Wie wird man Schweizer Meister im Poker?
Man kann sich über mehrere Online-Turniere für das Finale im Swiss Casino in Zürich qualifizieren.
Dort haben Sie mit einer Strasse gewonnen.
Als wir nur noch zu zweit im Spiel waren, hatte ich schon 80 Prozent der Chips und zum Schluss mit einem König und einer Sieben eine Strasse erhalten.
Ein Tipp für mich als Anfänger?
Beim Spiel mit Freunden auf Alkohol verzichten und warten. In solchen Situationen kann man mit einer passiven Spielweise ohne grosses Know-how hohe Gewinne machen. Ob dies aber das Ziel einer Pokerrunde unter Freunden ist, muss jeder für sich selbst beurteilen.
Könnte ich als Poker-Anfänger ein Turnier gewinnen?
Als Anfänger verliert man im Schnitt Geld. Aber wenn Sie grosse Risiken eingehen, könnten Sie auch mal gewinnen.
Glück ist ein Faktor im Poker.
Ja, sicher. Weil jeder und jede mal mit sehr viel Glück ein Turnier gewinnen kann, überschätzen sich einige Turniergewinnerinnen und -gewinner anschliessend masslos.
Ramon Wicki (33) ist Schweizer Meister im Poker. Das war er schon einmal im Jahr 2016. Seit 15 Jahren spielt Wicki das Kartenspiel, privat wie auch an nationalen und internationalen Turnieren. Beruflich ist er bei einer Bank im Risikomanagement tätig. Vorher war er Analyst für Anlageperformance.
In der Schweizer Pokermeisterschaft haben rund 60'000 Spielteilnahmen an 412 Online-Turnieren stattgefunden. Daraus qualifizierten sich am Schluss acht Spieler für den Final, der im Casino Zürich ausgetragen wurde. Das wurde in deutscher und französischer Sprache moderiert und allen Pokerliebhaberinnen und -liebhabern via Livestream ins Wohnzimmer übertragen.
Der Meistertitel brachte Ramon Wicki ein Preisgeld von 22'000 Franken ein und führt ihn im Jahr 2023 nach Las Vegas, wo er an den offiziellen Pokerweltmeisterschaften teilnehmen wird. Insgesamt wurde den acht Finalisten ein Preisgeld von 85'000 Franken ausbezahlt.
Die kündigen den Job und wollen gleich Pokerprofis werden?
Diejenigen, die den Job kündigen, um Pokerprofis zu werden, sind weniger das Problem. Entweder klappt es oder sie steigen wieder in den Berufsalltag ein. Problematisch sind jene, die danach die Einsätze derart erhöhen, dass sie nicht mehr in einem gesunden Verhältnis zur Einkommens- und Vermögenssituation stehen. Oftmals werden dann die Verluste gegenüber Familie und Freunden verschwiegen und nur die Gewinne gezeigt. Dabei können die Spieler und Spielerinnen in langfristige finanzielle Nöte geraten.
Ihnen kann das nicht passieren?
Mir sind die Schwankungen im Poker und auch die Gefahren bestens bekannt. Ich spiele schon lange, war bereits im Jahr 2016 Schweizer Meister, damals noch beim Konkurrenzturnier im Casino Baden.
Sind Sie der beste Schweizer Pokerspieler?
Das würde ich so nicht unbedingt sagen.
Sie sind zweifacher Schweizer Meister.
Ja, ich habe einen gewissen Erfolg, aber das heisst nicht, dass ich der mit Abstand Beste bin.
Im nächsten Jahr werden Sie die Schweiz am Turnier in Las Vegas vertreten.
Ja, das ist Teil des Titelgewinnes. Aber grundsätzlich kann am Turnier in Las Vegas jeder und jede teilnehmen. Man muss einfach den Einsatz von 10'000 Dollar leisten.
Sie waren schon im Jahr 2016 in Las Vegas, nach ihrem ersten Titel als Schweizer Meister.
Dort habe ich zwei Wochen durchgespielt, aber es ging nicht immer bergauf.
Klar – wie war das Erlebnis in Las Vegas?
Man trifft Leute, die man sonst nur im Fernsehen sieht, in der World Series of Poker. Es ist sehr international, mit Spielern und Spielerinnen aus allen Himmelsrichtungen, aus dem Nahen Osten, aus Südamerika, aus Europa und natürlich aus den USA.
Sind dort auch Anfängerinnen und Anfänger am Start?
Es gibt sicher einige Spielerinnen und Spieler, die einfach mal am Event dabei sein wollen, aus Prestigegründen, um erzählen zu können, dass sie mal dort waren.
Sie waren oft dort?
Bereits dreimal, ich habe aber nur 2016 an der World Series of Poker teilgenommen.
Wieso nicht öfter?
Wenn man stark auf Poker setzt, kann man viel Geld verlieren. Auch wenn man gut ist, verliert man manchmal. Es gibt finanzielle Downphasen, die man sich leisten können muss. Erst kürzlich hat Daniel Negreanu, einer der besten und bekanntesten Spieler, über 1 Million Dollar an der World Series verloren. Das zeigt: Auch gute Pokerspieler können in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Auf was kommt es im Poker an?
Grundsätzlich gibt es zwei Gewinnstrategien beim Poker. Die eine ist spieltheoretisch, in der Fachsprache Game Theory Optimal, kurz GTO genannt. Damit können für jedes Blatt in der Hand Wahrscheinlichkeiten ausgerechnet und für den weiteren Spielverlauf Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Je professioneller man spielt, desto wichtiger ist GTO.
Logisch.
Ein guter Spieler, eine gute Spielerin verdient im Schnitt Geld mit Poker. Zumindest hat er oder sie einen positiven Erwartungswert. Aber es gibt eine Varianz, also eine Schwankungsbreite in den Resultaten. Auch Profis verlieren mal Geld. Trotzdem ist es so, dass ein guter Spieler, der wenig Risiken eingeht und sich an GTO hält, ein regelmässigeres Einkommen erzielen kann. So gewinnt er nicht unbedingt oft die wirklich grossen Turniere, aber er erreicht öfter mal eine Topplatzierung.
Spielen Sie so?
Nicht unbedingt. Wenn man grosse Turniere gewinnen will, muss man manchmal riskieren – etwas anderes machen als GTO. Als Kehrseite kann das auch mal dazu führen, dass man früh aus einem Turnier fliegt.
Warum spielen Sie denn so?
Ein Turnier gewinnen hat für mich einen höheren Stellenwert, als beim Poker Geld zu verdienen. Ich bin nicht auf den monetären Gewinn beim Poker angewiesen.
Sie werden lieber einmal Erster als zweimal Zweiter.
Ja, und ich versuche gerne, die Leute zu lesen.
Das ist die zweite Gewinnstrategie, über die wir oben schon geredet haben.
Es geht darum, die Schwächen der Mitspieler ausnutzen. Im Verlauf eines Turniers passt man sein Spiel immer mehr an einzelne Mitspieler und Mitspielerinnen an.
Ein Beispiel?
Ältere Herren spielen eher passiv mit guten Karten und bluffen zu selten mit einem schlechten Blatt.
Gibt es ein Beispiel, was Sie aus dem Verhalten eines Mitspielers am Finale der Schweizer Meisterschaften lesen konnten?
Einer der Mitspieler hat immer mit den Chips gespielt. Aber wenn er ein gutes Blatt hatte, nicht mehr. Sogar die Kommentatorin des Livestreams bemerkte das.
Haben Sie sich überlegt, Profi zu werden?
Nicht wirklich, es soll ein Hobby bleiben.
Sie arbeiten als Risikomanager in der Finanzindustrie. Können Sie dort etwas vom Poker einbringen?
Nein, in meinem Bereich ist vieles regulatorisch vorgegeben, da gibt es nicht viel Interpretation, sondern eher mathematische Genauigkeit. Es hilft aber, die Hintergründe der Regulierungen zu verstehen, denn im Grundsatz geht es dort um das Gleiche wie im Poker: Entweder muss man die Risiken gering halten oder aber genügend Kapital zur Verfügung haben, um allfällige Verluste verkraften zu können.
Wie investieren Sie an der Börse?
Für mich lohnt es sich am meisten, in kostengünstige Fonds zu investieren.
Das ist vor dem Hintergrund besonders interessant, dass Sie früher beruflich als Analyst für Anlageperformance tätig waren.
Ja, da habe ich gesehen: Es bedeutet sehr viel Aufwand für die Leute, immer auf dem Laufenden zu bleiben und die richtigen Aktien zu kaufen. Für mich persönlich lohnt sich der Aufwand nicht. Ich will nicht so viel Zeit in Börseninformationen investieren, um allenfalls einige Basispunkte mehr Gewinn machen zu können.
Sie müssen das ja nicht selber tun. Sie könnten einen Fondsmanager dafür bezahlen.
Ja, kommt darauf an, wie gut der Fondsmanager und die Analysten sind, die für ihn arbeiten. Häufig sind die gut – aber reicht die Outperformance, um die Gebühren des Fonds mehr als einzuspielen? Da müsste ich wieder sehr viel Aufwand betreiben, um den für mich richtigen Fonds zu finden.
Das wollen Sie nicht.
In den letzten Jahren bin ich immer wieder zum Schluss gekommen, dass ich noch mehr Zeit haben müsste, um in solche Fonds zu investieren.
Sie investieren in kostengünstige passive Fonds. Versuchen Sie, dort mehr zu investieren, wenn Sie denken, dass Aktien günstig sind, und weniger, wenn Aktien teuer sind?
Ich hatte die vergangenen Jahre das Gefühl, die Märkte müssten zusammenfallen. Aber das sind sie nie, also bin ich doch eingestiegen. Jetzt investiere ich einfach jeden Monat einen Betrag.
In was investieren Sie?
Grösstenteils in Schweizer Aktien, einen Indexfond auf den Schweizer Aktienindex SLI, der mit dreissig Titeln etwas diversifizierter ist als der Schweizer Leitaktienindex SMI der nur zwanzig Aktien beinhaltet. Zudem ist beim SLI das Gewicht eines Titels auf maximal 9 Prozent begrenzt. Dazu habe ich noch einen weiteren Indexfonds, der weltweit in Aktien investiert ist.
Keine Obligationen?
Im aktuellen Zinsumfeld finde ich das nicht attraktiv. Ich behalte den Teil, den ich bei höheren Zinsen vielleicht in Obligationen investieren würde, lieber auf dem Sparkonto.
Die Zinsen steigen gerade wieder.
Wenn die dann mal bei 4 Prozent sind, könnte ich es wieder attraktiv finden.
Ist die Börse oder das Pokern risikoreicher?
Poker ist härter und gefährlicher als traditionelle Börsenanlagen. Im Poker können nicht alle gewinnen, sondern einige müssen verlieren, was wiederum sehr ähnlich ist wie das Spekulieren mit Derivaten.
Mit Aktien können theoretisch alle profitieren, am wirtschaftlichen Fortschritt partizipieren und langfristig gewinnen.
Ein Problem beim Poker ist, dass man immer nur die Gewinner sieht, nicht die Verlierer.
Auch bei Börsengeschäften erzählen die meisten nur immer von ihren Gewinnen.
Bei Börsengeschäften gibt es wenigstens regelmässig einen Depotauszug, der bezüglich Gewinnen Transparenz schafft. Das fehlt beim Poker. Dort ist die Spielsucht eine Gefahr. Das sieht man im Casino: Jeweils gegen Monatsende, wenn die Leute den Lohn bekommen, sind die Pokertische gut besetzt und die Einsätze hoch. Im Verlaufe des Monats werden die Tische leerer, und es wird mit tieferen Einsätzen gespielt.
Ihr Rat dazu?
Man muss Limiten setzen, wie viel Geld man verlieren kann. Das gilt auch für Börsengeschäfte mit speziellen Instrumenten wie Warrants oder Minifutures.
Sie investieren in diese?
Früher habe ich das öfters. Anfänglich hatte ich etwas Gewinn machen können, weshalb ich mich anschliessend ein wenig überschätzte. So kam es, dass ich unter dem Strich Verluste hinnehmen musste.
Heute investieren Sie nicht mehr in solche Produkte?
Nein, in aggressive Finanzprodukte investiere ich nicht mehr. Wenn ich Lust auf Glücksspiel habe, spiele ich Poker.