richtung wechselt.
Für einen Growth-Fund-Manager also ein Eldorado? Wir sehen die konjunkturelle Entwicklung der letzten Monate als eine kurze Verschnaufpause, der nun eine längere Wachstumsphase folgen wird. Der Motor des Aufschwungs sind die Vereinigten Staaten, und die Innovationen der New Economy sind der Treibstoff.
Gestatten Sie, dass ich zusammenzucke. Leider führen viele die Kursverluste an den Börsen als Argument gegen die New Economy an. Kurzfristig gesehen trifft es zwar zu, dass der Technologiesektor noch schwächelt und die Unternehmen erst wieder beginnen, mehr in Technologie zu investieren. Doch richtig ist auch, dass moderne IT in jeder Branche und jedem Unternehmen zu höherer Leistungs- und Innovationskraft führt. Hier liegt der Hauptgrund dafür, dass die jüngste Rezession so kurz war und die US-Wirtschaft optimistisch in die Zukunft blicken kann.
Also eine goldene Gelegenheit für «Bottom-Fishing»? Sie verwenden eine veraltete Terminologie. Wenn man die prognostizierten Gewinne der S&P-500-Unternehmen mit den Anleiheren- diten im zehnjährigen Laufzeitbereich vergleicht, erscheinen Aktien derzeit überaus attraktiv. Ich behaupte sogar, in den vergangenen hundert Jahren gab es keine so günstige Gelegenheit, Aktien zu kaufen, wie heute.
Aber selbst Sie haben sich doch von Technologiefirmen abgewendet, oder? Nein, wir halten weitere erhebliche Investments in Firmen, die rasant wachsen.
Sind das für Sie insbesondere Unternehmen im Bereich Healthcare? Nein, Sie müssen mir besser zuhören! Wir denken, dass der Aktienmarkt als solcher überaus attraktiv im Vergleich zu Bonds ist. Das heisst, dass wir die Möglichkeit sehen, Geld über das ganze Spektrum hinweg zu verdienen. Wir denken dabei nicht in Kategorien wie Healthcare oder Technologie oder was auch immer. Wir versuchen, rasant wachsende Unternehmen zu identifizieren. Wir glauben, dass in den letzten Monaten ein Paradigmawechsel stattgefunden hat: Gewinne sind heute weniger wichtig als noch vor einem Jahr oder vor fünf Jahren. Marktdominanz ist wichtig. Die Bilanz ist wichtig. Wachstum ist wichtig. Das Geschäft ist wichtig. Phrasen wie «Gesundheitssektor» und «Hightech-Sektor» oder «Bottom-Fishing» helfen wenig, sie stammen aus einer Zeit, die passé ist.
Sehen Sie eine Gefahr durch die immer noch zu hohen Erwartungen der Anleger? Nein. Ein diversifiziertes Aktienportfolio wird in den nächsten zehn Jahren selbst bei einer stagnierenden Wirtschaft höhere Erträge produzieren als US-Staatsanleihen. Das einzige Szenario, wo Bonds besser abschneiden, wäre eine Depression. Und die ist meiner Ansicht nach nicht sehr wahrscheinlich.
Die Wirtschaft stagniert, die Börse floriert? Ja, solche Zeiten hat es gegeben. Denken Sie an die Periode zwischen 1955 und 1962, als die Unternehmensgewinne in den USA auf der Stelle traten, die Automobilverkäufe und die Investitionstätigkeit der Unternehmen stagnierten. Die Russen schossen Sputniks in den Himmel, und jeder glaubte, die USA hätten ihre Führungsposition im Technologiebereich verloren. Die europäischen Staaten häuften grosse Dollarreserven an, während wir wegen der Schwäche unserer Zahlungsbilanz 600 Millionen Dollar pro Jahr an die wirtschaftlich aufholenden Länder überweisen mussten. Die US-Goldbestände verminderten sich in diesen Jahren um fast sechs Milliarden Dollar, es drohte der Bankrott. Kurz: Die Nachrichtenlage war verheerend. Dennoch stieg das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis an der Börse von 14 auf 21.
Und dieses Szenario sehen Sie heute auch? Keineswegs. Selbst wenn wir von einer pessimistischen Sichtweise ausgehen, sind Aktien heute attraktiver als jemals zuvor. Heute ist die Position der USA gegenüber dem Rest der Welt stark, die Produktivität ist hoch, die Arbeitslosenquote niedrig. Die Zinsen sind auf das tiefste Niveau seit vierzig Jahren gefallen.
Wie bewerten Sie die bisherigen Ergebnisse im Kampf gegen den Terrorismus? Ich denke, dass die USA einen bemerkenswert guten Job gemacht haben.
Wie würde ein Krieg im Irak die Märkte kurz- und mittelfristig beeinflussen? Derzeit bestimmen vier prinzipielle Faktoren die politisch-ökonomische Grosswetterlage: erstens die Freundschaft zwischen den USA und Russland. Zweitens die Öffnung des chinesischen Marktes. Drittens die Einführung des Euro, von der wir hoffen, dass sie eines Tages die europäische Wirtschaft wiederbeleben wird. Und die vierte, meiner Ansicht nach wichtigste Entwicklung ist die Etablierung der Pax Americana durch die USA.
Für Henry Kissinger besteht der historische Test der USA darin, ob es ihnen gelingt, ihre derzeitige Vormachtstellung in einen internationalen Konsens zu verwandeln. Richtig, etwas Vergleichbares hatten wir das letzte Mal im 19. Jahrhundert unter dem britischen Commonwealth. Dank einem stabilen Frieden erlebten die dort vereinten Länder eine Phase des höchsten Nettowachstums. Und zwar weil sie ihre Ressourcen frei hatten, um sie in die Entwicklung ihrer Infrastruktur zu stecken, nicht in die Verteidigung.
Und heute? Die militärische Überlegenheit der USA gegenüber dem Rest der Welt wird als Folge des 11. September noch grösser – obwohl der US-Verteidigungshaushalt im Vergleich zu den Zeiten des Kalten Krieges nur noch 60 Prozent beträgt. Präsident Bush hat signalisiert, dass befreundete Länder in Zukunft einen Grossteil ihrer Ausgaben nicht mehr in die Verteidigung stecken müssen, sondern für ihre strukturelle Entwicklung aufwenden können.
Wäre ein militärischer Angriff auf den Irak ein Schritt in Richtung Pax Americana? Der Irak scheint nur halb so gut auf einen Krieg vorbereitet zu sein wir vor zehn Jahren. Wir wissen heute genau, wo die militärisch wichtigen Ziele sind. Der Golfkrieg würde heute vielleicht fünf Tage statt zwei Wochen dauern. Und wenn die USA – was ich für eine gute Idee halte – von den 77 000 in Deutschland stationierten Soldaten 50 000 in den Irak verlagerten, könnte das Land stabilisiert und wieder aufgebaut werden. Eine solche Befriedung des Nahen und des Mittleren Ostens scheint mir ausgesprochen aussichtsreich.
Und an den Börsen? Die erste Reaktion auf einen Krieg mag negativ sein. Das wäre nur vorübergehend.
Alles in allem heisst das aber: Der amerikanische Aktienmarkt ist derzeit «the place to be»? Absolut, wenn Sie irgendwo Ihr Geld anlegen wollen, sollte das Amerika sein. Hier ist das Wachstum besser, die Dynamik grösser, die Produktivität höher, die Technologie überlegen. Zudem haben Sie eine unglaublich entschlossene Regierung, dieses Land zum sichersten Ort der Welt zu machen. Unter diesen Umständen amerikanische Unternehmen zu kaufen, deren Kurse sich auf ein Niveau verbilligt haben, das sie seit fünf bis sechs Jahren nicht gesehen haben, erfordert für mich keine besondere geistige Anstrengung.
Gleichwohl haben auch viele Amerikaner vom Aktienmarkt derzeit die Nase voll. Ja, ich verstehe das. Die sind heute so angeekelt, wie sie 1999 begeistert waren.
Haben wir inzwischen den Boden an den Börsen gefunden? Das weiss ich nicht. Kann sein, dass es im nächsten Jahr noch ein Stück runtergeht. Für den Neueinsteiger hiesse das: noch besser. 1998 standen Aktienkurse hoch, das hiess aber nicht, dass sie 1999 nicht noch steigen konnten. Man sollte an den Finanzmärkten immer wissen, wo man gerade steht. Wenn sich Möglichkeiten wie heute ergeben, muss man sie beim Schopfe fassen.
Und das, wenn es doch zum Worst-Case-Szenario einer Depression kommt, vor dem Leute wie Stephen Roach von Morgan Stanley warnen? Vor dem Hintergrund der politischen Stärke Amerikas, der heruntergeprügelten Aktienkurse und der niedrigen Zinsen ist für mich als Investor heute das Worst-Case-Szenario, eine Staatsanleihe mit zehnjähriger Laufzeit zu kaufen. Wenn es jemals eine Zeit gegeben hat, aggressiv zu sein, dann jetzt.
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