Die schnelle politische Reaktion auf die Corona-Krise dürfte die Konjunktur zumindest auf kurze Sicht stabilisieren. Die Aussicht auf einen Covid-19-Impfstoff und der Einbezug von wirtschaftlichen Interessen bei der Pandemieeindämmung lässt Schweizer Unternehmen zuversichtlicher auf die Konjunkturentwicklung blicken als vor einem halben Jahr.
Jürg Stucker ist Partner bei Oaklins Switzerland.
Es ist zu erwarten, dass Schweizer Unternehmen in den kommenden sechs bis zwölf Monaten wieder vermehrt akquirieren. Übernahmen und Zusammenschlüsse bleiben wichtige Instrumente zur Strategieumsetzung.
Unterstützend wirkt zudem, dass sich das Finanzierungsumfeld bereits wieder leicht verbessert hat. Davon gehen jedenfalls die Befragten im jüngsten Oaklins M&A-Outlook für die Schweiz aus. Der Outlook basiert auf dem Oaklins M&A-Index.
Schnellere Erholung als nach Finanzkrise
Als Folge der Finanzkrise von 2008/2009 sank das Transaktionsvolumen auf dem Schweizer M&A-Markt rund zehn Prozent. Die Pandemie hatte im laufenden Jahr - zumindest kurzfristig - einen drastischeren Einfluss auf den Dealflow.
Hochgerechnet dürfte das Transaktionsvolumen gegenüber dem Vorjahr um rund 33 Prozent gesunken sein. Besonders dramatisch war der Rückgang in Bereichen wie dem Maschinenbau oder der Luftfahrt.
Beinahe unverändert lief der Dealflow hingegen in Sektoren wie E-Commerce, Nahrung, ICT und Finanzdienstleistungen. Diese Branchen gehören gemeinhin eher zu den Gewinnern der Corona-Krise. Nimmt die Zuversicht weiter zu und verbessert sich die Planbarkeit, ist zu erwarten, dass auch Unternehmen wieder deutlich mehr Transaktionen durchführen werden.
Einerseits werden einige Firmen von den gesunkenen Unternehmensbewertungen profitieren wollen und andererseits werden aufgeschobene Transaktionen ausgelöst. Die schlimmsten Befürchtungen sind glücklicherweise nicht eingetroffen. Den vorsichtigen Optimismus spiegelt auch der M&A-Outlook.
Rund ein Drittel der mehr als hundert befragten M&A-Experten und Entscheidungsträger der Schweizer Wirtschaft rechnen mit einem Konjunkturaufschwung. Im Frühjahr waren es lediglich 14 Prozent. Dennoch konstatieren die Befragten, dass das Wirtschaftsumfeld fragil bleibt.
Regionale Rückbesinnung
Über Akquisitionen sollen vor allem Synergiepotenziale freigesetzt und Marktanteile ausgebaut werden. Opportunitäten ergeben sich wie erwähnt aus den teils gesunkenen Unternehmensbewertungen.
Im Umkehrschluss heisst das aber auch, dass im aktuellen Umfeld vermehrt auch kleine und mittlere Unternehmen mit finanziellen Schwierigkeiten zum Verkauf stehen. Gut aufgestellte Unternehmen überdenken allfällige Verkaufsabsichten wohl. Und nicht in allen Branchen sinken die Multiples.
Im Bereich E-Commerce etwa sind die Unternehmensbewertungen gestiegen. Aus Sorge um Handelskonflikte und das Funktionieren globaler Lieferketten streben Unternehmen Akquisitionen vor allem in der Schweiz und Europa an. Ehemals wichtige Zielmärkte wie Südostasien stehen aktuell weniger im Fokus.