Schon zum zweiten Mal in diesem Jahr rief die souveräne Schweiz deutsche Polizeikräfte zu Hilfe, weil überforderte (aber noch souveränere) Kantone um den kleinstmöglichen Beitrag an die Sicherheit in Genf feilschten. Man leistet sich das Pokerspiel unter Bund und Kantonen, weil man weiss: die Profis von Armee und Polizei werden es – wie beim WEF – am Ende richten.

Das Staatsversagen beim zentralen Gut der öffentlichen Sicherheit zeigt, wie Verteilungsfragen das politische System beherrschen. Keine betriebliche Massnahme bei Post oder Swisscom, kein Standortentscheid einer Bundesbehörde, keine neue Strecke der SBB ohne Verteilungskampf, von St.-Florians-Spielen beim Fluglärm oder der nuklearen Entsorgung zu schweigen. Ebenfalls an der Hürde kantonaler Egoismen scheiterte bisher die unbestrittene Konzentration und Profilierung im Hochschul- und Fachhochschulbereich.

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In diesem System, das immer öfter an einen obsoleten Staatenbund als einen modernen Bundesstaat erinnert, wird nicht nur permanent um «Kostenteiler» gestritten, sondern massiv umverteilt. Dies geschieht direkt via Finanzausgleich und Regionalförderung, aber auch indirekt via Agrarsubvention und nicht zuletzt den Treibstoffzoll, der von den Konsumenten in den grossen Agglomerationen bezahlt wird, um autofreie Strassen wie die Transjurane zu bauen, während Zürich auf die dritte Baregg-Röhre zwanzig Jahre warten muss.

Die Mittel in diesem Umverteilungsdschungel fliessen (vom Kurortkredit über die Investitionshilfe für Berggebiete bis zu den «Bonny»-Beschlüssen und dem Bundesbeschluss über die Förderung von Innovation und Zusammenarbeit im Tourismus) stets in die gleiche Richtung: von hoch produktiven zu so genannt strukturschwachen Gebieten, vom Zentrum in die Randregionen (bei uns in der Landesmitte), von Zürich – etwas überzeichnet – in den Rest der Schweiz. Das Ziel der Übung, nachhaltige Steigerung von Einkommen und Beschäftigung der «Geförderten», wurde trotzdem nicht erreicht. Im Gegenteil: Über Jahrzehnte wurden nichtwettbewerbsfähige Strukturen erhalten und dem Zentrum Zürich Ressourcen für den internationalen Standortwettbewerb entzogen. Beides trug erheblich zur gegenwärtig viel beklagten nationalen Wirtschaftsschwäche bei.

Die Neugestaltung des Finanzausgleichs (NFA) und die Neue Regionalpolitik sollen dieser Realität Rechnung tragen. Es ist nun offiziell, dass «aus wirtschaftlicher Sicht (…) die Regions- und Kantonsgrenzen längst irrelevant geworden» sind, der Grossraum Zürich auch in Zukunft eine hervorragende Rolle spielen wird und kleine und mittlere Städte sowie periphere Gebiete nur in Vernetzung mit wachstumsstarken Zentren gestärkt werden. Trotz dieser Einsicht kalibrierte die helvetische Ausgleichsfabrik so lange an der NFA, entstanden so viele Ausgleichs-, Härte- und Übergangstöpfe, dass (fast) alles beim Alten bleibt: zwei grossen (Zürich, Zug) und zwei kleineren (Genf, Schwyz) Nettozahlern steht die Masse der Empfängerkantone gegenüber.

Was referendumspolitisch Sinn macht, bleibt wirtschaftlich ein Irrweg. Die alte wie die neue Ausgleichsmaschinerie setzen die Gans, die goldene Eier legt, voraus. Aber Zürich kämpft derzeit im widrigsten weltkonjunkturellen Umfeld um den Ligaerhalt nicht nur gegen London und München, sondern auch gegen Spieler in der eigenen Mannschaft, von Aargau bis Thurgau, die eine nationale Krisenstrategie zu Gunsten des Flughafens verunmöglichen. Der mancherorts kultivierte Anti-Zürich-Reflex nimmt zwar ab, aber von der Einsicht, dass die Schweiz Zürich als starkes Zentrum – und damit mehr Konzentration und weniger Ausgleich – braucht, sind wir noch weit entfernt.