Wenn Energiepreise explodieren, die Konsumentenstimmung sinkt und Mitarbeitende nur schwer zu bekommen oder zu halten sind, ist dies für viele Branchen und Unternehmen ein toxischer Cocktail. Vor allem für den Einzelhandel, der ohnehin schon seit einigen Jahren mit der Abwanderung des Konsums ins Internet zu kämpfen hat, bedeutet das aktuelle Marktumfeld eine gewaltige Herausforderung, wie aktuell in Deutschland das erneute Schutzschirmverfahren der Warenhauskette Galeria zeigt.

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Hinzu kommt, dass Waren aus dem Dollar-Raum deutlich teurer geworden sind, wobei der Euro gegenüber dem US-Dollar allein in den letzten zwölf Monaten um etwa 15 Prozent abgewertet hat. Zwar haben viele Betriebe aus der Corona-bedingten Unterbrechung der Lieferketten gelernt, indem sie ihre Lagerbestände erhöht haben, um erneuten Lieferschwierigkeiten zu entgehen. Doch jetzt treffen ausgerechnet in der umsatzstärksten Zeit des Jahres gefüllte Lager wie etwa bei den Sportartikelherstellern Adidas und Nike auf eine schwindende Konsumlaune. Dies drückt auf die Preise und erst recht auf die Margen.    

Positiv zu erwähnen ist hingegen, dass die Beschäftigungssituation sowohl in den USA als auch in Europa nach wie vor gut ist und dass die Konsumentinnen und Konsumenten vor allem in den USA tendenziell weiter auf hohe Ersparnisse im Vergleich zu vor der Corona-Pandemie zurückgreifen können. Ausserdem läuft das Luxussegment im Vergleich zu anderen Segmenten weiterhin stabil.
 

Über den Autor

Moritz Rehmann ist seit März 2005 Mitglied beim Research- und Portfoliokonzeptions-Team der DJE Kapital AG. Er ist Analyst für die Sektoren Finanzen, Konsum und Technologie und betreut als Fondsmanager den DJE Multi Asset & Trends. Bevor er seine Karriere bei der DJE Kapital AG begann, studierte Moritz Rehmann Wirtschaftswissenschaften in Osnabrück und Münster mit dem Abschluss als Diplom-Kaufmann. Anfang 2005 absolvierte er den Master in Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Oldenburg / Ostfriesland / Wilhelmshaven mit den Schwerpunkten Finanz- und Kapitalmärkte.  

Hört man sich in den verschiedenen Bereichen des Konsumsektors um, trifft das aktuell schwierige Marktumfeld mehrheitlich eher die «Kleinen». Skaleneffekte werden wichtiger. Direkter Kundenkontakt ist ebenfalls ein wichtiger Wettbewerbsvorteil. Firmen mit effizienter Lieferkette haben einen weiteren entscheidenden Vorteil: Wenn zum Beispiel Apple einen Container mit iPhones aus China direkt in einen seiner Apple Stores schickt, sind die Fracht- und Handling-Kosten, heruntergerechnet auf ein Smartphone, nach wie vor fast zu vernachlässigen. Aber wenn eine Ware im Zickzack vom Hersteller über verschiedene Grosshändler vertrieben wird und damit letztlich in Kleinmengen beim Einzelhändler eintrifft und als Einzelposten schliesslich beim Kunden landet, belasten die Fracht-, Handling- und Lagerkosten die Marge massiv.    

Marktmacht des Sonderposten-Handels    

Die US-Firma TJX (TJ Maxx beziehungsweise TKMaxx in Europa) kämpft sich derzeit gut durch die Krise. Hohe Lagerbestände aufseiten der Industrie bedeuten für einen opportunistisch einkaufenden Sonderposten-Händler günstige Einkaufskonditionen und ermöglichen ihm einen Zugriff auf Sortimente, die beim Endkonusmenten gefragt sind. Viele Konsumentinnen und Konsumenten, die auch künftig nicht auf Markenprodukte verzichten wollen, werden sich vermehrt bei Sonderposten-Händlern wie TJX umsehen, um ihre Ausgaben zu reduzieren. Vielleicht muss sogar Nike angesichts zu voller Lager TJX wieder neu beliefern.

Der Lagerumschlag von TJX fällt im Branchenvergleich überdurchschnittlich gut aus: Top Stores, wie z. B. derjenige in München, werden pro Tag mehrfach aufgefüllt. Die ganze Ware auf der Fläche des Ladens wird pro Monat mutmasslich mehrfach gedreht. Allerdings sind die Artikel nur bedingt preiswert: Wenn man als Konsument auf einen bekannten Markennamen ganz verzichten würde, wäre es günstiger. Will man zum Beispiel vor dem Winter mit drei Kindern Winterjacken und -stiefel einkaufen, ist das auch bei TJX ein teures Unterfangen. Und die Impulskäufer könnten angesichts der hohen Inflation auch wegfallen.

Dennoch ist die Marktmacht von TJX beeindruckend. Im Bekleidungsbereich sind es inzwischen mehr als 5 Prozent Marktanteil allein in den USA. An solch einem Händler kommt man als Lieferant nur schwer vorbei, während Vermieter zu Zugeständnissen bereit sind, um diesen Mieter zu halten.    

Konsolidierung und Konzentration    

Die überwiegende Mehrzahl der grossen, börsennotierten Konzerne dürfte es ebenfalls vergleichsweise gut durch die aktuelle Krise schaffen. Dagegen werden viele kleinere Marktteilnehmer wahrscheinlich schliessen müssen, falls sie ihre Nische nicht perfekt bedienen. Wer einen Businessplan verfolgt, in dem bis zum Erreichen einer führenden Marktposition noch über Jahre viel Geld verbrannt wird, der wird Schwierigkeiten haben, seine Bewertung zu halten beziehungsweise Kapitalgeber vom zukünftigen Erfolg zu überzeugen. Im Online-Handel dürfte es zu weiteren Konzentrationen kommen. Die Grossen werden grösser beziehungsweise grösser werden müssen.

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Ein Online-Shop – sofern dieser nicht stark spezialisiert ist – wird es immer schwerer haben, unter 100 oder 150 Millionen Euro Jahresumsatz überhaupt profitabel wirtschaften zu können. So komplex ist dieser Bereich inzwischen geworden. Laut einer Aufstellung, die der Nachrichtensender n-tv erst jüngst veröffentlicht hat, steigt der Umsatzanteil der zehn grössten Online-Shops weiter. So landen inzwischen rund 41,1 Prozent der Umsätze bei den Top Ten: Amazon, Apple, Doc Morris, H&M, Ikea, Lidl, Media Markt, Otto, Saturn und Zalando (in alphabetischer Reihenfolge laut EHI Retail Institute).    

China: Ein wichtiger, aber schwieriger Markt für Sportartikelhersteller    

Den grossen Sportartikelherstellern wie Adidas und Nike ist es bis jetzt nicht gelungen, nach den Verwerfungen angesichts der Diskussion um die Verwendung beziehungsweise den Einsatz von Baumwolle aus der Provinz Xinjiang im Nordwesten Chinas zu den historisch gewohnten Wachstumsraten zurückzukehren. Die massgebliche Herausforderung in diesem Kontext ist die chinesische Werbelandschaft. Gerade in China ist es für den Absatz von Lifestyleartikeln essenziell, mit den richtigen Influencern und Testimonials im Markt präsent zu sein, um auf Plattformen wie Tiktok die wichtigen Zielgruppen zu erreichen. Aber daran hapert es, da sich viele chinesische Influencer in einem Klima politischen Drucks offenbar sehr schwertun, wieder für westliche Konzerne zu werben. Nike konnte den Rückgang noch etwas besser abfangen als Adidas, da Performance und Events stärker im Marketingfokus liegen. Aber auch Nike konnte an das Momentum, das vor der politischen Diskussion bestand, noch nicht wieder anknüpfen.    

Die in China immer wieder verhängten regionalen Lockdowns bremsen eine Rückkehr zu einem normalen Konsumverhalten nachhaltig. Eine schnelle beziehungsweise unmittelbare Abkehr von der Null-Covid-Politik des Landes ist nach dem abgeschlossenen Parteitag mit der Neubesetzung der entscheidenden Gremien mit linientreuen Politikern vorerst nicht realistisch. Dennoch besteht die leise Hoffnung, dass China 2023 seine Wirtschaft wieder graduell öffnet und eine weniger strikte Corona-Politik verfolgen wird. Von den Problemen der westlichen Sportartikelhersteller Adidas und Nike können dagegen lokale Wettbewerber profitieren, darunter vor allem Anta Sports.

Mit seinem im mittleren Preissegment angesiedelten Sortiment, das mit der lokalen Marke unter anderem den aktuellen Zeitgeist trifft, konnte Anta in den vergangenen Quartalen signifikante Marktanteilsgewinne erzielen. Zudem profitierte Anta auch von einer besseren Sortiment-Verfügbarkeit, da hauptsächlich in China produziert wird und somit Lieferengpässe nicht gravierend waren. Die Olympischen Spiele in Peking im vergangenen Winter, bei denen Chinas Nationalmannschaft werbewirksam von Anta ausgestattet wurde, kam verstärkend hinzu. Insgesamt führten damit die vergangenen beiden Jahre zu einer Neustrukturierung des wichtigen chinesischen Wachstumsmarktes für Sportartikel. Noch bleibt abzuwarten, wie nachhaltig die Orientierung hin zu den eigenen Marken wirkt. Das aktuelle politische Umfeld lässt allerdings einen schnellen Wechsel zur prowestlichen Stimmung der vergangenen Jahre nicht erwarten.    

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Luxus: Auf die Marke kommt es an    

Der Markt für Luxusartikel verzeichnet anhaltend starke Wachstumsraten, als gäbe es keine Krise. Gefragt sind vor allem Ledertaschen sowie Schmuck. Der Umsatz des französischen Luxuswarenkonzerns LVMH in der Sparte Mode und Lederwaren, der für den Grossteil des Konzerngewinns verantwortlich ist, stieg weltweit im dritten Quartal um 22 Prozent. Vor allem Dior ist ein stark nachgefragtes Label, aber auch «zeitlose» Louis-Vuitton-Taschen verkaufen sich anhaltend gut. Ebenfalls beliebt ist hochwertiger Schmuck. Renommierte Marken wie Cartier (Umsatz plus 12 Prozent im zweiten Quartal beziehungsweise plus 49 Prozent im Geschäftsjahr März 2021/22) oder Tiffany (gehört zu LVHM-Sparte Uhren & Schmuck / Umsatzplus der Sparte 16 Prozent im dritten Quartal) gewinnen Marktanteile hinzu.

Hier kommt es allerdings auf die Marke an: Die Nachfrage konzentriert sich auf die renommierten französischen Luxushäuser wie LVMH, Cartier (gehört zum Richemont-Konzern) und Hermès. Je höher der Preis, desto besser ist die Nachfrage. Hermès ist im oberen Luxussegment angesiedelt und konnte den Umsatz um 24 Prozent im dritten Quartal steigern. Besonders stark nachgefragt sind unter anderem Birkin-Taschen mit einem meist fünfstelligen Preis. Bei einer Auktion von Christie’s wechselte zuletzt sogar ein Modell für 244’000 Euro den Besitzer. Auf der Luxusgüterplattform Farfetch muss man für gebrauchte Birkin-Taschen immer noch bis zu 97’000 Euro bezahlen. Nach dem Erwerb von Yoox Net-A-Porter sowie einer Partnerschaft mit Alibaba in China etabliert sich Farfetch zu einer der führenden Luxusplattformen in einem noch immer sehr fragmentierten Online-Markt für Luxusgüter.      

Erfolgskriterium: Nachfrage aus China    

Das Luxussegment weist eine interessante Parallele zu Sportartikeln auf: Auch für dieses Segment ist China ein ausgesprochen wichtiger Markt. Ähnlich wie bereits in einigen anderen Sektoren ist die weitere Branchenentwicklung des Luxussegments davon abhängig, inwieweit sich China auf absehbare Zeit erholen oder inwiefern die aktuelle Krise zu einem Nachfrageeinbruch in Europa oder den USA führen wird. Noch vor ein paar Jahren erzielten führende Luxuskonzerne wie LVMH oder Richemont fast die Hälfte ihrer Umsätze in China. Infolge der restriktiven Null-Covid-Politik ist die Nachfrage dort allerdings deutlich eingebrochen und hat sich bis heute nicht wirklich erholt. Diverse Lockdowns vor allem in grossen Metropolen wie Schanghai oder Peking belasten zusätzlich. Eine Abkehr von der strikten Null-Covid-Strategie könnte daher für eine Nachfrageerholung sorgen.    

Das Fazit: Bislang hat sich der Wohlstandsverlust als eine Folge der stark gestiegenen Inflation nicht negativ auf die Nachfrage ausgewirkt. Mit Zeitverzug dürfte sich früher oder später aber die Nachfrage in Europa und den USA abschwächen, obwohl die Umsätze generell von einem starken US-Dollar unterstützt werden.      

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