Das Jahresende naht, und wir kommen zur obligaten Frage, welcher Ausdruck es denn 2002 zum «Wort des Jahres» schaffen könnte.
Wort des Jahres 2002? Sind es die «Abzocker»? Sind es die «Versagerräte»? Oder ist es doch eher der «Rentenklau»?
Wie man sieht, haben die Favoriten einiges gemein. Alle richten sie sich gegen die Wirtschaft und deren Exponenten. Und alle wurden vom «Blick» in die Welt gesetzt. Das spricht zuerst einmal für das sprachschöpferische Talent der Boulevard-Redaktion.
Bemerkenswerter ist jedoch, wie schnell sich die «Abzocker» und «Versagerräte» auch in den Spalten der so genannt seriösen Presse und den elektronischen Medien breit machen dürfen. Dies zeigt, wie breit abgestützt die reichlich gehässigen Attacken gegen die Wirtschaftsprominenz derzeit im Volke sein müssen. Dass die Politiker – und beileibe nicht nur die Sozialdemokraten – das «Abzocker»-Vokabular eilfertig übernehmen, ist nur folgerichtig.
Die populistische Kampagne gegen die «Bereicherung» der Topmanager ist für einmal jedoch mehr als eine vorübergehende Medienhysterie. Sie trifft tiefer. Der Lärm wird unser kapitalistisches System nicht reinigen, wie man uns weismachen will, sondern seine Vertreter eher lähmen, auf lange Zeit hinaus.
Es lohnt sich ein kurzer Blick zurück. Unsere neuere Wirtschaftsgeschichte begann vor 20 Jahren. Nach einer dreijährigen Rezession setzte für viele Unternehmen eine Phase der Prosperität ein, die von herausragenden Managern getrieben wurde. Männer wie Rainer E. Gut, Helmut Maucher, Fritz Leutwiler, Nicolas Hayek, Fritz Gerber, Nikolaus Senn, Hans Widmer und Alex Krauer prägten ein neues Bild des CEO. Sie rückten zu eigentlichen Kultfiguren auf – und sie wurden als erste Managergeneration mit hohen Bonuszahlungen, Aktienanteilen und Optionen ausgestattet und damit auf steigende Aktienkurse fixiert.
In den Neunzigerjahren wurde dies zum Standard für Unternehmen. CEOs verdienten sehr gut, weil auch ihre Investoren sehr gut verdienten. Kein Anleger und kein Journalist kritisierte vor dem Jahr 2001 je die Bezüge des Topmanagers, wenn dieser den Gewinn und den Aktienkurs eben wieder um 30 Prozent nach oben gebolzt hatte.
Es waren nicht die CEOs, die korrumpiert worden wären. Wenn schon, dann wären das gesamte System und dessen Wahrnehmung korrumpiert gewesen in einer Zeit, in der auch die Putzfrau den Ausdruck «Shareholder-Value» fehlerfrei buchstabieren konnte. Die CEOs genauso wie die Verwaltungsräte, die Investoren, die Pensionskassen, die Kleinanleger, die Angestellten – alle profitierten enorm.
Vor diesem Hintergrund greift der Ruf nach einer neuen Ethik in der Chefetage zu kurz. Es macht wenig Sinn, wenn Medien und Politik nun eine angepasste Typologie des CEO als einer Art bescheidenen Gutmenschen mit Finanzkenntnissen entwerfen. Auch mit tieferen Boni auf der Chefetage wird sich das Vertrauen in Unternehmen und Manager nicht wiederherstellen lassen, ebenso wenig mit Sonntagspredigten über Corporate Governance.
Denn in einem Punkt lagen die Neunzigerjahre schon richtig. Das Vertrauen in die Wirtschaft erreichte damals ungeahnte Höhen, weil die CEOs selbstbewusst, erfolgreich und aggressiv waren wie nie zuvor.
Im Moment erleben wir eher das kollektive Abducken der ganzen Kaste. Kaum ein Chef eines grösseren Unternehmens ist in den letzten Monaten öffentlich aufgetreten, hat seinen Kopf hingehalten und Klartext gesprochen, etwa zum Thema, dass 99 Prozent der Schweizer Manager keine Charakterlumpen sind. Viele tauchen ab, viele sind eingeschüchtert, weil sie fürchten, die nächsten Opfer im Hau-den-Lukas-Spiel zu werden. Und auch auf Entscheidungsebene wirkt sich das politisch-mediale Trommelfeuer allmählich aus. Man gewinnt zunehmend den Eindruck, dass fällige unangenehme Massnahmen in manchen Firmen derzeit nicht opportun erscheinen oder man an der Spitze neuerdings lieber auf Männer setzt, die nicht eben für unpopuläre Schnitte bekannt sind.
Ich fürchte deshalb, in der Schweiz könnte unter dem Eindruck der unüblich harten Kritikwelle nun die Periode der Hasenfüsse anheben. Es wäre fatal für die Wirtschaft, doch die Beisshemmung im Schweizer Topmanagement ist bereits unübersehbar.
Mit Zaudern und Zögern, auch mit politisch korrekter Rücksichtsnahme wird das Vertrauen in die Unternehmen aber nicht zurückkehren. Vertrauen in die Unternehmen kehrt erst zurück, wenn Unternehmen wieder besser arbeiten. Besser arbeiten heisst harte Entscheide. Harte Entscheide heisst tiefere Kosten und höhere Renditen. Höhere Renditen heisst höhere Aktienkurse. Und höhere Aktienkurse heisst mehr Geld für den CEO.
So paradox ist es halt: Erst wenn die Schweizer CEOs sich wieder «bereichern», ist das Vertrauen in die Wirtschaft wieder da.
Wort des Jahres 2002? Sind es die «Abzocker»? Sind es die «Versagerräte»? Oder ist es doch eher der «Rentenklau»?
Wie man sieht, haben die Favoriten einiges gemein. Alle richten sie sich gegen die Wirtschaft und deren Exponenten. Und alle wurden vom «Blick» in die Welt gesetzt. Das spricht zuerst einmal für das sprachschöpferische Talent der Boulevard-Redaktion.
Bemerkenswerter ist jedoch, wie schnell sich die «Abzocker» und «Versagerräte» auch in den Spalten der so genannt seriösen Presse und den elektronischen Medien breit machen dürfen. Dies zeigt, wie breit abgestützt die reichlich gehässigen Attacken gegen die Wirtschaftsprominenz derzeit im Volke sein müssen. Dass die Politiker – und beileibe nicht nur die Sozialdemokraten – das «Abzocker»-Vokabular eilfertig übernehmen, ist nur folgerichtig.
Die populistische Kampagne gegen die «Bereicherung» der Topmanager ist für einmal jedoch mehr als eine vorübergehende Medienhysterie. Sie trifft tiefer. Der Lärm wird unser kapitalistisches System nicht reinigen, wie man uns weismachen will, sondern seine Vertreter eher lähmen, auf lange Zeit hinaus.
Es lohnt sich ein kurzer Blick zurück. Unsere neuere Wirtschaftsgeschichte begann vor 20 Jahren. Nach einer dreijährigen Rezession setzte für viele Unternehmen eine Phase der Prosperität ein, die von herausragenden Managern getrieben wurde. Männer wie Rainer E. Gut, Helmut Maucher, Fritz Leutwiler, Nicolas Hayek, Fritz Gerber, Nikolaus Senn, Hans Widmer und Alex Krauer prägten ein neues Bild des CEO. Sie rückten zu eigentlichen Kultfiguren auf – und sie wurden als erste Managergeneration mit hohen Bonuszahlungen, Aktienanteilen und Optionen ausgestattet und damit auf steigende Aktienkurse fixiert.
In den Neunzigerjahren wurde dies zum Standard für Unternehmen. CEOs verdienten sehr gut, weil auch ihre Investoren sehr gut verdienten. Kein Anleger und kein Journalist kritisierte vor dem Jahr 2001 je die Bezüge des Topmanagers, wenn dieser den Gewinn und den Aktienkurs eben wieder um 30 Prozent nach oben gebolzt hatte.
Es waren nicht die CEOs, die korrumpiert worden wären. Wenn schon, dann wären das gesamte System und dessen Wahrnehmung korrumpiert gewesen in einer Zeit, in der auch die Putzfrau den Ausdruck «Shareholder-Value» fehlerfrei buchstabieren konnte. Die CEOs genauso wie die Verwaltungsräte, die Investoren, die Pensionskassen, die Kleinanleger, die Angestellten – alle profitierten enorm.
Vor diesem Hintergrund greift der Ruf nach einer neuen Ethik in der Chefetage zu kurz. Es macht wenig Sinn, wenn Medien und Politik nun eine angepasste Typologie des CEO als einer Art bescheidenen Gutmenschen mit Finanzkenntnissen entwerfen. Auch mit tieferen Boni auf der Chefetage wird sich das Vertrauen in Unternehmen und Manager nicht wiederherstellen lassen, ebenso wenig mit Sonntagspredigten über Corporate Governance.
Denn in einem Punkt lagen die Neunzigerjahre schon richtig. Das Vertrauen in die Wirtschaft erreichte damals ungeahnte Höhen, weil die CEOs selbstbewusst, erfolgreich und aggressiv waren wie nie zuvor.
Im Moment erleben wir eher das kollektive Abducken der ganzen Kaste. Kaum ein Chef eines grösseren Unternehmens ist in den letzten Monaten öffentlich aufgetreten, hat seinen Kopf hingehalten und Klartext gesprochen, etwa zum Thema, dass 99 Prozent der Schweizer Manager keine Charakterlumpen sind. Viele tauchen ab, viele sind eingeschüchtert, weil sie fürchten, die nächsten Opfer im Hau-den-Lukas-Spiel zu werden. Und auch auf Entscheidungsebene wirkt sich das politisch-mediale Trommelfeuer allmählich aus. Man gewinnt zunehmend den Eindruck, dass fällige unangenehme Massnahmen in manchen Firmen derzeit nicht opportun erscheinen oder man an der Spitze neuerdings lieber auf Männer setzt, die nicht eben für unpopuläre Schnitte bekannt sind.
Ich fürchte deshalb, in der Schweiz könnte unter dem Eindruck der unüblich harten Kritikwelle nun die Periode der Hasenfüsse anheben. Es wäre fatal für die Wirtschaft, doch die Beisshemmung im Schweizer Topmanagement ist bereits unübersehbar.
Mit Zaudern und Zögern, auch mit politisch korrekter Rücksichtsnahme wird das Vertrauen in die Unternehmen aber nicht zurückkehren. Vertrauen in die Unternehmen kehrt erst zurück, wenn Unternehmen wieder besser arbeiten. Besser arbeiten heisst harte Entscheide. Harte Entscheide heisst tiefere Kosten und höhere Renditen. Höhere Renditen heisst höhere Aktienkurse. Und höhere Aktienkurse heisst mehr Geld für den CEO.
So paradox ist es halt: Erst wenn die Schweizer CEOs sich wieder «bereichern», ist das Vertrauen in die Wirtschaft wieder da.
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