BILANZ: Was bewegt in diesem Jahr die Aktienmärkte?

Klaus Kaldemorgen: Ein wichtiger Treiber ist das weltweite Wirtschaftswachstum, das sehr ordentlich und robust ist. Dieses wird vor allem von den Schwellenländern, allen voran China und Indien, angekurbelt. Auch in Europa hellt die Konjunktur auf, und die USA halten sich relativ gut.

Was erwarten Sie von Seiten der Unternehmen?

Bisher wurde der Konsensus, der ja schon hoch war, noch mal übertroffen. Angesichts des guten Wachstums erwarte ich bis Ende des Jahres ausserordentlich gute Zahlen. Vor allem zyklische Branchen legen gute Ergebnisse vor, wie etwa der Investitionsgütersektor und natürlich der Rohstoff- und Energiesektor. Wohingegen Unternehmen der Konsumgüterindustrie wie Pharma und Healthcare teilweise Probleme haben.

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Was bedeutet das für die Aktienmärkte?

Aktuell haben die Märkte schnell und kräftig korrigiert. Das ist gesund und bringt den Anlegern wieder in Erinnerung, dass die Börsen keine Einbahnstrasse sind. Large Caps erscheinen mir jetzt wieder attraktiver, bei Nebenwerten wäre ich noch etwas vorsichtiger. Grundsätzlich bin ich für die Aktienmärkte positiv gestimmt. Die Bewertungen an den Wertpapiermärkten haben sich in den letzten Jahren nämlich noch nicht nach oben bewegt, obwohl die Kurse schon gestiegen sind. Die Kurse haben lediglich die besseren Gewinne nachvollzogen. Jetzt haben auch die Investoren wieder mehr Appetit auf Aktien. Sie fassen wieder Vertrauen. Denn sie sehen die Performance der vergangenen Jahre, das gute Wirtschaftswachstum, die guten Gewinne, und sie sehen auch, dass die Bondmärkte eher verlieren. Das ist ein Anreiz, das Geld in die Aktienmärkte umzuschichten.

Welche Risiken sehen Sie?

Eine ganze Menge. Vor allem die geopolitischen Risiken sind akut. Iran ist ein brisantes Thema, das für Verstimmung sorgen kann. Auch die Zinsentwicklung wird irgendwann zu einem Problem für die Aktienmärkte werden. Aber das hat noch ein bisschen Zeit. Noch können die Zinsen steigen, ohne dass die Wertpapierkurse darunter leiden.

Stellen die Probleme der US-Wirtschaft eine Gefahr dar?

Es ist schon erstaunlich, dass in Nordamerika die Konjunktur weiter brummt - trotz dem steigenden Ölpreis, der hohen Verschuldung der Haushalte, dem schwachen Arbeitsmarkt, dem Fehlen von Steuerentlastungen und einer Sparquote, die bei null liegt. Eine Verstimmung in den USA könnte Probleme für die Wertpapiermärkte bewirken. Doch die US-Wirtschaft ist nicht mehr so wichtig wie noch vor fünf oder zehn Jahren.

Wieso denn nicht?

Mittlerweile haben alle anderen Länder an Bedeutung gewonnen. Vor allem China, das inzwischen eine der grössten Volkswirtschaften der Welt hat. Auch Indien und Brasilien haben deutlich an Gewicht gewonnen. Diese Wirtschaften wachsen mit sechs und zehn Prozent. Die Rolle der USA als Leitwirtschaft der Welt ist langsam passé.

Wie sind denn die Aussichten für die Schweiz?

Die Schweiz hat immer eine Sonderstellung. Aber das hat eher mit dem Kapitalmarkt hierzulande zu tun. In der Schweiz gibt es einige sehr billige Aktien, die alle dem Bereich der Large Caps angehören. Erstaunlicherweise sieht man bei diesen Titeln relativ wenig Performance. Demgegenüber gibt es ein grosses Feld von kleineren und mittleren Unternehmen, die sich ausserordentlich gut entwickeln.

Welche Schweizer Titel mögen Sie besonders?

Einer meiner Lieblingstitel war ABB. Dieses Unternehmen kann nämlich eines der grossen Defizite weltweit füllen: den Hunger nach mehr Energie und eine bessere Elektrizitätsversorgung. Die Firmentochter in Indien hat ein Gewinnwachstum von 80 Prozent, und in China dürfte es ihnen ähnlich gehen. Doch mittlerweile ist auch die Bewertung ordentlich gestiegen. Ich mag auch die UBS-Aktie gerne. Ich weiss zwar nicht, was die so viel besser machen als andere Banken, aber wenn man die Zahlen ansieht, muss man den Hut ziehen. Die Pharmawerte, vor allem Novartis, sind zu Unrecht von der Börse vernachlässigt.

Wie ist Ihr Fonds zurzeit positioniert?

Ich habe rund 15 Prozent in Emerging Markets investiert, wobei China und Indien den Schwerpunkt bilden. Die USA machen gut 30 Prozent aus. Und der Rest ist in Europa angelegt.

Sehen Sie in den USA denn noch Nachholpotenzial?

30 Prozent mögen viel erscheinen, aber in Relation zum Vergleichsindex, dem MSCI World, habe ich US-Aktien untergewichtet. Für einen europäischen Investor ist das Benchmarkgewicht von fast 55 Prozent für US-Titel allein aus Diversifikationsgründen zu hoch. In den vergangenen Jahren hatte ich Nordamerika mit 25 und weniger Prozent sogar noch stärker untergewichtet. Inzwischen habe ich aufgestockt, weil die US-Börsen ihren Bewertungsnachteil gegenüber europäischen Aktien abgebaut haben. Bei Investments in den US-Markt sollte man weitgehend die Währung absichern, denn der Dollar wird eher noch schwächer.

Wenn sich die Bewertungen nicht mehr unterscheiden, dann ist die Frage USA oder Europa wohl sekundär.

Ganz genau. Es ist wichtiger zu entscheiden, in welchen Sektor und in welche Titel man investieren will.

Und welche Sektoren sind das?

In den USA sind Industrie, Technologie, Energie und Rohstoffe interessante Sektoren. Pharmawerte haben lange underperformed, da findet man auch einige spannende Werte. Weniger überzeugend finde ich den Konsumgütersektor in den USA. Den habe ich deutlich untergewichtet. Auch Finanzwerte habe ich weniger in den USA, weil ich glaube, dass diese in Europa interessanter sind.

Energiewerte sind immer noch ein wichtiger Posten in Ihrem Portfolio?

Ja, und das sollten sie auch bleiben. Ich kenne keinen Grund, warum die Preise von hier deutlich fallen sollten. Zum einen gibt es die geopolitischen Risiken, und da bietet der Energiesektor eine gute Absicherung. Zum anderen ist die Nachfrage der Schwellenländer nach Öl so hoch, dass es auf absehbare Zeit kaum möglich sein wird, das Angebot so zu steigern, dass die Preise bald wieder fallen.

Ihre Cash-Positionen haben sich im Vergleich zu 2005 extrem verringert. Gab es im vergangenen Jahr so viel weniger Anlagemöglichkeiten als heute?

Nein. Ich habe im letzten Jahr die Konjunktur zu pessimistisch gesehen und war zu defensiv investiert. Das hat sich dann ja auch in einer schwächeren Performance niedergeschlagen. 2005 hat der Fonds underperformed, weil ich den Dollar abgesichert hatte. Und leider habe ich es nicht geschafft, mit dem Aktienportfolio eine Outperformance zu erzielen.

Genau zum Jahreswechsel kam dann die Outperformance.

Das ist richtig. Es ist sehr ärgerlich, wenn man underperformed. Dann muss man der Realität Rechnung tragen. Und die Realität war eben, dass das Wirtschaftswachstum stärker war, als ich das erwartet habe. Das habe ich dann zum Jahreswechsel korrigiert.

Sind Sie weniger mutig als früher?

Komisch, dass Sie das fragen. Ein anderer Journalist warf mir kürzlich vor, ich sei zu mutig, weil ich so hohe Positionen in China halte. Man kann es nicht jedem recht machen. Wahr ist, dass ich schon Anfang vergangenen Jahres mehr in China, Brasilien und Indien hätte investieren sollen. Aber so ist es manchmal. Es ist selten zu spät, seine Meinung zu ändern und sie der aktuellen Marktlage anzupassen. Immerhin habe ich letztes Jahr auch einiges richtig gemacht, wie zum Beispiel die starke Betonung der Energiewerte.

Im Vermögensbildungsfonds verwalten Sie mehr als sieben Milliarden Euro. Der Fonds wird in Deutschland auch Volkfonds genannt. Erschwert es Ihre Arbeit, dass Ihnen so viele Anleger auf die Finger schauen?

Ja, natürlich hat man es lieber, wenn man etwas unbelasteter agieren kann und nicht jeder immer jede Bewegung nachvollzieht. Doch der Fonds ist sehr gross, und es ist völlig legitim, meine Arbeit genauer zu verfolgen. Ein so grosser Fonds leidet eigentlich mehr darunter, dass die Möglichkeiten in Small und Mid Caps zu investieren begrenzt sind. Ein 100-Millionen-Fonds kann in diesem Anlagesegment einfacher anlegen. Mir bleiben zurzeit nur drei andere Möglichkeiten, eine Outperformance zu erzielen: über die Währung, mit Emerging Markets und im Rohstoffbereich. Denn das sind im Augenblick die Performancetreiber.

Wer in Ihren Fonds investiert, verzichtet also auf die attraktiven Zuwächse im Small- und Mid-Cap-Segment.

Anleger haben ja die Möglichkeit, den Fonds als Basisinvestment zu nehmen. Und den Bereich, der bei mir untergewichtet ist, durch spezielle Produkte zuzukaufen.

Ist Ihr Fonds stärker von Mittelzu- und Mittelabflüssen betroffen als andere?

Ich sehe schon Mittelabflüsse im Moment. Aber das ist das Schicksal vieler globaler, diversifizierter Aktienfonds. Das betrifft die ganze Palette. Die abgezogenen Mittel werden benutzt, um spezialisierter zu investieren. Unser Bric-Fonds beispielsweise hat über zwei Milliarden Euro an Zuflüssen verbucht. Man sieht deutlich, wie umgeschichtet wird.

Sind Ihre Anleger mehrheitlich private oder institutionelle?

Im Wesentlichen Private. Doch die Abflüsse kommen weniger von privater Seite als von Dachfonds.

Welche sind Ihnen denn lieber?

Mir sind die privaten Anleger natürlich lieber. Sie engagieren sich längerfristig. Das ist eine deutlich stabilere Anlegerklasse.

Können denn die privaten Investoren den langfristigen Anlagehorizont, den Sie verfolgen, auch alle nachvollziehen?

Der private Anleger ist nicht so erratisch, was seine Mittelbewegungen angeht. Er sucht ein Basisinvestment, und um dieses herum wählt er noch andere Schwerpunkte. Der DWS-Vermögensbildungsfonds 1 eignet sich gut als Basisinvestment. Ich habe im letzten Jahr auch keine bösen Briefe bekommen. Der Fonds hat 22 Prozent gutgemacht und in diesem Jahr schon sechs Prozent. Der Privatanleger, der nicht so auf die Benchmark fixiert ist wie institutionelle Investoren, ist damit durchaus zufrieden.

Sind Private in dieser Beziehung schlauer als Institutionelle?

Das würde ich so nicht sagen. Sie haben andere Präferenzen. Institutionelle Anleger sind natürlich schon stärker an der Benchmark orientiert, während der private eher die Peer Group zum Vergleich heranzieht. Das heisst, er möchte in dem Segment, das er sich ausgesucht hat, einen guten Fonds haben. Das muss nicht immer Nummer eins sein. Aber das erste Quartil strebt er schon an.

Nimmt die Bedeutung der Benchmark zu?

Zwischen 2000 und 2003 hat jeder gesagt, man müsse sich von der Benchmark lösen und auf den absoluten Return konzentrieren. Das haben mir damals viele Anleger vorgeworfen. Wenn die Aktienmärkte abstürzen, dann soll man so gut wie gar keine Aktien mehr halten. Das ist mir ja schon rechtlich nicht erlaubt. So war aber die Stimmung bei den Anlegern, und ich kann das gut nachvollziehen.

Heute sieht es aber wieder anders aus.

Ja, inzwischen wird man wieder sehr stark an der Benchmark gemessen. Das fördern auch die Medien, die überprüfen, welcher Fonds seine Benchmark geschlagen hat. Doch die Börsen werden nicht ewig steigen. Spätestens wenn die Kurse wieder fallen, wird die Abkehr von der Benchmark wieder ein grosses Thema sein. In Hausse-Phasen kommt man aber um die Benchmark nicht herum. In Phasen, in denen es seitwärts oder nach unten geht, wird wieder eine Absolute- oder Total-Return-Strategie gefragt sein.

Auch Indexprodukte kommen immer mehr in Mode. Ist das eine merkliche Konkurrenz für Anlagefonds?

Bei den Kernstrategien wie europäischen Aktien, US-Aktien oder Japan, also den Plain-Vanilla-Produkten, spielen Indexprodukte mittlerweile eine grosse Rolle. Bei anderen Segmenten, für die es schwierig ist, überhaupt eine Benchmark zu fixieren, gibt es weniger Konkurrenz. Das gilt etwa für Schwellenländer. Aber auch bei globalen Aktien haben Fonds noch die Nase vorn, weil hier die Benchmark nicht so effizient ist.

Wird die Bedeutung von Indexprodukten noch weiter zunehmen?

Anleger werden bei der Auswahl verstärkt auf die Kosten achten. Wenn ein Manager beweisen kann, dass er auf Dauer besser ist als seine Benchmark, wird er sich behaupten können. Vielen Anlegern ist das aber egal. Sie wollen nur ein kostengünstiges Produkt, um sich an den Aktienmärkten zu engagieren. Für diese Zielgruppe ist ein Indexprodukt dann das richtige Vehikel.

Der Trend zu passiven Anlageprodukten ist aber nicht wegzudiskutieren. Ist der Star-Fondsmanager, wie Sie einer sind, ein Auslaufmodell?

Schwer zu sagen. Von Institutionen wird ein Fonds immer mit einer Person identifiziert, weil diese der Garant für die Verlässlichkeit eines bestimmten Investmentstils ist. Diese Person ist aber immer nur so viel wert wie das gesamte Team, das dahinter steht. Auch das sehen die Anleger. Sie vertrauen mir nur ihr Geld an, weil sie wissen, dass hinter mir ein Team aus Spezialisten steht, das mir zuarbeitet. Die Kombination ist ganz wichtig. Denn umgekehrt würden sich Fonds auch nicht verkaufen, wenn nur ein Team und kein Fondsmanager das Produkt verwaltet. Das wäre auch nicht zweckmässig. Es muss eine Person geben, welche die Verantwortung trägt. Wenn es schief geht, kann der Anleger diese dann am Kragen packen. Bei Hedge Funds steht allerdings ganz klar die Person im Vordergrund. Denn hier ist eine ganz spezielle Anlagestrategie entscheidend. Da kommt man ohne den Starfondsmanager nicht aus.

Für welchen Ablagestil steht denn Klaus Kaldemorgen?

Ich verfolge weder einen Value- noch einen Wachstums-Stil. Ich bin hauptsächlich pragmatisch. Ich versuche zu verstehen, was die Märkte mir sagen wollen, welche Trends in der Welt vorherrschen, was die Aktienmärkte beeinflusst. Wenn ich das erkannt habe, dann passe ich meine Strategie dem an.

Wie sieht das praktisch aus?

Von 2000 bis 2003 haben Dividendentitel und Value-Aktien eine sehr gute Performance gezeigt. Diesen Trend habe ich mir dann zu Eigen gemacht. Jetzt glaube ich, dass Wachstum wieder ein tragfähiger Bestandteil ist, daher werde ich wieder stärker in diese Wert investieren - obwohl ich von der Mentalität her etwas konservativer geprägt bin. Mit sehr hoch bewerteten Aktien kann ich wenig anfangen.

Wie entstehen dann Ihre Anlageideen?

Themenspezifische und Trendinvestment spielen eine grosse Rolle bei mir. Als ich erkannte, dass Öl ein grosses Thema ist, habe ich den Ölsektor übergewichtet. Ebenso habe ich es in diesem Jahr mit den Schwellenländern gemacht. Ich versuche, mich den Investments thematisch anzunähern.

Sie verfolgen also einen Top-down-Ansatz?

Ja und nein. Ich brauche natürlich erst einmal eine Struktur für das Portfolio. Ich muss meine bevorzugten Investmentgebiete bestimmen. Global Equities sind eine weites Feld. Wenn ich diese Themen besetzt habe, dann folgt eine Bottom-up-Annäherung. Innerhalb der Themen identifiziere ich dann die besten Titel. Dafür habe ich zum Glück ein grosses Team mit Spezialisten für die vielen regionalen Märkte.

Wie gross ist Ihr Team?

Wir sind in Frankfurt über 80 Portfoliomanager. Im Global-Equity-Team arbeite ich mit fünf anderen Portfoliomanagern zusammen.

Ihre Anlagekriterien ändern sich also je nach Marktsituation.

Es ist in jeder Marktlage wichtig, Unternehmen zu kaufen, die über bestimmte Alleinstellungsmerkmale verfügen. Das sind Wettbewerbsvorteile, die andere nicht haben. Das ist schon mal ein gutes Auswahlkriterium. Auch Bewertungen sind in allen Marktphasen wichtig. Doch manchmal muss man das Kurs-Gewinn-Verhältnis in Beziehung zum Wachstum setzen, in anderen Situationen reicht es, diese Kennzahl als absolute Grösse zu betrachten. Da muss man sich nach dem Markt richten.

Welches war Ihr erfolgreichstes Investment bisher?

Das ist Gazprom. Der Titel hat sich in den letzten drei Jahren fast verachtfacht.

Gibt es auch eine Entscheidung, über die Sie sich heute noch ärgern?

Ich muss zugeben, dass ich die Google-Aktien verpasst habe. Die hätte ich für unter hundert Euro haben können, als sie damals emittiert wurden. Ich hatte das Gefühl, sie seien zu teuer. Jetzt ist der Titel bei über 300 Euro. Das wäre ein schönes Investment gewesen. Zum Glück habe ich meine Kollegen, die mir manchmal helfen, die Skrupel zu überwinden, die ich wegen der Bewertungsargumente habe.

Wie oft schichten sie den Fonds um?

Relativ selten, was bei der Grösse des Fonds fast zwangsläufig so ist.

Haben Sie Mechanismen, um die Verkaufsdisziplin zu sichern?

Wenn eine Aktie eine richtig gute Performance hat, kann sich schnell die Gewichtung des Titels von einem auf zwei Prozent verdoppeln. Da muss man aufpassen, dass das Risiko nicht aus dem Ruder läuft, und verkaufen. Ansonsten sollte man nicht zu früh verkaufen. Selbst wenn man der Meinung ist, dass ein Unternehmen das anvisierte Bewertungsniveau erreicht hat. Die Erfahrung hat gezeigt, dass dieser Wert oft noch überschritten wird, wenn viele Investoren die Story erkannt haben.

Erinnern Sie sich an ein Beispiel?

Gazprom war vor einigen Jahren ein unbedeutender Wert mit einem KGV von drei oder vier. Heute ist es das drittteuerste Unternehmen der Welt. Investoren haben jetzt die Story erkannt. Es wäre ein Fehler gewesen, den Titel schon zu verkaufen. Damit werde ich mir auch noch etwas Zeit lassen. Die grössten Fehler macht man eher bei Werten, die sich nicht den Erwartungen entsprechend entwickeln. Viele Anleger haben zu lange Hoffung, dass der Titel noch anzieht. Da muss man eher die Disziplin haben, sich von seinen schlechten Investments zu trennen.

Sie legen also keinen Wert fest, zu dem Sie Aktien wieder verkaufen?

Das würde zu grossen Fehlern führen. Ich hatte mal eine grosse Position in Continental, dem deutschen Reifenproduzenten. Die Aktie hatte ich zu zehn Euro gekauft. Dann hat sich der Wert mehr als verdoppelt. Ich war ganz glücklich und habe mich sukzessive von der Aktie getrennt. Und nun steht der Titel bei 90 Euro. Das soll mir eine Lehre sein. Von erfolgreichen Investments werde ich mich eher vorsichtig trennen, denn vielleicht geht die Erfolgsgeschichte noch weiter.

Wie informieren Sie Ihre Anleger über ihren Investmentansatz?

Es ist wichtig, die Kommunikation mit dem Anleger beständig aufrechtzuerhalten. Idealerweise wird er ständig über meine Ideen und Vorstellungen auf dem Laufenden gehalten. Wenn der Anleger das nachvollziehen kann und auch meiner Meinung ist, versteht er auch, wenn etwas schief läuft, und bleibt dabei. Man muss den Anleger fair, umfassend und in einer verständlichen Art und Weise unterrichten. Er soll nicht das Gefühl haben, in etwas zu investieren, das er nicht mehr versteht. Deshalb bin ich bei meinem Fonds auch restriktiv, was den Einsatz von Derivaten angeht. Das macht es schwerer, den Anleger vom Portfolio zu überzeugen. Wenn man dagegen mal vorsichtiger ist, so kann man ihm das auch erklären. Im letzten Jahr bin ich weniger Risiko eingegangen. Das wird zwar nicht mit Performance honoriert, aber der Anleger kann das verstehen.

Sie sind bekannt dafür, an Hauptversammlungen kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Zuletzt haben Sie bei der Aktionärsversammlung der Deutschen Telekom das Management scharf kritisiert.

Das ist eine meiner Aufgaben als Fondsmanager. Ich bin Treuhänder für meine Anleger. Für die Titel, die ich in den Fonds hereinnehme, muss ich stellvertretend für sie die Pflichten eines Aktionärs ausüben. Diese Rolle kann ich gut übernehmen, weil ich mich bei den Unternehmen auskenne und ein respektierter und anerkannter Gesprächspartner für das Management bin. Wenn ich sehe, dass bei der Corporate Governance oder der Strategie etwas schief läuft oder eine schlechte Performance erzielt wird, dann ist es mein Job, die Geschäftsführung zu rügen. Das tut DWS als Gesellschaft, und das tue ich als Einzelperson.

Sie führen aber doch auch sicher ausserhalb der Generalversammlung Gespräche mit den Unternehmen.

Selbstverständlich. Das gelangt aber nicht an die Öffentlichkeit. Hauptversammlungen sind wichtig, weil sie ein öffentliches Forum bieten. Es ist die härteste Art, mit dem Unternehmen zu kommunizieren, denn wer sieht sich schon gerne in der öffentlichen Kritik? Aber natürlich ist das Gespräch mit dem Unternehmen immer vorgeschaltet. Doch wenn ich da keine Einigung erziele, dann gehe ich in die Generalversammlung.

Wie lautet Ihr wichtigster Rat für Privatanleger?

Es steht auch einem privaten Anleger gut zu Gesicht, wenn er sich etwas mit dem Investment identifizieren kann. Er sollte sich nichts einreden lassen, sondern eher ein Überzeugungstäter sein. Bei direkten Investments sollte er sich mit dem Unternehmen auskennen. Man muss seine Finger von Sachen lassen, von denen man nichts versteht.

Gilt das auch für Fonds?

Bei Fonds sollten Privatanleger nachlesen, was der Fondsmanager denkt und macht. Wenn man damit nicht einverstanden ist oder es nicht nachvollziehen kann, sollte man einen anderen Fonds kaufen. Wenn man einen Fernseher kauft, dann informiert man sich auch über die Qualität und die Eigenschaften des Produktes. Das sollte bei Geldanlagen auch geschehen.

Da erst recht.

Das stimmt. Aber oft ist es umgekehrt. Einige Menschen wälzen tagelang Zeitschriften, wenn sie sich einen Becher Joghurt kaufen wollen. Andererseits investieren sie 100 000 Schweizer Franken - und zwar in fünf Minuten.

Klaus Kaldemorgen
Der 52-Jährige ist Leiter des globalen Aktienmanagements bei Deutschlands grösster Fondsgesellschaft, DWS Investments. Zudem ist er seit vier Jahren Geschäftsführer der Deutsche-Bank-Tochter DWS. Kaldemorgen hat 1982 bei der DWS als Fondsmanager angefangen. Der Ökonom managt neben dem DWS Vermögensbildungsfonds den DWS Akkumula, den Intervest und den Invest Global Equities.

DWS Vermögensbildungsfonds: Starker Volksfonds

Der DWS Vermögensbildungsfonds (Valor 329 654) wird mit gut sieben Milliarden Euro Fondsvermögen zu Recht als "Volksfonds" bezeichnet. In den vergangenen drei Jahren legte der über 30 Jahre alte Fonds im Jahresdurchschnitt um fast 23 Prozent zu - der Vergleichsindex MSCI World blieb bei seiner Performance knapp unter 20 Prozent. Im vergangenen Jahr allerdings schnitt der Fonds mit einem Plus von gut 22 Prozent 4 Prozentpunkte schwächer ab als die Benchmark.