Banken müssen die Dokumente über ihre Kunden und über deren Transaktionen mindestens zehn Jahre speichern. Ihre Transaktionsdaten sind zudem mit das «Härteste», was es hinsichtlich der Aussagekraft gibt. Denn Facebook-Likes sind rasch gesetzt und oft eher Launen des Augenblicks. Daten zu tatsächlichen Einkäufen zeigen indes, was sich Menschen ganz konkret angeschafft hatten. Schliesslich sind die Daten praktischerweise numerisch und damit in den konventionellen, weit verbreiteten Datenbankformaten sehr gut speicherbar und durch entsprechende Tools prinzipiell gut verwertbar.

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Lediglich Regulierungsbehörden setzen hinsichtlich der Spielräume gewisse Grenzen. Banken sind demnach prädestiniert, das Maximum aus ihren Daten zu machen, ja, mehr als das: Die Daten regelrecht zu Kapital zu machen. Oder, wie das im Fintech-Jargon heisst: zu monetarisieren. Allerdings tun sich Banken schwer damit, ihre Daten so clever zu Geld zu machen, wie das aufstrebende Fintech-Firmen oder grosse Internet-Anbieter wie Amazon, Google, Facebook oder Netflix tun.

 

Offene Register

«Banken sind die Institutionen mit den reichsten Datenschätzen», sagt Jürgen Rogg, Partner bei Boston Consulting Group (BCG) in Zürich und zuständig für Digitalisierungs- und Technologiethemen. Zu diesen Daten zählen indes nicht nur die Transaktionsdaten oder die Zusammensetzung der Wertschriftendepots. «Banken haben sehr viele Lifestyle-Daten», so Rogg, «sie kennen die Affinität für Produkte und Services ihrer Kunden, die Geburtstage der Familienmitglieder, sie wissen, was der Partner des Kunden macht und sie wissen, wohin die Familie in die Ferien reist.» Aus weiteren Daten, etwa, wo welche Einkäufe getätigt werden, erschliesst sich Banken auch, wo sich der Kunde befindet und was er da macht. Aus den Zahlungen lässt sich zudem schliessen, ob ein Kunde die Bankbeziehung in naher Zukunft beenden wird oder ob und wie hoch ein Ausfallrisiko bei Krediten besteht. 

«Das alles sind die bestehenden Grundlagen, die allerdings in der Praxis noch zu wenig systematisch genutzt werden», so Rogg. Um als Bank Daten optimal nutzen zu können, ist gemäss den Analysten von Morgan Stanley ein modernes Kernbankensystem wichtig. Einzelne Banken arbeiten mit Systemen, von denen die ältesten Codezeilen in den 1970er-Jahren programmiert wurden. «Moderne» Lösungen sind bereits alle, die jünger als 25 Jahre sind und bei denen rasche, flexible Datenanalysen vorgenommen werden können. Gemäss den Analysten sind moderne Systeme plus die dazugehörenden Analysemöglichkeiten essenziell für Innovationsthemen wie mobiles Banking, Prozess-Automatisierung oder künstliche Intelligenz.
Allerdings haben Banken lediglich Transaktionsdaten. Gemäss den Experten von PwC gibt es darüber hinaus sieben weitere wichtige Datenquellen. Einige davon sind für Banken vergleichsweise leicht zugänglich wie beispielsweise die Daten, welche die öffentliche Verwaltung bereitstellt und die in den kommenden Jahren im Rahmen der «Open Registry»-Bestimmungen für Interessenten geöffnet werden. Ebenfalls einfach zugänglich sind Makrodaten sowie die Firmen-Reporte und Anlage-Analysen. Und in den Datenbanken sind bereits Zeitreihen-Daten vorhanden – sie müssten laut Analysten oft lediglich in eine für Analysezwecke geeignete Form gebracht werden. 
Interessant, aber schwieriger zu erreichen, sind die Geolocation-Angaben sowie die Daten von Social-Media-Plattformen. Banken haben bereits seit Jahren über spezielle Schnittstellen Zugang zu Facebook-Daten. «Hilfsmittel dafür sind die ersten entsprechenden Auswertungstools. Microstrategy beispielsweise, einer der beiden letzten verbliebenen unabhängigen US-Hersteller von Business-Intelligence-Software, hat bereits im vergangenen Sommer ein Produkt vorgestellt, mit dem Firmen die aggregierten und anonymisierten Profile ihrer Facebook-Benutzer analysieren können», hiess es im Frühling 2012 in der «Schweizer Bank».

 

Tiefe Nutzungsquote

Das Sammeln von Daten ist das Eine. Es ist ungleich anspruchsvoller, diese zu Geld zu machen. Gemäss Accenture, einem IT-Dienstleister, arbeiten Retailunternehmen zusammen mit Telecom-Netzbetreibern, um mitverfolgen zu können, wie sich die Kunden in den Geschäften bewegen und wie sie für zielgerichtetes Marketing am besten erreicht werden können.

«Grundsätzlich sehen wir es so, dass Daten zu Geld gemacht werden, indem wir aus Auswertungsdaten lernen, was die Kundenbedürfnisse wirklich sind und wir diese bedienen», umreisst eine EY-Sprecherin das Vorgehen. «Das Verständnis der individuellen Kundenpräferenzen ist ausschlaggebend für die Wirksamkeit der Bearbeitungsmassnahmen. Das finanzielle Erfolgspotenzial liegt in der Realisierung des nicht-adressierten Kundennutzens.» Entsprechende Hinweise zum Kundennutzen erhebt das Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen im Rahmen seiner regelmässigen Erhebungen unter Konsumenten. «Von Banken wird nicht erwartet, dass sie dieselbe digitale Simplizität aufweisen wie Online Shops. Allerdings wollen die Kunden, dass die Banken einige Aspekte von ihnen übernehmen», lautete einer der Befunde aus der EY-Umfrage von 2016. Hinsichtlich «digitales Erlebnis» schnitten Schweizer Finanzdienstleister weltweit schlechter ab als der Durchschnitt. «Wenn Schweizer Bankkunden einen digitalen Anbieter nutzen, begründen sie dies vor allem mit attraktiveren Tarifen. Knapp dahinter folgen die bessere Online-Erfahrung, die Einfachheit einer Account-Erstellung sowie der Zugang zu verschiedenen Produkten und Services», folgerte die Umfrage weiter.
Gemäss einer BCG-Studie werden indes lediglich 33 Prozent der Daten auch wirklich genutzt. «Viele Daten werden gar nicht gesammelt, die Verfügbarkeit ist nur teilweise bekannt, es werden Eingabefelder nicht vollständig ausgefüllt, und es gibt Schreibfehler, die sich bei der Auswertung als problematisch erweisen», beobachtet Rogg. Ein weiterer Bremsfaktor ist die Verteilung der Daten auf mehrere Einheiten der Bank. So kommt es vor, dass Kunden bei drei oder vier verschiedenen Sparten angemeldet sind, beispielsweise als vermögende Privatperson, als KMU-Unternehmer und noch beim mobilen Banking. «Und jedes Mal bekommt der Kunde unterschiedliche Services», so Rogg
In solche Lücken springen teilweise die Fintech-Banken. Laut Rogg können sie das aber nur, weil sie wenige Produkte anbieten und weil die Komplexität deshalb geringer ist. Sobald die Komplexität ansteigt, werden auch viele einfache Geschäftsmodelle komplizierter, die Datenbestände und Prozesse differenzieren sich aus. «Fintech-Firmen decken lediglich Teile der Wertschöpfungskette ab, sie sind gut geeignet, Lücken bei Banken zu füllen.» 

 

Schneller Pay-back

Laut Rogg gibt es für Banken drei strategische Perspektiven: Zu den «Quick Wins» mit sehr gutem Pay-back zählen Vorhaben, bei denen beispielsweise die Kreditzusagen viel schneller vorgenommen werden. «Solche geschäftsfallbezogenen Anwendungen bieten einen hohen Mehrwert für Kunden und lassen sich innert sechs bis acht Monaten umsetzen», so Rogg. Mittelfristig müssten Banken eine übergreifende Daten-Governance aufbauen und strategisch vorgehen: Eine Bank muss wissen, wo sie sich von anderen unterscheiden will – ansonsten gibt man zu viel Geld aus für zu wenig zusätzlichen Nutzen. Das Datenthema muss eine Bank dann auch organisatorisch verankern, beispielsweise in Form einer separaten, neu zu gründenden Einheit, welche die Daten, die bisher in den einzelnen Silos steckten, für die gesamte Bank nutzbar machen. Für den Start geht es dabei um 20 bis 30 einzelne wichtige Daten, die standardisiert werden müssten. 

Längerfristig kann eine Bank weitere Daten intern nutzbar machen und diese um externe Datenquellen ergänzen. Das erfordert höhere Aufwendungen in die Infrastruktur und ins Daten-Management. Dafür lassen sich dann Systeme entwickeln, die unter Einbezug aller Daten rechtzeitig melden, ob und wann ein Kunde die Bankbeziehung beenden könnte oder sich die Verhältnisse verändern. «Wenn dies nun aus den Daten erkennbar ist», so Rogg, «kann unmittelbar für den Kunden ein Produkt mit dem individuell passenden Incentive und mit hoher Abschlusswahrscheinlichkeit angeboten werden. Investiert der Kunde und ist er mit dem für ihn zugeschnittenen Angebot zufrieden – wechselt er auch nicht.»  

 

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