Fast überall weltweit geht die Teuerung wieder deutlich zurück. In den USA sank sie im April auf 4,9 Prozent, auf ihrem Höchststand vor knapp einem Jahr lag sie bei 9,1 Prozent, in der Eurozone liegt sie noch bei 7 Prozent, auf dem Höchststand belief sie sich auf 10,6 Prozent, und selbst in der Schweiz fiel sie seit ihrem Maximum von 3,5 auf 2,6 Prozent.
Das Thema Teuerung können wir also demnächst abhaken, so suggeriert diese Entwicklung. Doch das wäre zu rasch gesprungen. Eine Reihe von Gründen sprechen dafür, dass wir in naher Zukunft mit einer höheren Teuerung leben müssen, als wir sie noch vor Corona gesehen haben.
So sieht der Rückgang der ausgewiesenen Teuerung besser aus, als er ist. Dafür verantwortlich sind hauptsächlich die hohen Energiepreise vor einem Jahr. Gas und Öl hat sich seither deutlich verbilligt, und das ist ein wesentlicher Grund für den generellen Teuerungsrückgang.
Um die tatsächliche Verbreitung der Teuerung in einer Volkswirtschaft zu messen, rechnen Ökonominnen und Ökonomen solche stark schwankenden Einflussfaktoren wie Energiepreise und Lebensmittelpreise aus der generellen Teuerung heraus. Was bleibt, nennen sie Kernrate der Teuerung.
Auf die Kernrate kommt es an
Diese Kernrate hat sich in den letzten Monaten kaum bewegt oder ist sogar angestiegen. Das ist umso besorgniserregender, als die Notenbanken bereits in historischem Tempo massiv die Leitzinsen angehoben haben. Eine Folge davon waren Verwerfungen an den Finanzmärkten, weil der Zinsanstieg zu massiven Wertverlusten auf Anlagen von Banken geführt hat, von denen einige untergingen.
Die Folgen der gestiegenen Zinsen zeigen sich aber immer deutlicher in der Konjunktur. Weltweit häufen sich die Zeichen für eine deutliche Wirtschaftsabschwächung. Wollen die Notenbanken die Inflation weiter stark senken, wären sie gezwungen, die Zinsen massiv weiter zu erhöhen und die Konjunkturlage wie Banken weiter zu gefährden.
Das allein spricht dafür, dass sie lieber die Inflation etwas höher belassen, als solches zu riskieren. Dazu kommt, dass die erhöhte Inflation für viele Länder eine einfache Möglichkeit bietet, um die massiv angewachsene Staatsschuld in Kaufkraft gemessen zu senken.
Zu guter Letzt haben die aktuell verantwortlichen Notenbankerinnen und Notenbanker noch immer den Schock des letzten Jahrzehnts in den Knochen, als sie angesichts einer sehr tiefen Inflation sogar ein sinkendes Preisniveau fürchteten, was ihre Möglichkeit, mit Zinsen auf die Wirtschaft einzuwirken, massiv eingeschränkt hätte. So dürften sie sich auch aus diesem Grund lieber mit einer erhöhten Inflation anfreunden.
Alles spricht dafür, dass wir weltweit weiter mit überdurchschnittlich steigenden Preisen wie auch mit anhaltend hohen Zinsen zu rechnen haben.
1 Kommentar
"Die Inflation setzt sich aber nicht nur fort, sie liegt auch deutlich zu hoch. Dies gilt zum einen für die Inflationsziele der Zentralbanken, die im Schweizer Fall Inflationsraten von bis zu 2 Prozent Teuerung anstreben. International sind wir weit entfernt von einer Zielerreichung, aber auch bei uns droht aufgrund der verzögerten Anpassung unserer vielen staatlich administrierten Preise eine unerwünscht hohe Inflation.
Noch schlimmer sieht es allerdings aus, wenn man die Kerninflationsraten mit den Leitzinsen vergleicht. Die Zinsen liegen in allen wichtigen Währungen unter der jeweiligen Inflationsrate. Ein solcher NEGATIVER Realzins hat historisch zu anziehender Inflation geführt. Erst wenn die Zinsen der Zentralbanken über der Kerninflation liegen, kann von einer eigentlichen Inflationsbekämpfung gesprochen werden. Dafür werden uns die Zentralbanken aber noch einige Zinserhöhungen präsentieren müssen."
FREIE SICHT - Zinswende noch weit entfernt - Für eine Inflationsbekämpfung müssen die Zinsen der Zentralbanken über der Kerninflation liegen - Eine Trendwende der Inflation ist noch nicht in Sicht – dafür müssen die Zentralbanken noch einige Zinserhöhungen vornehmen. - Von Klaus W. Wellershoff am 21.01.2023