BILANZ: Bob Lutz, Sie haben in Ihrer Karriere als Automanager so ziemlich alles erreicht, was man erreichen kann. Finanziell haben Sie längst ausgesorgt und könnten Ihre Rente geniessen. Was hat Sie dazu gebracht, letztes Jahr mit 69 noch einmal Produktentwicklungschef von General Motors (GM) zu werden?
Bob Lutz: Ich komme mir nicht so alt vor, sondern fühle mich sehr jugendlich und frisch – das heisst, normalerweise, heute nicht so sehr, weil ich nur drei Stunden geschlafen habe. Ich empfinde nach wie vor eine riesige Begeisterung für den Automobilbau. Ich habe eine kreative Seite. Und ich führe gerne, das gebe ich zu. Insgesamt leiste ich also sehr gerne meinen Beitrag zur weiteren Stärkung von General Motors.
Ist es nicht erstaunlich, in diesem Alter als Hoffnungsträger zu gelten?
Das ist schon ein bisschen komisch. Als Richard Wagoner, der CEO von General Motors, an der letztjährigen Pressekonferenz im September gefragt wurde, wie meine Einstellung mit dem bei GM obligatorischen Pensionsalter von 65 Jahren auf einen Nenner zu bringen sei, hat er auch erst einmal einen Moment überlegen müssen. Dann hat er gesagt, es sei tatsächlich so, dass bei GM jeder mit spätestens 65 in den Ruhestand zu gehen habe. Aber es stehe nirgends geschrieben, dass man 69-Jährige nicht anheuern dürfe.
Sehen Sie sich als Vorbild für die Zukunft, in der Menschen fit bleiben bis ins hohe Alter?
Ich glaube schon. Da bin ich vielleicht ein Vorreiter für eine kommende Generation von Managern, die mit 70 noch absolut fit sind, einen wertvollen Beitrag leisten können und daher auch noch nicht in Pension gehen sollten.
Wann ist generell der richtige Zeitpunkt für einen Topmanager, um abzutreten?
Wenn man entweder versagt hat – dann wird man in der Regel gegangen. Oder wenn man selber das Gefühl hat, dass es genug sei. Irgendwann einmal kommt im Leben der Moment, wo man nicht mehr will, nicht mehr mag, nicht mehr kann. Wenn man alles im Leben schon zehnmal gesehen hat, wenn die Begeisterung nicht mehr da ist, dann, finde ich, muss man aussteigen. Und ich glaube, das ist eher der Fall, wenn man beruflich auf einem Feld tätig ist, das einen nicht so ganz begeistert. Bei mir waren Hobby und Beruf, Gott sei Dank, nicht getrennt. Deswegen habe ich auch gar nicht das Bedürfnis aufzuhören.
Wie halten Sie sich fit?
Hauptsächlich durch Diät. Ich esse sozusagen kein tierisches Fett, nur ab und zu ein bisschen Käse, nie rotes Fleisch. Ich lebe hauptsächlich vegetarisch. Gesundheitlich bekommt mir das ausgezeichnet. Ich habe wenig Zeit für Sport. Als körperliche Betätigung betreibe ich nur Skilaufen. Dafür umso lieber mechanische Sportarten, sei es per Motorrad, Auto, Helikopter oder mit meinem Jagdflugzeug.
Sie fliegen immer noch Ihren Kampfjet, den Sie einst aus Restbeständen der tschechischen Armee gekauft haben?
Ja, klar. Sechs bis zehn Stunden im Monat. Und eine modernere amerikanische A4 «Skyhawk» habe ich auch noch. Es gibt jetzt zwei oder drei andere Kampfjet-Besitzer in der Nähe von Michigan, wo ich wohne, und da treffen wir uns recht häufig an einem Sonntag und fliegen Staffel.
Die Zähigkeit scheint bei Ihnen in der Familie zu liegen …
… ja, mein Vater ist 94. Er lebt übrigens in Zumikon. Bis vor drei Monaten fuhr er sogar noch Auto. Aber zuletzt häuften sich die unerklärlichen kleinen Karosserieschäden. Jetzt haben wir ihn überzeugt, dass es vernünftiger ist, einen Fahrer zu engagieren.
Gibt es einen Manager, den Sie als Vorbild haben oder bewundern?
Ich eifere niemandem nach. Aber es gibt Leute, die ich auf gewissen Gebieten sehr bewundere. Das Verständnis von Bilanzkennzahlen und die Bedeutung der finanziellen Disziplin habe ich von Harold Poling gelernt, der damals bei Ford Europa mein Chef war. Die Wichtigkeit des Designs habe ich von Bill Mitchell von General Motors mitbekommen. Die Art der Menschenführung und die Gewichtung des Korpsgeistes und der positiven Motivation stammen aus meiner Militärzeit im Marinekorps. Das ist fast 50 Jahre her. Aber meine Helden, was Führung angeht, sind wahrscheinlich immer noch gewisse Generäle.
Wie gehen Sie mit den enormen Erwartungen um, die an Sie geknüpft sind?
Das ist etwas schwieriger; insbesondere mit dem vorauseilenden Lob der Presse. Da kann ich nur mein Bestes tun, Dinge bewegen, Änderungen einführen, so schnell die Organisation diese absorbieren kann. Wenn man das zu schnell versucht, dann stösst man auf erbitterten Widerstand. Man muss ja die Leute mit sich ziehen können. Das gelingt in der Regel auch recht gut.
Inwiefern? Was haben Sie denn bisher erreicht?
Ziemlich tief greifende organisatorische Änderungen in der Art und Weise, wie die neuen Produkte bei GM kreiert werden. Die Stellung der Designabteilung ist wesentlich gestärkt worden. Bisher war das Design unserer Autos häufig eine Kompromisslösung, weil zu viele Leute mitreden durften. Mit dem Resultat, dass das Endergebnis langweilig war. Nun hat der Chefdesigner das letzte Wort. Das hat gleich für diverse Richtungsänderungen in der Ästhetik der Autos gesorgt, die wir momentan entwickeln.
In den USA, wo Sie auch noch die Funktion als Länderchef übernommen haben, verliert GM seit Jahren Marktanteile.
Das ist leider so. Ich hoffe, ich habe hier eine gewisse belebende Wirkung ausüben können auf die Organisation. Denn man darf die emotionale Seite der Führung nicht vergessen – das ist ein wichtiges Element des Erfolgs, besonders in den USA und besonders in einer Organisation, in der manche Manager seit 25 Jahren noch nie etwas anderes erlebt haben als einen ständigen Marktanteilszerfall. Die haben die Mentalität: Es ist unmöglich, Marktanteile zu gewinnen – unsere Aufgabe besteht darin, weitere Verluste zu verhindern. Das ist keine Siegermentalität. Ich dagegen bin von aussen neu dazugekommen, und vor allem habe ich, was Marktanteilsgewinne betrifft, eigentlich nur Erfolg gekannt. Ich glaube, dass ich die GM-Mentalität diesbezüglich bereits ein Stück weit ändern konnte.
Reicht das?
Es gibt Tage, an denen ich etwas bedrückt bin, weil ich mir sage, ich bin jetzt sechs Monate da, und es ist noch nicht alles anders. Und es gibt auch andere Tage, an denen ich mich daran erinnere, wie es vor sechs Monaten war, und sehe, wie es jetzt ist, da bin ich eigentlich recht zufrieden mit mir selber. Ich glaube, in einer dreijährigen Zeitspanne müsste ich so ziemlich das erreichen können, was man von mir erhofft und was ich mir selber zum Ziel gesetzt habe.
Das klingt ein bisschen nach One-Man-Show. Haben Sie denn alleine die Kraft, bei einem Giganten wie GM das Steuer herumzureissen?
Ich bin ja nicht der oberste Mann bei GM. Das ist Rick Wagoner. Er muss das Steuer herumreissen. Dass bei GM alle nur irgendwie denkbaren Lösungen ins Auge gefasst werden, wenn sie nur zum Erfolg führen, das schreibe ich Rick Wagoner zu. Aber dafür hat man ja Führungspersönlichkeiten. Und deshalb geht es Firmen unter der falschen Führung früher oder später schlecht. Und Firmen unter guter Führung geht es früher oder später gut. Das gilt übrigens auch für Staaten, politische Parteien, Schulen oder Universitäten.
Ihr grösstes Problemkind ist die Marke Opel …
… nicht mein Problemkind! Bei Opel bin ich nur in beratender, nicht in bestimmender Funktion, und ich helfe mit, das Produkt zu definieren.
Dann fragen wir halt anders: Das grösste Problemkind von GM ist die Marke Opel. Der Marktanteil fällt stetig, die Verluste liegen bei rund einer Milliarde Franken. Was passiert, wenn der fürs nächste Jahr angestrebte Turnaround nicht erreicht wird?
Das ist für mich eine hypothetische Frage. Die Weichen sind so gestellt, dass Opel bis Ende 2003 wieder zum Erfolg kommen wird. Was ich gesehen habe im Produktprogramm und was ich gesehen habe von der Führung unter Carl-Peter Forster, hat mein volles Vertrauen.
Seit Anfang Jahr wird heftig über die Zukunft der Marke Opel spekuliert. Wäre GM ohne Opel denkbar?
Nein, denn unsere Präsenz in Europa würde massiv eingeschränkt. Das ist das Schöne, dass eine Firma wie Opel in einem riesigen Verbund arbeiten kann. Das hat zwar manchmal Nachteile, aber in so einer Situation hat es riesige Vorteile. Denn GM wird es weder menschlich noch finanziell zulassen, dass Opel auf lange Sicht nicht erfolgreich ist. Wir werden, wenn notwendig, die volle finanzielle Macht von GM hinter Opel stellen, und Opel wird wieder erfolgreich werden. Etwas anderes ist nicht denkbar.
Was unterscheidet europäische von amerikanischen Automanagern?
Viel weniger, als sich die Geschmäcker der Autokäufer unterschieden! Der Manager braucht eine Kombination von Fähigkeiten: die spezifischen Fachkenntnisse der Industrie, die Eigenschaft, führen zu können, und darüber hinaus ein gewisses Gespür für den Markt. Wobei das Gespür für den Markt immer dasselbe ist – auch wenn der europäische Markt wie gesagt ein völlig anderer ist als der amerikanische. Der gute Automobilmanager kann sich mit der Zeit in den US-Markt einfühlen, auch wenn er aus Europa stammt, und der amerikanische Manager in den europäischen. Aber man muss im Markt leben und den Markt erleben.
In der Schweiz ist die Empörung gross über die Pensionszuschüsse der Herren Barnevik und Lindahl, die sich bei ihrem Abgang 148 beziehungsweise 85 Millionen Franken selber zugeschanzt haben. Barnevik sitzt auch im Verwaltungsrat von GM. Wären solche Vorkommnisse in den USA auch so ein grosses Thema?
Ich würde meinen, ja. Diese Dimension ist auch für US-Verhältnisse ungewöhnlich.
Nach der Enron-Pleite hat sich auch in den USA die Situation der Manager geändert. Die Forderung nach Regulierung ist wieder laut geworden. Schwingt im Pionierland des Liberalismus das Pendel zurück, weg von der freien Wirtschaft hin zu mehr Staat?
Natürlich führt eine Katastrophe wie Enron zu einer Reaktion der Behörden. Es ist die Pflicht des Staates, zu untersuchen, ob nicht zusätzliche Sicherheitsmassnahmen erforderlich wären, um einen ähnlichen Missbrauch in Zukunft zu vermeiden. Andererseits muss man auch schauen, dass das Korsett nicht zu eng geschnürt wird. Sonst wird den Firmen jegliche Bewegungsfreiheit genommen. Der Ruf nach zusätzlichen Gesetzen und Regelungen ist verständlich. Aber wenn jemand die Regelungen missbrauchen will, wird er immer eine Gelegenheit dazu finden. Gesetzesbrecher sind eben Gesetzesbrecher, da kann man als Politiker so viele Regelungen erlassen, wie man will.
Wenn man von Ihrem Alter ausgeht, muss man fast enttäuscht sein, wie sich die Managergeneration nach Ihnen zeigt. Sie hat nicht nur mit der ganzen New Economy viel Schaden angerichtet, sondern auch Traditionsfirmen wie Swissair oder eben Enron an die Wand gefahren.
Man darf das nicht alles über einen Kamm scheren. Es stimmt: Die bisherigen traditionellen Firmen wurden gegenüber der New Economy abklassiert als Unternehmen von gestern, und die neuen Manager gaben sich viel cleverer. Das hat ja eine Weile lang funktioniert, auch an der Börse. Nun gab es den Kollaps, und man sieht Dinge wie die Telekom-Krise, das Dotcom-Sterben oder Enron. Ich sehe das ohne irgendwelche Genugtuung. Ich war auch nicht neidisch auf die Jungmanager der New Economy. Ich sagte mir nur, das Modell funktioniert nicht: Ständige Umsatzzunahme ohne Gewinn kann auf die Dauer nicht gut gehen. Was man jetzt sieht – und das wiederum sehe ich mit Genugtuung –, ist eine Rückkehr zu den wahren Werten, das heisst zu Firmen wie General Motors, die tatsächlichen Mehrwert produzieren.
Sie haben bei GM einen Dreijahresvertrag. Können Sie sich denn vorstellen, danach immer noch genug Begeisterung zu haben, um weiterzumachen?
Ich glaube schon, ja. Vielleicht heuere ich ja noch einmal bei einem anderen Unternehmen an. Vor 29 Jahren war ich schon einmal bei General Motors. Danach ging ich zu BMW. Wenn sich das Muster wiederholt, müsste ich also in ein paar Jahren wieder nach München wechseln (lacht).
Bob Lutz: Ich komme mir nicht so alt vor, sondern fühle mich sehr jugendlich und frisch – das heisst, normalerweise, heute nicht so sehr, weil ich nur drei Stunden geschlafen habe. Ich empfinde nach wie vor eine riesige Begeisterung für den Automobilbau. Ich habe eine kreative Seite. Und ich führe gerne, das gebe ich zu. Insgesamt leiste ich also sehr gerne meinen Beitrag zur weiteren Stärkung von General Motors.
Ist es nicht erstaunlich, in diesem Alter als Hoffnungsträger zu gelten?
Das ist schon ein bisschen komisch. Als Richard Wagoner, der CEO von General Motors, an der letztjährigen Pressekonferenz im September gefragt wurde, wie meine Einstellung mit dem bei GM obligatorischen Pensionsalter von 65 Jahren auf einen Nenner zu bringen sei, hat er auch erst einmal einen Moment überlegen müssen. Dann hat er gesagt, es sei tatsächlich so, dass bei GM jeder mit spätestens 65 in den Ruhestand zu gehen habe. Aber es stehe nirgends geschrieben, dass man 69-Jährige nicht anheuern dürfe.
Sehen Sie sich als Vorbild für die Zukunft, in der Menschen fit bleiben bis ins hohe Alter?
Ich glaube schon. Da bin ich vielleicht ein Vorreiter für eine kommende Generation von Managern, die mit 70 noch absolut fit sind, einen wertvollen Beitrag leisten können und daher auch noch nicht in Pension gehen sollten.
Wann ist generell der richtige Zeitpunkt für einen Topmanager, um abzutreten?
Wenn man entweder versagt hat – dann wird man in der Regel gegangen. Oder wenn man selber das Gefühl hat, dass es genug sei. Irgendwann einmal kommt im Leben der Moment, wo man nicht mehr will, nicht mehr mag, nicht mehr kann. Wenn man alles im Leben schon zehnmal gesehen hat, wenn die Begeisterung nicht mehr da ist, dann, finde ich, muss man aussteigen. Und ich glaube, das ist eher der Fall, wenn man beruflich auf einem Feld tätig ist, das einen nicht so ganz begeistert. Bei mir waren Hobby und Beruf, Gott sei Dank, nicht getrennt. Deswegen habe ich auch gar nicht das Bedürfnis aufzuhören.
Wie halten Sie sich fit?
Hauptsächlich durch Diät. Ich esse sozusagen kein tierisches Fett, nur ab und zu ein bisschen Käse, nie rotes Fleisch. Ich lebe hauptsächlich vegetarisch. Gesundheitlich bekommt mir das ausgezeichnet. Ich habe wenig Zeit für Sport. Als körperliche Betätigung betreibe ich nur Skilaufen. Dafür umso lieber mechanische Sportarten, sei es per Motorrad, Auto, Helikopter oder mit meinem Jagdflugzeug.
Sie fliegen immer noch Ihren Kampfjet, den Sie einst aus Restbeständen der tschechischen Armee gekauft haben?
Ja, klar. Sechs bis zehn Stunden im Monat. Und eine modernere amerikanische A4 «Skyhawk» habe ich auch noch. Es gibt jetzt zwei oder drei andere Kampfjet-Besitzer in der Nähe von Michigan, wo ich wohne, und da treffen wir uns recht häufig an einem Sonntag und fliegen Staffel.
Die Zähigkeit scheint bei Ihnen in der Familie zu liegen …
… ja, mein Vater ist 94. Er lebt übrigens in Zumikon. Bis vor drei Monaten fuhr er sogar noch Auto. Aber zuletzt häuften sich die unerklärlichen kleinen Karosserieschäden. Jetzt haben wir ihn überzeugt, dass es vernünftiger ist, einen Fahrer zu engagieren.
Gibt es einen Manager, den Sie als Vorbild haben oder bewundern?
Ich eifere niemandem nach. Aber es gibt Leute, die ich auf gewissen Gebieten sehr bewundere. Das Verständnis von Bilanzkennzahlen und die Bedeutung der finanziellen Disziplin habe ich von Harold Poling gelernt, der damals bei Ford Europa mein Chef war. Die Wichtigkeit des Designs habe ich von Bill Mitchell von General Motors mitbekommen. Die Art der Menschenführung und die Gewichtung des Korpsgeistes und der positiven Motivation stammen aus meiner Militärzeit im Marinekorps. Das ist fast 50 Jahre her. Aber meine Helden, was Führung angeht, sind wahrscheinlich immer noch gewisse Generäle.
Wie gehen Sie mit den enormen Erwartungen um, die an Sie geknüpft sind?
Das ist etwas schwieriger; insbesondere mit dem vorauseilenden Lob der Presse. Da kann ich nur mein Bestes tun, Dinge bewegen, Änderungen einführen, so schnell die Organisation diese absorbieren kann. Wenn man das zu schnell versucht, dann stösst man auf erbitterten Widerstand. Man muss ja die Leute mit sich ziehen können. Das gelingt in der Regel auch recht gut.
Inwiefern? Was haben Sie denn bisher erreicht?
Ziemlich tief greifende organisatorische Änderungen in der Art und Weise, wie die neuen Produkte bei GM kreiert werden. Die Stellung der Designabteilung ist wesentlich gestärkt worden. Bisher war das Design unserer Autos häufig eine Kompromisslösung, weil zu viele Leute mitreden durften. Mit dem Resultat, dass das Endergebnis langweilig war. Nun hat der Chefdesigner das letzte Wort. Das hat gleich für diverse Richtungsänderungen in der Ästhetik der Autos gesorgt, die wir momentan entwickeln.
In den USA, wo Sie auch noch die Funktion als Länderchef übernommen haben, verliert GM seit Jahren Marktanteile.
Das ist leider so. Ich hoffe, ich habe hier eine gewisse belebende Wirkung ausüben können auf die Organisation. Denn man darf die emotionale Seite der Führung nicht vergessen – das ist ein wichtiges Element des Erfolgs, besonders in den USA und besonders in einer Organisation, in der manche Manager seit 25 Jahren noch nie etwas anderes erlebt haben als einen ständigen Marktanteilszerfall. Die haben die Mentalität: Es ist unmöglich, Marktanteile zu gewinnen – unsere Aufgabe besteht darin, weitere Verluste zu verhindern. Das ist keine Siegermentalität. Ich dagegen bin von aussen neu dazugekommen, und vor allem habe ich, was Marktanteilsgewinne betrifft, eigentlich nur Erfolg gekannt. Ich glaube, dass ich die GM-Mentalität diesbezüglich bereits ein Stück weit ändern konnte.
Reicht das?
Es gibt Tage, an denen ich etwas bedrückt bin, weil ich mir sage, ich bin jetzt sechs Monate da, und es ist noch nicht alles anders. Und es gibt auch andere Tage, an denen ich mich daran erinnere, wie es vor sechs Monaten war, und sehe, wie es jetzt ist, da bin ich eigentlich recht zufrieden mit mir selber. Ich glaube, in einer dreijährigen Zeitspanne müsste ich so ziemlich das erreichen können, was man von mir erhofft und was ich mir selber zum Ziel gesetzt habe.
Das klingt ein bisschen nach One-Man-Show. Haben Sie denn alleine die Kraft, bei einem Giganten wie GM das Steuer herumzureissen?
Ich bin ja nicht der oberste Mann bei GM. Das ist Rick Wagoner. Er muss das Steuer herumreissen. Dass bei GM alle nur irgendwie denkbaren Lösungen ins Auge gefasst werden, wenn sie nur zum Erfolg führen, das schreibe ich Rick Wagoner zu. Aber dafür hat man ja Führungspersönlichkeiten. Und deshalb geht es Firmen unter der falschen Führung früher oder später schlecht. Und Firmen unter guter Führung geht es früher oder später gut. Das gilt übrigens auch für Staaten, politische Parteien, Schulen oder Universitäten.
Ihr grösstes Problemkind ist die Marke Opel …
… nicht mein Problemkind! Bei Opel bin ich nur in beratender, nicht in bestimmender Funktion, und ich helfe mit, das Produkt zu definieren.
Dann fragen wir halt anders: Das grösste Problemkind von GM ist die Marke Opel. Der Marktanteil fällt stetig, die Verluste liegen bei rund einer Milliarde Franken. Was passiert, wenn der fürs nächste Jahr angestrebte Turnaround nicht erreicht wird?
Das ist für mich eine hypothetische Frage. Die Weichen sind so gestellt, dass Opel bis Ende 2003 wieder zum Erfolg kommen wird. Was ich gesehen habe im Produktprogramm und was ich gesehen habe von der Führung unter Carl-Peter Forster, hat mein volles Vertrauen.
Seit Anfang Jahr wird heftig über die Zukunft der Marke Opel spekuliert. Wäre GM ohne Opel denkbar?
Nein, denn unsere Präsenz in Europa würde massiv eingeschränkt. Das ist das Schöne, dass eine Firma wie Opel in einem riesigen Verbund arbeiten kann. Das hat zwar manchmal Nachteile, aber in so einer Situation hat es riesige Vorteile. Denn GM wird es weder menschlich noch finanziell zulassen, dass Opel auf lange Sicht nicht erfolgreich ist. Wir werden, wenn notwendig, die volle finanzielle Macht von GM hinter Opel stellen, und Opel wird wieder erfolgreich werden. Etwas anderes ist nicht denkbar.
Was unterscheidet europäische von amerikanischen Automanagern?
Viel weniger, als sich die Geschmäcker der Autokäufer unterschieden! Der Manager braucht eine Kombination von Fähigkeiten: die spezifischen Fachkenntnisse der Industrie, die Eigenschaft, führen zu können, und darüber hinaus ein gewisses Gespür für den Markt. Wobei das Gespür für den Markt immer dasselbe ist – auch wenn der europäische Markt wie gesagt ein völlig anderer ist als der amerikanische. Der gute Automobilmanager kann sich mit der Zeit in den US-Markt einfühlen, auch wenn er aus Europa stammt, und der amerikanische Manager in den europäischen. Aber man muss im Markt leben und den Markt erleben.
In der Schweiz ist die Empörung gross über die Pensionszuschüsse der Herren Barnevik und Lindahl, die sich bei ihrem Abgang 148 beziehungsweise 85 Millionen Franken selber zugeschanzt haben. Barnevik sitzt auch im Verwaltungsrat von GM. Wären solche Vorkommnisse in den USA auch so ein grosses Thema?
Ich würde meinen, ja. Diese Dimension ist auch für US-Verhältnisse ungewöhnlich.
Nach der Enron-Pleite hat sich auch in den USA die Situation der Manager geändert. Die Forderung nach Regulierung ist wieder laut geworden. Schwingt im Pionierland des Liberalismus das Pendel zurück, weg von der freien Wirtschaft hin zu mehr Staat?
Natürlich führt eine Katastrophe wie Enron zu einer Reaktion der Behörden. Es ist die Pflicht des Staates, zu untersuchen, ob nicht zusätzliche Sicherheitsmassnahmen erforderlich wären, um einen ähnlichen Missbrauch in Zukunft zu vermeiden. Andererseits muss man auch schauen, dass das Korsett nicht zu eng geschnürt wird. Sonst wird den Firmen jegliche Bewegungsfreiheit genommen. Der Ruf nach zusätzlichen Gesetzen und Regelungen ist verständlich. Aber wenn jemand die Regelungen missbrauchen will, wird er immer eine Gelegenheit dazu finden. Gesetzesbrecher sind eben Gesetzesbrecher, da kann man als Politiker so viele Regelungen erlassen, wie man will.
Wenn man von Ihrem Alter ausgeht, muss man fast enttäuscht sein, wie sich die Managergeneration nach Ihnen zeigt. Sie hat nicht nur mit der ganzen New Economy viel Schaden angerichtet, sondern auch Traditionsfirmen wie Swissair oder eben Enron an die Wand gefahren.
Man darf das nicht alles über einen Kamm scheren. Es stimmt: Die bisherigen traditionellen Firmen wurden gegenüber der New Economy abklassiert als Unternehmen von gestern, und die neuen Manager gaben sich viel cleverer. Das hat ja eine Weile lang funktioniert, auch an der Börse. Nun gab es den Kollaps, und man sieht Dinge wie die Telekom-Krise, das Dotcom-Sterben oder Enron. Ich sehe das ohne irgendwelche Genugtuung. Ich war auch nicht neidisch auf die Jungmanager der New Economy. Ich sagte mir nur, das Modell funktioniert nicht: Ständige Umsatzzunahme ohne Gewinn kann auf die Dauer nicht gut gehen. Was man jetzt sieht – und das wiederum sehe ich mit Genugtuung –, ist eine Rückkehr zu den wahren Werten, das heisst zu Firmen wie General Motors, die tatsächlichen Mehrwert produzieren.
Sie haben bei GM einen Dreijahresvertrag. Können Sie sich denn vorstellen, danach immer noch genug Begeisterung zu haben, um weiterzumachen?
Ich glaube schon, ja. Vielleicht heuere ich ja noch einmal bei einem anderen Unternehmen an. Vor 29 Jahren war ich schon einmal bei General Motors. Danach ging ich zu BMW. Wenn sich das Muster wiederholt, müsste ich also in ein paar Jahren wieder nach München wechseln (lacht).
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