Präsident Trump ist jetzt seit rund zwei Monaten im Amt. Welche Auswirkungen wird seine Politik auf die Finanzmärkte haben?

Die neue US-Politik ist sicherlich eines der wichtigsten Themen für die Märkte in diesem Jahr. Viele der Neuerungen fallen unter die Rubrik «schockierend, aber nicht überraschend». Insbesondere die neue Handelspolitik bereitet vielen Anlegern Sorgen. Zölle sind in der Regel inflationstreibend. Im besten Fall kann die US-Regierung die Energiepreise senken und damit der Inflation entgegenwirken. Doch andere Preise werden durch die Zölle steigen. Die Zollpolitik von Trump sehen wir vor allem als Verhandlungstaktik: als Handelspolitik mit vorgehaltener Waffe. Er nutzt Zölle als Druckmittel, um bilaterale Handelsabkommen oder andere Entgegenkommen auszuhandeln und Institutionen wie die WTO zu umgehen.

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Was bedeutet das für die Schweiz?

Für kleinere Länder wie die Schweiz wird die Situation schwieriger. Über viele Jahre haben wir sehr gut von einem globalisierten, institutionenbasierten Handel gelebt. Aber als kleines Land, das exportieren will, haben wir natürlich eine schwache Verhandlungsposition gegenüber den USA, China oder der EU.

Der Goldpreis ist stark gestiegen. Warum?

Die Unsicherheit in den Märkten hat sicherlich eine Rolle gespielt. In Franken gerechnet, ist der Goldpreis im letzten Jahr um über 30 Prozent gestiegen. Dazu beigetragen hat, dass einige Zentralbanken, in China, der Türkei und in Kasachstan, sehr viel Gold gekauft haben, um ihre Reserven unabhängiger vom Dollar zu machen. Die Beschlagnahmung russischer Dollar-Reserven nach den Sanktionen hat viele Zentralbanken alarmiert. Gold dagegen bietet Unabhängigkeit. Ausserdem reduzieren niedrigere Zinsen die Opportunitätskosten der Goldhaltung.

Zur Person

Thomas Rühl ist seit dem 1. August 2022 Chief Investment Officer sowie Leiter des Research-Teams der Schwyzer Kantonalbank (SZKB). Von 2017 bis 2019 war Rühl Leiter Business Consulting für die BAK Economics AG in Zürich. Seit April 2019 und bis zu seinem Start bei der SZKB war er als Leiter Research bei der Schweizerischen Bankiervereinigung tätig.

Ihr Ausblick für 2025?

Wir haben zwei Szenarien entwickelt. In unserem Hauptszenario gehen wir von einer leichten Abkühlung der US-Konjunktur aus, mit sinkender Inflation und Zinsen. Im Risikoszenario könnte es durch Zölle und eine restriktive Einwanderungspolitik zu einer Überhitzung der US-Wirtschaft kommen, mit steigender Inflation und Zinsen. Für Europa hätte dies eine Rezession zur Folge.

Und was erwarten Sie für die Schweiz?

Bis zum Jahresende rechnen wir wieder mit Negativzinsen. Die Inflation ist trotz Zinssenkungen sehr niedrig und lag zuletzt bei nur 0,4 Prozent. Falls der Franken aufwertet, könnte die Schweiz sogar in eine Deflation rutschen. Die SNB will mit tiefen Zinsen einen Puffer nach unten bilden.

Keine guten Nachrichten für Sparer.

Negativzinsen sind in der Tat sehr unpopulär. Sie haben eine Umverteilungswirkung von Sparern zu Schuldnern. Und für die Vorsorgewerke sind sie eine grosse Herausforderung. Aus geldpolitischer Sicht sehen wir aber keine Alternative dazu.

Welche Anlagestrategie empfehlen Sie einer Familie, die 100'000 Franken relativ sicher für rund zehn Jahre anlegen will?

Wir empfehlen der Familie unsere breit diversifizierten Strategiefonds. Diese decken verschiedene Anlageklassen ab und werden monatlich taktisch überprüft. Bei einem längeren Anlagehorizont empfehlen wir einen Strategiefonds mit höherem Aktienanteil. Aber wichtig ist vor allem, das Geld anzulegen und nicht auf dem Sparkonto liegen zu lassen.

Wie stehen Sie zu Kryptowährungen?

Aktuell geben wir keine Empfehlungen zu Kryptowährungen ab. Sie sind sehr spekulativ und volatil. Langfristig könnten sie sich als alternative Anlageklasse etablieren. Möglicherweise wird man in einigen Jahren einen kleinen Anteil Kryptowährungen in einem diversifizierten Portfolio haben, ähnlich wie heute Gold oder Immobilienfonds. Aber im Moment sehen wir sie nur für sehr risikobereite Anleger.

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Wie attraktiv sind nachhaltige Anlagen?

Wir bieten seit 2009 unsere Ethik-Linie an. Dies sind ESG-Produkte mit sehr hohem Nachhaltigkeitsanspruch. Laut einer externen Analyse gehören sie zu den strengsten 1 Prozent weltweit. Die Nachfrage danach ist gross und die bisherige Performance sehr gut. Allerdings sehen wir, dass der breite ESG-Markt etwas an Schwung verloren hat. Es wird für durchschnittliche ESG-Produkte schwieriger, sich abzuheben, da mittlerweile fast alle Banken solche Angebote haben.

Welche langfristigen Trends sehen Sie?

Es ist offensichtlich, dass Private Markets und Private Credits immer wichtiger werden. Grosse Unternehmen wie Open AI bleiben privat, und institutionelle Anleger vergeben zunehmend private Kredite.

Woran liegt das?

Eine Rolle spielt sicherlich die zunehmende Zahl an regulatorischen Anforderungen für börsenkotierte Unternehmen. Und viele Unternehmen halten auch das Reporting in Quartalen für übertrieben.

Wie können Anlegerinnen und Anleger von diesem Trend profitieren?

Wir halten für unsere Kundschaft beispielsweise Privat-Equity-Fonds bereit und neuerdings auch Venture-Capital-Fonds. Solche Fonds eignen sich auch für risikobereite Privatpersonen, da sie eine gewisse Diversifikation und Liquidität bieten.

Was waren privat Ihre besten Investments?

Ich habe früh in Apple investiert und damit gute Erfahrungen gemacht.

Wie gehen Sie bei der Aktienauswahl vor?

Ich versuche Unternehmen zu identifizieren, die Produkte und Geschäftsmodelle haben, die leicht verständlich sind, wie eben Apple. Die Firma hat mich langfristig überzeugt. Ich habe an deren Wachstums-Case geglaubt, und sie hat in den letzten zwanzig Jahren immer geliefert.

Was können Sie noch nennen?

Im Moment setze ich vor allem auf den US-Aktienmarkt, der hat 2024 ebenfalls viel Freude bereitet. Als Zehnjähriger habe ich als erstes Investment ein Goldvreneli gekauft, das war auch keine schlechte Idee. Aber ich kann es im Moment leider nicht mehr finden.

Und auch schon richtig danebengegriffen?

Allerdings. Mein grösster Fehler war ein Marihuana-ETF, der rund 60 Prozent an Wert verloren hat. Daraus habe ich gelernt: Setze niemals auf Hypes!

Dieser Artikel ist im Millionär, dem Magazin der Handelszeitung, erschienen (März 2025).