Die Fans des FC Barcelona können sich einer Sache fast sicher sein: Wenn Lionel Messi im Strafraum angespielt wird, fällt gleich danach ein Tor. Und weil im Fussball nur die Tore zählen, gewinnt Barça fast immer. Vom Spiel mit dem Ball ist man es gewohnt, dass viele der besten Mannschaften aus Süd-europa stammen.

In volkswirtschaftlicher Hinsicht ist genau das Gegenteil der Fall: Manche Regierung in Südeuropa hat sich total verdribbelt. Deshalb meiden viele Investoren Wertpapiere aus den notorischen Schuldnerstaaten Italien, Spanien, Griechenland und Co. wie der Teufel das Weihwasser. «Viele Anleger, speziell aus Asien und den USA, haben sich in Südeuropa noch nicht engagiert», bestätigt Geoffrey Goenen, Aktienstratege Europa bei Dexia Asset Management.

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Die kaufscheuen Investoren übersehen aber, dass ein Land nicht nur aus dem öffentlichen Sektor besteht. Auch in Spanien, Italien, Portugal und sogar Griechenland gibt es gut funktionierende, zum Teil kerngesunde Unternehmen, Krise hin oder her. Sie weisen ein starkes Wachstum auf, haben kaum Schulden und sind hochprofitabel. Trotzdem werden ihre Titel an der Börse mit einem kräftigen Ländermalus gehandelt.

Schnäppchen müssten demzufolge eigentlich gerade in Griechenland zu finden sein. Sie wären nach Ansicht von Hendrik Leber, Chef der deutschen Vermögensverwaltungsfirma Acatis, auch durchaus vorhanden, zum Beispiel die Titel der Lotteriebetreiber Opap und Intralot. Doch solange nicht feststeht, ob sich das Land in der Eurozone halten kann, gleichen Investitionen in griechische Titel einem veritablen Hochseilakt.

Deutlich weniger weit auf die Äste hinauslassen muss man sich in Spanien, Portugal und Italien. Lee Freeman-Shor, Portfoliomanager der Skandia Investment Group, reibt sich die Hände: «Die weit verbreiteten Vorbehalte der Anleger gegenüber südeuropäischen Aktien bieten wunderbare Kaufgelegenheiten.» Das Gros der Finanzinstitute gibt sich allerdings vorsichtig: «Kaufen Sie noch keine Aktien aus Griechenland, Portugal oder Spanien», lautet hier der Tenor.

Bei der UBS heisst es zum Beispiel: «Wir sind zurzeit zurückhaltend, was Investitionen in stark verschuldete Industrieländer betrifft.» Und sogar iberische Marktstrategen raten vorläufig noch von spanischen Aktien ab. Cayetano Cornet, Partner der spanischen Vermögensverwaltung Cartesio Inversiones: «Dass die Titel billig sind, reicht nicht.» Er wolle zumindest auf Sicht von sechs Monaten die Talsohle für die spanische Wirtschaft erreicht sehen, bevor er investiere.

Erfahrene Schnäppchenjäger wissen allerdings spätestens seit Michail Gorbatschow, dass das Leben den bestraft, der zu spät kommt. Oder auf die Börsenwelt umgemünzt: Wer wartet, bis die harten Fakten stimmen, verpasst den richtigen Einstiegszeitpunkt. Denn Schnäppchen bleiben nur so lange Schnäppchen, als das Gros der Anleger noch nicht eingestiegen ist.

Investoren, die noch auf den Südeuropa-Zug aufspringen möchten, können dies direkt über Einzelengagements oder indirekt via Fonds tun. Allerdings werden eigentliche Länderfonds nur noch in beschränkter Zahl angeboten. «Wir bevorzugen heute Regionen- statt Länderfonds», lässt die UBS zu ihrer Fondspolitik verlauten. Ähnliches gilt für die Credit Suisse. Immerhin bietet diese einen Indexfonds auf den italienischen MIB an. In der Fondsdatenbank von Lipper sind nach Angaben des Fondsdienstleistungsunternehmens Bevag insgesamt 13 italienische und 2 spanische Produkte enthalten, die in der Schweiz zum Verkauf zugelassen sind (siehe «Gut im Geschäft mit Südeuropa-Fonds» unter 'Downloads'). Portugiesische und griechische Aktienfonds oder ETFs können hierzulande dagegen keine gekauft werden.

Zu beachten ist: Die Indizes der italienischen, spanischen und portugiesischen Börsen sind branchenmässig recht einseitig zusammengesetzt. Der spanische IBEX besteht zu gut einem Drittel aus Finanzaktien, und der italienische MIB ist stark energie- und finanzlastig. Ähnliches gilt für den portugiesischen PSI. Die Schnäppchenjagd in Südeuropa erscheint also mit Einzeltiteln erfolgversprechender – zumal die Bewertungen insgesamt sehr günstig sind. In Spanien stechen allen voran Inditex, Grifols, Amadeus IT, Banco Santander, Endesa, Repsol und Telefónica hervor. Alles Aktien von Unternehmen, die in ihren Branchen auch weltweit zu den Spitzenreitern zählen.

Inditex: schwer in Mode. Es ist mehr als verblüffend: Ausgerechnet ein Unternehmen, das sein Geld mit Mode verdient, zählt zu den wenigen Dauerbrennern der Madrider Börse. Scheinbar unabhängig von der inländischen Konjunktur befindet sich der Textilkonzern seit Jahren auf Wachstumskurs. Dank der raschen Expansion ist Inditex mittlerweile der grösste Bekleidungsdetailhändler der Welt. Die Marken Zara, Massimo Dutti, Bershka, Pull & Bear und Oysho sind rund um die Welt bekannt. Vor allem beim Namen Zara geraten nicht nur die Schweizer Frauen in Verzückung. Inditex erwirtschaftet nur knapp ein Viertel des Umsatzes in Spanien. Da im Rest der Welt, vor allem in den Schwellenländern, die Einnahmen rasant zunehmen, schafft das Unternehmen seit Jahren ein Umsatz- und Gewinnwachstum im zweistelligen Prozentbereich. Auch heuer und 2013 dürfte das Gewinnwachstum wieder zweistellig ausfallen.

Amadeus IT: besser als fliegen. Amadeus IT liefert Buchungssysteme für Reisebüros, Fluglinien und Hotels. Ausserdem bietet sie Softwareprogramme, mit denen Flughäfen und Airlines ihre Bodenabfertigung steuern. Der Weltmarktführer bekommt für jede Buchung oder Transaktion eine Gebühr. So steigert Amadeus seit 2000 jedes Jahr das Ergebnis, während die Fluglinien in fünf der zwölf Jahre branchenweit Verluste einflogen. Die Airlines bescheren den Spaniern zudem immer neue Einnahmequellen. Da sie mit geringen Renditen und der Konkurrenz durch Billiganbieter zu kämpfen haben, wollen sie künftig vor allem an Extragebühren verdienen, etwa für einen garantierten Gangplatz oder mehr Beinfreiheit. Die Buchungssysteme von Amadeus IT machen dies möglich. Dank steigendem Passagieraufkommen und immer neuen Einnahmequellen wächst Amadeus stabiler und schneller als die Airlinebranche. Für die kommenden drei Jahre rechnen Experten im Schnitt mit Gewinnwachstumsraten von 13 bis 15 Prozent pro Jahr.

Grifols: Blut für die Welt. Grifols ist einer der weltweit grössten Anbieter von Blutplasma. Das Unternehmen sammelt von Blutspendern das Blutplasma und gewinnt die darin befindlichen Proteine. Diese werden zu Medikamenten und Präparaten weiterverarbeitet. Dank zahlreichen Übernahmen im Ausland ist der Umsatzanteil des heimischen Marktes auf gerade noch neun Prozent geschrumpft. Den Löwenanteil des Geschäfts erwirtschaften die Spanier in den USA. Um die hohe Nachfrage bedienen zu können, werden die Produktionsanlagen derzeit kräftig ausgebaut. Fürs laufende Jahr rechnen Analysten mit einem Gewinnanstieg um 20, fürs kommende sogar um 30 Prozent.

Gedrückte Versorgungswerte. Während sich Inditex, Amadeus IT und Grifols trotz der tristen Verfassung der spanischen Wirtschaft seit Jahren auf dem Höhenflug befinden und deshalb mittlerweile auch nicht mehr billig sind, leiden die einstigen iberischen Favoriten wie Banco Santander, Telefónica, Endesa und Repsol massiv unter der schwachen Konjunktur. So werden die konstant ausgezeichneten Leistungen des Banco Santander von den Anlegern kaum honoriert. Die Fachzeitschrift «Euromoney» wählte das Finanzinstitut kürzlich zur besten aller globalen Banken. Mit einer Börsenkapitalisierung von rund 70 Milliarden Franken ist die Nummer eins Spaniens so gewichtig wie UBS und CS zusammen. Von grösserem Belang sind aber die regelmässig starken operativen Leistungen. In Sachen Effizienz zählen die Spanier zu den Branchenbesten. Zudem: Keine andere Grossbank ist in den aufstrebenden Ländern ähnlich gut positioniert wie der Banco Santander.

Der Telefonriese Telefónica ist ebenfalls stark in den boomenden Märkten Lateinamerikas vertreten. Diese Region steuert fast die Hälfte des Konzernumsatzes bei. Und die Einnahmen aus Übersee steigen rasant. Der Gewinn des Telefonkonzerns dürfte im nächsten Jahr wieder leicht zunehmen. Dennoch hat die Aktie binnen zwölf Monaten fast 20 Prozent eingebüsst. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis beträgt noch bescheidene 5,5, die Dividendenrendite fürs nächste Jahr dagegen sage und schreibe 14 Prozent. Die Hauptgründe für die gegenwärtige grosse Zurückhaltung der Anleger gegenüber Telefónica liegen in der hohen Verschuldung und der Konjunkturlastigkeit des Unternehmens.

Energie aus Italien. Ähnlich unter den Hammer gekommen sind die eigentlich soliden Versorgungswerte Repsol, Iberdrola und Endesa. Nach einem Kurstaucher um glatt die Hälfte erreicht Endesa ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von nur noch 7. Die Dividendenrendite von 6,5 Prozent lässt sich aber ebenfalls als Kaufanreiz interpretieren. Schweizer Banken vermuten die grössten Kurschancen beim Ölkonzern Repsol und beim Energiewert Iberdrola. Letzterer steht sowohl bei der UBS als auch bei der CS auf der «Buy»-Liste. Für die Titel von Repsol wiederum macht sich vor allem die Bank Sarasin besonders stark.

Eine ganze Reihe von Schnäppchentiteln lässt sich auch in unserem südlichen Nachbarland finden. Gerade Norditalien, das industrielle Herzstück des Landes, gehöre zu den wirtschaftsstärksten Regionen Europas mit zahlreichen Topfirmen, sind die Analysten von Franklin Templeton überzeugt. Franklin-Templeton-Fondsmanager Ed Lugo zählt den Elektrokabelbauer Prysmian zu seinen Favoriten.

Auf mehrere Kauflisten haben es der Autokonzern Fiat sowie Pirelli geschafft. Der Reifenhersteller generiert nur noch acht Prozent des Umsatzes in seinem Heimatland. Aktuell ist die Aktie mit einem KGV von 7 bewertet. Die Rendite beträgt 3,5 Prozent. Jörg de Vries-Hippen, Leiter der Abteilung Europäische Aktien bei Allianz Global Investors, empfiehlt Aktien von Unternehmen mit einem stabilen Geschäftsmodell, etwa Energieversorger wie Terna und Snam Rete Gas: «Bei ihnen läuft das Geschäft auch dann, wenn die Konjunktur lahmt», sagt er.

«Wie Aktien einer Bananenrepublik». Die Titel der italienischen Energieversorger Enel und Eni bezeichnen die Analysten von Morgan Stanley als «so billig wie Aktien einer Bananenrepublik». In der Tat: Bei Enel beträgt das KGV gerade noch 6. Die Dividendenrendite dagegen beläuft sich auf attraktive sieben Prozent. Nach einer Analyse von Morgan Stanley wird das Unternehmen 2013 den Gewinn wieder klar steigern können. Die US-Bank sieht für die Aktie ein Kurspotenzial von 40 Prozent. Ähnlich sind die Verhältnisse bei Eni. Die Aktie wird mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 7,4 gehandelt. Die Dividendenrendite ist mit sieben Prozent im Vergleich zu anderen Euro-Konzernen ebenfalls äusserst lukrativ.

Für antizyklisch handelnde Investoren ist dies alles Grund genug, um sich an der Schnäppchenjagd zu beteiligen – aus Diversifikationsgründen am besten mit einem Strauss aus den genannten Favoriten.