Die spekulative Nettopositionierung in Gold-Futures hat 2023 stark zugenommen, insbesondere nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank. Vor den Sorgen des Bankensektors sah die Positionierung in Gold-Futures – ein Mass für die Stimmung der Anlegerinnen und Anleger in Bezug auf Gold – recht schwach aus. Mit etwas Verspätung haben sich die Zuflüsse in börsengehandelte Goldprodukte (ETP) verstärkt, allerdings nicht im gleichen Ausmass, wie wir es am Terminmarkt beobachten konnten. Sollten ETP-Anlegende in grösserem Umfang zurückkehren, könnte der Goldpreis noch weiter steigen.

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Gold erreicht bisher unberührte Ecken

Überraschenderweise ergänzte die Monetary Authority of Singapore ihre Reserven im ersten Quartal 2023 um fast 69 Tonnen Gold und kaufte damit erstmals seit 2021 wieder Gold. Ausserdem erhöhte sie ihre Goldbestände damit gegenüber dem Jahresende 2022 um 45 Prozent. Auf Nettobasis war Singapur in diesem Jahr bisher der grösste Goldkäufer. Das Narrativ ist also nicht auf die Zentralbanken der Entwicklungsländer beschränkt. Singapur hat sich zwar nicht zu seinen Käufen geäussert, doch könnten sie in der wachsenden Besorgnis über die globalen Finanzbedingungen begründet sein. Da Singapur eine kleine, nach aussen gerichtete Nation ist, könnte es stärker als andere Staaten von globalen Verwerfungen betroffen sein und daher entsprechende Vorsichtsmassnahmen ergreifen.

Über den Autor

Nitesh Shah ist Head of Commodities and Macroeconomic Research bei Wisdomtree.

Man kann davon ausgehen, dass die Nachfrage nach Gold als Absicherung daher weiter zunehmen wird. Was heisst das für Anlegende? Drei Szenarien sind denkbar:

Konsensszenario

  • Das Konsensszenario basiert auf den durchschnittlichen Einschätzungen der Bloomberg Survey of Professional Economists zu Inflation, Dollar und Renditeprognosen für Staatsanleihen. Der Konsens geht davon aus, dass die Inflation weiter zurückgeht (obwohl sie über den Zielvorgaben der Zentralbanken liegt), der Dollar an Wert verliert und die Anleiherenditen weiter sinken werden.
  • Ohne eine Konsensprognose zur Goldstimmung reduzieren wir die spekulative Positionierung vom hohen Niveau von über 200’000 Gold-Futures-Kontrakten Ende April 2023 auf konservative 124’000, was nahe dem langfristigen Durchschnitt liegt. Das Risiko tendiert in diesem Jahr eindeutig nach oben, wenn es zu einer Rezession oder finanziellen Verwerfung kommt. Gold ist in Zeiten wirtschaftlicher und finanzieller Anspannungen eine sehr gefragte Anlage, und so könnte eine Rezession die Stimmung für das Edelmetall noch weiter anheizen.
  • Im Konsensszenario erreicht Gold bis zum ersten Quartal 2024 einen Wert von 2285 Dollar pro Unze und durchbricht bis zum vierten Quartal 2023 mit 2260 Dollar pro Unze das bisherige nominale Allzeithoch (2061 Dollar pro Unze am 7. August 2020). In realen Werten entspricht dies allerdings nicht dem Allzeithoch, das im Januar 1980 aufgestellt wurde. Tatsächlich würde es um 33 Prozent unter diesem Stand liegen. Real gesehen befindet es sich immer noch 10 Prozent unter dem Höchstwert von 2020.
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Bullenszenario

  • In diesem Szenario achtet die Federal Reserve (Fed) auf die Warnsignale der Finanzmärkte und schwenkt ihre Geldpolitik schneller um. Wenn die US-Notenbank die geldpolitische Expansion spätestens im Sommer 2023 einleitet, werden die Anleiherenditen sinken, und wenn sie vor der Europäischen Zentralbank und anderen wichtigen Notenbanken handelt, könnte der Dollar schneller an Wert verlieren. Wir gehen davon aus, dass die Inflation hoch bleiben wird, da die mässigere Haltung der Fed keine Deflation der Warenpreise bewirken wird, die nach dem Konsensszenario erforderlich wäre, um die Gesamtinflation zu senken. Unter der Annahme, dass die finanziellen Befürchtungen, auf die die Fed reagiert, real sind, dürfte die Positionierung in Gold-Futures unseres Erachtens auf hohem Niveau bleiben.
  • In diesem Szenario könnte der Goldpreis auf 2517 Dollar pro Unze klettern. Das wäre 22 Prozent höher als das nominale Allzeithoch (das im August 2020 erreicht wurde) und nominal 1 Prozent höher als dieses Niveau. Allerdings würde der Preis um 28 Prozent unter dem 1980 erreichten realen Höchststand liegen.

Bärenszenario

  • Im Bärenszenario sinkt die Verbraucherpreisinflation auf 1,8 Prozent, das heisst unter das Ziel der Fed. Im Grunde begeht die Fed einen geldpolitischen Fehler, wenn sie mit der Straffung zu weit geht. Die Anleiherenditen steigen, und der Dollar wertet auf, da eine übereifrige Fed schneller als andere Zentralbanken agiert. Obwohl wir anerkennen, dass ein solches Szenario das Rezessionsrisiko erhöht und daher positiv für Gold sein könnte, indem es mehr Anlegerinnen und Anleger zum Edelmetall als Absicherung lockt, haben wir die spekulative Positionierung in Gold-Futures im Interesse der Szenarioerstellung auf 50’000 gesenkt.
  • In diesem Szenario könnte der Goldpreis 1725 Dollar pro Unze erreichen und wieder auf das Niveau vom November 2022 zurückgehen.