Für die Umstellung auf den Euro bietet Kroatien die Armee auf. Das Militär soll während dreier Jahre die eingetauschten Kuna-Münzen bewachen, wie der Chef der kroatischen Notenbank Boris Vujčić zur «Financial Times» sagt. Danach würden die Münzen eingeschmolzen und als Metall verkauft. «Dann kann die Armee ihre Panzer wieder in den Lagerraum stellen», so Vujčić.

Kroatien ist das zwanzigste Land, das dem Euro beitritt. Die Finanzminister der EU-Länder haben im Juli den Weg dazu geebnet. Die Umstellung erfolgt per 1. Januar 2023.

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Nach den EU-Verträgen sind alle Mitgliedstaaten bis auf Dänemark zum Beitritt zur Gemeinschaftswährung verpflichtet, sobald sie die Voraussetzungen erfüllen. Mehrere Staaten verfolgen dies aber nicht mit Nachdruck – zu ihnen zählen zum Beispiel Schweden, Polen und Ungarn. In Kroatien sieht vor allem der Tourismus der Einführung des Euros mit grossen Erwartungen entgegen.

Misstrauen gegenüber dem Staat

Nach der Umstellung werden sowohl der Euro als auch die Kuna während zweier Wochen als gesetzliches Zahlungsmittel akzeptiert. Danach ist Schluss mit der kroatischen Währung. Bewohner und Touristinnen können ihr Geld nur noch zur Bank tragen und gegen Euro tauschen, aber nicht mehr damit zahlen.

Die Schweiz und Kroatien

Über eine Viertelmillion Schweizerinnen und Schweizer reisen in einem normalen Tourismusjahr nach Kroatien. Knapp 1500 Schweizerinnen und Schweizer leben in Kroatien, das Gros davon besitzt mehrere Staatsbürgerschaften. Das Land ist der zweitwichtigste Handelspartner der Schweiz in Südosteuropa.

Als Mitglied der Europäischen Union gehört Kroatien zu den Empfängerstaaten des Schweizer Beitrags zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der erweiterten EU. Der erste Schweizer Beitrag an Kroatien beträgt 42,7 Millionen Franken und umfasst 12 Projekte. Weitere 45,7 Millionen sind als zweiter Beitrag vorgesehen. 

Per Januar 2023 ist Kroatien auch Mitglied des Schengen-Raums. Der Bundesrat hat den Beitritt Kroatiens akzeptiert, wie die Landesregierung kurz vor Weihnachten bekannt gab. Die EU-Staaten fassten bereits Anfang Dezember diesen Beschluss. Damit fallen die Personenkontrollen an den kroatischen Landes- und Seegrenzen zu anderen Schengen-Staaten weg.
 

Die Druckpressen und Prägeanstalten laufen schon seit Monaten auf Hochtouren, damit die Umstellung ohne Probleme funktioniert. Auf einigen kroatischen Euro-Münzen prangt das Konterfei von Nikola Tesla. Da der berühmte Physiker in Kroatien geboren war, aber serbische Eltern hatte, gab das Tesla-Motiv grössere Diskussionen und diplomatische Misstöne mit Serbien.

Die Bevölkerung wird aufgerufen, die hohen Bargeldbestände abzubauen. Wie Bewohnerinnen und Bewohner anderer ehemals kommunistischer Länder haben auch die Kroatinnen und Kroaten aufgrund ihres anhaltenden Misstrauens gegenüber dem Staat und dem Finanzsystem üblicherweise grosse Mengen an Bargeld zu Hause aufbewahrt. Während der hohen Inflation und der politischen Unruhen im Zusammenhang mit dem blutigen Zerfall Jugoslawiens in den 1990er Jahren waren Bargeldkassetten als «Sockensparen» bekannt. 

Die Erinnerung an die Inflation ist in der Bevölkerung omnipräsent – und angesichts des Teuerungsschubes in den letzten Monaten brandaktuell. In Kroatien liegt die Inflationsrate aktuell bei 13,5 Prozent. Inwiefern die Umstellung auf den Euro einen zusätzlichen Teuerungsschub auslösen wird, ist unbekannt. Im Durchschnitt haben die Länder, die den Euro eingeführt haben, nur einen Anstieg der Inflation um 0,2 bis 0,4 Prozentpunkte verzeichnet, aber das waren andere Zeiten. 

Millionen an Zins gespart

Der Chef der kroatischen Notenbank zeigt sich jedenfalls resolut gegenüber steigenden Preisen. «Ich habe die Bestie gesehen und weiss, wie sie sich verhält, wenn sie nicht zum richtigen Zeitpunkt auf die richtige Weise gebändigt wird», sagt Vujčić zur «Financial Times»

Kroatien und der Euro

Kroatien und der Euro: Mit der Adriaküste und dem Konterfei von Nikola Tesla – das Tesla-Motiv gab grössere Diskussionen und diplomatische Misstöne mit Serbien.

Quelle: Keystone

Der Ökonom weiss aber auch, dass die Kroaten einiges zu gewinnen haben mit dem Wechsel zum Euro. Die Hälfte der gesamten Bankeinlagen und 60 Prozent der gesamten Kredite entfallen bereits auf die gemeinsame Währung – mehr als in jedem anderen Land ausserhalb der Euro-Zone. Kroatien sei deshalb das Land, das am meisten von einem Beitritt zur Euro-Zone profitieren würde, weil das Wechselkursrisiko wegfallen würde, sagt Vujčić.

Die Vorteile des Euros würden sich «am deutlichsten während einer Krise» zeigen, so der kroatische Notenbanker. Er verweist auf den jüngsten Verkaufsdruck auf den Ungarischen Forint, den Polnischen Zloty und die Tschechische Krone. Die dortigen Notenbanken mussten intervenieren, die Rendite der Staatsobligationen schoss in die Höhe und liegt deutlich über 5 Prozent.

Im Gegensatz dazu liege die Rendite 10-jähriger kroatischer Staatsanleihen bei etwa 3,5 Prozent, was sogar unter dem Level von Italien und Griechenland und nur knapp jenem Spaniens liege. Kroatien profitiere bereits von einem enormen Glaubwürdigkeitseffekt, sagt Vujčić. Und dieser Effekt sorgt dafür, dass der Staat Millionen sparen kann, die er sonst für Zinszahlungen verprassen müsste.

Zwei Jahrzehnte Euro-Land

Der Euro wurde am 1. Januar 1999 als Buchgeld und drei Jahre später, 2002, als Bargeld eingeführt. Zwölf Länder machten den Anfang, mit Kroatien liegt die Zahl der Euro-Länder bei zwanzig. Fast 350 Millionen Europäerinnen und Europäer nutzen den Euro. Nur der US-Dollar wird im internationalen Handel häufiger verwendet.

(ise)