BILANZ: Herr Faber, was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie von den Anschlägen in New York erfuhren?
Marc Faber: Mir war unwohl. Ich dachte: Das passt zur Antiglobalisierungswelle und zum Abbruch der Konferenz in Durban, wo die Amerikaner einfach rausliefen. Ich glaube, dass diese Krise ein Symptom einer unguten Stimmung unter den über eine Milliarde armen Menschen ist. Sie fühlen sich von den reichen Ländern ausgebeutet und sind – wie wir genau wissen – in Ländern wie Vietman, Kambodscha, Irak und Serbien flächendeckend bombardiert worden. Zudem hat der Westen, haben insbesondere die USA des Öftern Terroristen unterstützt, wenn es in ihrem Interesse lag.
Welche Konsequenzen sehen Sie für die Aktienmärkte?
Grundsätzlich sollte man nach einer Krise kaufen. Aber diesmal bin ich mir nicht so sicher.
Was ist diesmal denn anders?
Wenn solche Krisen während einer Hausse ausbrechen, sind die Kurseinbrüche meistens temporär. Geschehen sie aber während einer Baisse, können sie diese verstärken.
Sie rechnen also mit deutlich tieferen Kursen?
Nicht unbedingt. Ich erwarte, dass die Kurse zwischen heute und Mitte Oktober einen Boden finden werden. Weil die Märkte bereits heute stark ausverkauft sind, rechne ich in den nächsten sechs Monaten mit einer Erholungsphase. Neue Höchststände sind in absehbarer Zeit aber ausgeschlossen.
Warum?
Aus zwei Gründen: Erstens sind Aktien noch immer teuer, und zweitens glaube ich nicht, dass die Konsumenten die US-Wirtschaft weiter so antreiben können wie bisher.
Was meinen Sie mit «teuer»?
Seit dem ersten Quartal 2000 wurden die Schätzungen für die durchschnittlichen operativen Gewinne der im Standard & Poors 500 Index enthaltenen Firmen kontinuierlich von 68 auf 52 Dollar gesenkt. Für das nächste Jahr betragen sie aber weiterhin 63 Dollar, was einer 20-prozentigen Gewinnsteigerung entspricht. Ich glaube aber, dass die durchschnittlichen Gewinne im nächsten Jahr lediglich 40 bis 50 Dollar betragen werden.
Glauben Sie, dass Amerika eine Rezession vermeiden kann?
Ich bin sehr skeptisch. Bisher ist Amerika ja nur dank dem Konsum nicht in eine Rezession gefallen. Doch man muss beachten, dass der amerikanische Konsum und übrigens auch die gesamte Wirtschaft grösstenteils auf Schulden fusst. Die Gesamtverschuldung in den USA wächst zurzeit ungefähr viermal so schnell wie das nominale Bruttosozialprodukt. Im letzten Juni betrug der durchschnittliche Anteil der Konsumkredite am persönlichen Einkommen rekordhohe 22 Prozent, mehr als 1990, ein Jahr vor der damaligen Rezession. Mit den Krediten haben die Amerikaner im letzten Juni vor allem Autos und Immobilien gekauft. Die tieferen Zinssätze haben es vielen Leuten zudem ermöglicht, ihre bestehenden Hypotheken zu günstigeren Zinsen zu refinanzieren und, dank steigender Immobilienpreise, zusätzliche Kredite aufzunehmen. In der Zwischenzeit haben Finanzaktien hohe Verluste erlitten, weil die faulen Kredite stark gestiegen sind. Das ist ein schlechtes Zeichen für die amerikanische Wirtschaft, denn selbst wenn die Amerikaner weiter konsumieren wollten, was zurzeit sowieso fragwürdig ist, bekämen sie heute nicht mehr so einfach Kredit.
Was bedeutet das für die langfristigen Aussichten an den US-Börsen?
Gut möglich, dass wir jetzt eine mehrjährige, zermürbende Seitwärtsbewegung vor uns haben, etwa so wie zwischen 1964 und 1982, oder dass wir einen ähnlichen Kurszerfall wie in Japan erleben.
Sie sind ja sehr optimistisch für Südostasien. Aber gerade die asiatischen Börsen haben nach den Angriffen auf New York stark verloren.
Man muss dabei beachten, dass die Börsen von Indonesien, Thailand und Malaysia in den letzten drei Monaten um 20 bis 25 Prozent gestiegen sind. Hier wurden ganz einfach Gewinne mitgenommen. Aber Taiwan, Südkorea und Hongkong sind natürlich schon sehr stark von den Exporten in die USA abhängig und werden in Zukunft immer mehr von der Konkurrenz Chinas beeinflusst werden.
In Japan ist der Nikkei Anfang September auf den tiefsten Stand seit 17 Jahren gefallen. Gibt es Anlass zur Sorge?
Japan ist in einer sehr, sehr schwierigen Lage. Die Staatsschulden in Prozent des Bruttosozialprodukts sind von 30 Prozent im Jahre 1990 auf gegenwärtig 130 Prozent gestiegen. Das Massnahmenpaket von Japans Regierungschef Junichiro Koizumi kostet Milliarden von Dollars. Mir ist immer noch nicht klar, wie er das finanzieren will. Er könnte die Steuern massiv erhöhen. Doch dann würde er den Konsum abwürgen. Oder er könnte die Staatsausgaben drosseln. Doch dann würden massenhaft Firmen Pleite gehen. Wahrscheinlich wird sich Japan noch mehr verschulden.
Kann sich denn Japan das überhaupt noch leisten? Kürzlich wurde Japans Bonität gesenkt …
… und sie könnte weiter fallen, weil die Schulden weiter steigen werden. Ich erwarte, dass die langfristigen Zinsen in Japan innerhalb der nächsten fünf Jahre auf fünf Prozent steigen werden. Gut möglich, dass Japan dann Pleite geht.
Wie verträgt sich Ihr düsteres Szenario für Japan mit den optimistischen Prognosen für Südostasien?
Ich bin optimistisch für Südostasien, aber nicht des Exports wegen. Ich glaube nicht, dass die asiatischen Exporte in diesem Jahr überhaupt wachsen werden. Das Potenzial liegt vielmehr in der Binnenwirtschaft. Schauen Sie sich nur einmal China mit seinen 1,2 Milliarden Einwohnern an. Hier gibt es ein gigantisches Entwicklungspotenzial für den Immobilienmarkt, den Tourismus, die Versorgung von Rohstoffen, die Freizeit, Medizin usw.
Aber wer baut denn in China noch die Fabriken, wenn mit Japan einer der grössten Investoren eventuell Pleite geht?
Viele Firmen werden der tiefen Kosten wegen nicht darum herumkommen, in China zu investieren. Dort beträgt das Lohnniveau heute lediglich sechs bis sieben Prozent desjenigen Südkoreas und drei Prozent desjenigen Japans. Aber es muss sich mit der Zeit ein starker Mittelstand etablieren. Schon heute gibt es erste Fortschritte. Neuerdings finden Sie in jedem chinesischen Haushalt einen Kühlschrank. Und in Thailand, wo ich wohne, gibt es immer mehr chinesische Touristen. Unterschätzen Sie die Chinesen nicht. Heute stellen sie wohl noch Mobiltelefone für Motorola her, morgen werden sie ihre eigenen Handys produzieren. Damit werden sie zu mächtigen Konkurrenten der westlichen Multis.
Auf welche Branchen würden Sie in diesen unsicheren Zeiten setzen?
Für die Mehrheit der Anleger stehen zurzeit Nahrungsmittel- und Pharmaaktien sowie, wenn wir tatsächlich an einem Wendepunkt in der Kriegsführung stehen, Verteidigungsaktien im Vordergrund. Persönlich bin ich aber nur an Schwellenländern interessiert. Zur Absicherung des Portefeuilles empfehle ich zudem Goldaktien.
Marc Faber: Mir war unwohl. Ich dachte: Das passt zur Antiglobalisierungswelle und zum Abbruch der Konferenz in Durban, wo die Amerikaner einfach rausliefen. Ich glaube, dass diese Krise ein Symptom einer unguten Stimmung unter den über eine Milliarde armen Menschen ist. Sie fühlen sich von den reichen Ländern ausgebeutet und sind – wie wir genau wissen – in Ländern wie Vietman, Kambodscha, Irak und Serbien flächendeckend bombardiert worden. Zudem hat der Westen, haben insbesondere die USA des Öftern Terroristen unterstützt, wenn es in ihrem Interesse lag.
Welche Konsequenzen sehen Sie für die Aktienmärkte?
Grundsätzlich sollte man nach einer Krise kaufen. Aber diesmal bin ich mir nicht so sicher.
Was ist diesmal denn anders?
Wenn solche Krisen während einer Hausse ausbrechen, sind die Kurseinbrüche meistens temporär. Geschehen sie aber während einer Baisse, können sie diese verstärken.
Sie rechnen also mit deutlich tieferen Kursen?
Nicht unbedingt. Ich erwarte, dass die Kurse zwischen heute und Mitte Oktober einen Boden finden werden. Weil die Märkte bereits heute stark ausverkauft sind, rechne ich in den nächsten sechs Monaten mit einer Erholungsphase. Neue Höchststände sind in absehbarer Zeit aber ausgeschlossen.
Warum?
Aus zwei Gründen: Erstens sind Aktien noch immer teuer, und zweitens glaube ich nicht, dass die Konsumenten die US-Wirtschaft weiter so antreiben können wie bisher.
Was meinen Sie mit «teuer»?
Seit dem ersten Quartal 2000 wurden die Schätzungen für die durchschnittlichen operativen Gewinne der im Standard & Poors 500 Index enthaltenen Firmen kontinuierlich von 68 auf 52 Dollar gesenkt. Für das nächste Jahr betragen sie aber weiterhin 63 Dollar, was einer 20-prozentigen Gewinnsteigerung entspricht. Ich glaube aber, dass die durchschnittlichen Gewinne im nächsten Jahr lediglich 40 bis 50 Dollar betragen werden.
Glauben Sie, dass Amerika eine Rezession vermeiden kann?
Ich bin sehr skeptisch. Bisher ist Amerika ja nur dank dem Konsum nicht in eine Rezession gefallen. Doch man muss beachten, dass der amerikanische Konsum und übrigens auch die gesamte Wirtschaft grösstenteils auf Schulden fusst. Die Gesamtverschuldung in den USA wächst zurzeit ungefähr viermal so schnell wie das nominale Bruttosozialprodukt. Im letzten Juni betrug der durchschnittliche Anteil der Konsumkredite am persönlichen Einkommen rekordhohe 22 Prozent, mehr als 1990, ein Jahr vor der damaligen Rezession. Mit den Krediten haben die Amerikaner im letzten Juni vor allem Autos und Immobilien gekauft. Die tieferen Zinssätze haben es vielen Leuten zudem ermöglicht, ihre bestehenden Hypotheken zu günstigeren Zinsen zu refinanzieren und, dank steigender Immobilienpreise, zusätzliche Kredite aufzunehmen. In der Zwischenzeit haben Finanzaktien hohe Verluste erlitten, weil die faulen Kredite stark gestiegen sind. Das ist ein schlechtes Zeichen für die amerikanische Wirtschaft, denn selbst wenn die Amerikaner weiter konsumieren wollten, was zurzeit sowieso fragwürdig ist, bekämen sie heute nicht mehr so einfach Kredit.
Was bedeutet das für die langfristigen Aussichten an den US-Börsen?
Gut möglich, dass wir jetzt eine mehrjährige, zermürbende Seitwärtsbewegung vor uns haben, etwa so wie zwischen 1964 und 1982, oder dass wir einen ähnlichen Kurszerfall wie in Japan erleben.
Sie sind ja sehr optimistisch für Südostasien. Aber gerade die asiatischen Börsen haben nach den Angriffen auf New York stark verloren.
Man muss dabei beachten, dass die Börsen von Indonesien, Thailand und Malaysia in den letzten drei Monaten um 20 bis 25 Prozent gestiegen sind. Hier wurden ganz einfach Gewinne mitgenommen. Aber Taiwan, Südkorea und Hongkong sind natürlich schon sehr stark von den Exporten in die USA abhängig und werden in Zukunft immer mehr von der Konkurrenz Chinas beeinflusst werden.
In Japan ist der Nikkei Anfang September auf den tiefsten Stand seit 17 Jahren gefallen. Gibt es Anlass zur Sorge?
Japan ist in einer sehr, sehr schwierigen Lage. Die Staatsschulden in Prozent des Bruttosozialprodukts sind von 30 Prozent im Jahre 1990 auf gegenwärtig 130 Prozent gestiegen. Das Massnahmenpaket von Japans Regierungschef Junichiro Koizumi kostet Milliarden von Dollars. Mir ist immer noch nicht klar, wie er das finanzieren will. Er könnte die Steuern massiv erhöhen. Doch dann würde er den Konsum abwürgen. Oder er könnte die Staatsausgaben drosseln. Doch dann würden massenhaft Firmen Pleite gehen. Wahrscheinlich wird sich Japan noch mehr verschulden.
Kann sich denn Japan das überhaupt noch leisten? Kürzlich wurde Japans Bonität gesenkt …
… und sie könnte weiter fallen, weil die Schulden weiter steigen werden. Ich erwarte, dass die langfristigen Zinsen in Japan innerhalb der nächsten fünf Jahre auf fünf Prozent steigen werden. Gut möglich, dass Japan dann Pleite geht.
Wie verträgt sich Ihr düsteres Szenario für Japan mit den optimistischen Prognosen für Südostasien?
Ich bin optimistisch für Südostasien, aber nicht des Exports wegen. Ich glaube nicht, dass die asiatischen Exporte in diesem Jahr überhaupt wachsen werden. Das Potenzial liegt vielmehr in der Binnenwirtschaft. Schauen Sie sich nur einmal China mit seinen 1,2 Milliarden Einwohnern an. Hier gibt es ein gigantisches Entwicklungspotenzial für den Immobilienmarkt, den Tourismus, die Versorgung von Rohstoffen, die Freizeit, Medizin usw.
Aber wer baut denn in China noch die Fabriken, wenn mit Japan einer der grössten Investoren eventuell Pleite geht?
Viele Firmen werden der tiefen Kosten wegen nicht darum herumkommen, in China zu investieren. Dort beträgt das Lohnniveau heute lediglich sechs bis sieben Prozent desjenigen Südkoreas und drei Prozent desjenigen Japans. Aber es muss sich mit der Zeit ein starker Mittelstand etablieren. Schon heute gibt es erste Fortschritte. Neuerdings finden Sie in jedem chinesischen Haushalt einen Kühlschrank. Und in Thailand, wo ich wohne, gibt es immer mehr chinesische Touristen. Unterschätzen Sie die Chinesen nicht. Heute stellen sie wohl noch Mobiltelefone für Motorola her, morgen werden sie ihre eigenen Handys produzieren. Damit werden sie zu mächtigen Konkurrenten der westlichen Multis.
Auf welche Branchen würden Sie in diesen unsicheren Zeiten setzen?
Für die Mehrheit der Anleger stehen zurzeit Nahrungsmittel- und Pharmaaktien sowie, wenn wir tatsächlich an einem Wendepunkt in der Kriegsführung stehen, Verteidigungsaktien im Vordergrund. Persönlich bin ich aber nur an Schwellenländern interessiert. Zur Absicherung des Portefeuilles empfehle ich zudem Goldaktien.
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