BILANZ: Wird Investor auch noch in 85 Jahren bestehen, wie Ihre Familie vor der aktuellen Wirtschaftskrise einmal in Aussicht gestellt hat?
Marcus Wallenberg: Ja, ich bin überzeugt davon, dass dieses Geschäftsmodell Zukunft hat. Als einflussreicher Aktionäre, der sich in den Firmen einbringt, wird das Modell von Investor noch lange von hohem Wert sein. Geändert hat sich jedoch die Art der Geschäfte und Unternehmen, in die Investor investiert.
Die Investor-Aktie wird mit einem Abschlag von fast 50 Prozent auf den inneren Wert gehandelt. Was ist die Ursache?
Viele Leute haben schon versucht, die Ursachen dieses Abschlags herauszufinden. Letztlich ist es der Markt, der über die Höhe des Abschlags entscheidet. Das einzige was den Abschlag verringern kann ist letztlich unsere Leistung.
In den vergangenen Jahren hat die Wallenberg-Stiftung einige Substanzbeteiligungen von Investor aufgekauft wie StoraEnso oder SKF. Die Erlöse investierte Investor in die neuen Bereiche Private Equity und Zukunftskapital. Dadurch stiegen für die Anleger bei Investor die Risiken.
Vielleicht ist das eine Erklärung. Ich gebe Ihnen insofern Recht, als bei einer kotierten Firma der faire Wert der Aktien besser bestimmt werden kann als bei einer nicht kotierten.
Wie beeinflusst die aktuelle Krise die Strategie von Investor?
Investor hat in den vergangenen Jahren eine sehr konservative Finanzierungs- und Anlagepolitik verfolgt. Wir haben unsere Bilanz gestärkt und verfügen heute nach Abzug der Schulden über eine beachtliche Liquidität.
Welches sind Ihre Lehren aus dieser Krise?
Eine stark angewachsene Geldmenge hat nach höheren Renditen gesucht, was mit höheren Risiken verbunden ist. Diese wurden durch die Banken mit neuen Produkten noch verstärkt aber auch durch eine Erhöhung des Verschuldungsgrades. Manche Banken haben auf einen Dollar Eigenkapital mehr als zehn Dollar Schulden aufgenommen. Jetzt erleben wir einen enormen Entschuldungsprozess, über dessen Ausmass und Folgen sich die meisten Leute noch gar nicht im Klaren sind. Der Hebeleffekt wirkt nicht nur bei der Steigerung der Rendite sondern auch in die umgekehrte Richtung.
Wie sehen Sie die Zukunft von Autohersteller Saab? Ist eine Lösung mit Fiat denkbar?
Wir bedauern sehr, wenn es Saab nicht mehr geben würde. Die Produktionsgrösse reicht aber nicht für die Eigenständigkeit. Deshalb haben wir anfangs der 90-er Jahre das Unternehmen an GM verkauft. Ich habe eine solche Lösung nicht eingehend geprüft. Die Herausforderungen sind aber enorm. Es ist nicht wie bei VW, die seit langer Zeit schon eine tolle Leistung vollbringen. Wer könnte nur schon die finanziellen Mittel aufbringen, die dazu nötig wären?
Familiendynastien wie Ihre, nachdem Investmentbanken und Private Equity-Funds dezimiert worden sind.
Wir sind sehr langfristig ausgerichtet. Und ein Kapitalmarkt kann mit nur einer Art von Finanzierung nicht funktionieren. Es braucht auch kurz- und mittelfristig ausgerichtete Mitbewerber. Sonst fehlt die Liquidität.
Fahren Sie selbst Saab?
Nicht mehr. Ich habe Ihn vor einem halben Jahr meinem Sohn verkauft.
Wie beurteilen Sie die Leistung von ABB, insbesondere unter der neuen Führung durch John Hogan?
Für ABB ist wichtig, einen starken CEO zu haben und ich sehe für den Konzern ein grosses Potenzial. Der Verwaltungsrat hat sicher die beste Wahl getroffen. Unsere ABB-Beteiligung ist eine der erfreulichen in unserem Portfolio.
Wie bringen Sie sich bei den verschiedenartigen Beteiligungen ein, welche Rolle können Sie da überhaupt spielen?
Der Zusammenhang besteht in der langfristigen Ausrichtung unserer Beteiligungen. Wir haben kein Korsett an Forderungen oder Strukturen, die wir den Firmen aufzwingen wollen. Ein wichtiger Faktor ist aber die finanzielle Stabilität dieser Firmen.
Wie fühlen Sie in der offenen Gesellschaft Schwedens als Mitglied der mächtigsten Familie, deren Beteiligungen fast die Hälfte der schwedischen Börsenkapitalisierung ausmacht?
Ich bin mir der grossen Tradition sehr wohl bewusst und bin glücklich, dieser Familie angehören zu dürfen, für die verschiedenen Firmen tätig zu sein und Verantwortung tragen zu können. Ich bin aber auch sehr demütig gegenüber den Herausforderungen und Veränderungen, die auf uns zukommen.
Welche?
In den westlichen Industriestaaten steht in den nächsten Jahren ein tief greifender Strukturwandel an. Die finanziellen Stärken und Möglichkeiten befinden sich aber in andern Teilen der Welt, welche sich schneller erholen und weiter entwickeln werden. Die Auswirkungen und Bedeutung will ich noch besser verstehen lernen. Deshalb ist es mir auch sehr wichtig, dass ich im Verwaltungsrat des Staatsfonds Temasek in Singapur sein kann.
Wie kamen Sie zu Ihrem Übernamen Husky?
Bei meiner Geburt soll mein Grossvater gesagt haben: „das wir mal ein Husky“, also ein starker Kerl.