Man kann es drehen und wenden wie man will: Die Sache begann mit einem Streit. Und zwar im Jahr 1687. Damals begehrten in London einerseits der Pfarrer Edward Barlow und der Uhrmacher Thomas Tompion sowie andererseits ihr Kontrahent, der Uhrmacher Daniel Quare, gleichzeitig Patente für die Erfindung der Uhr mit Viertelstundenrepetition. Schlichten musste der englische König Jakob II. Und der entschied zu Gunsten des Einzelkämpfers Quare.

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Die Repetitionsuhr, von der hier die Rede ist, zählt unbestritten zu den komplexesten mechanischen Zeitmessern. Die aufwändige Zusatzfunktion gestattet es, die aktuelle Zeit mehr oder weniger genau akustisch wiederzugeben. Je nach Ausführung des Schlagwerkes unterscheidet man zwischen Uhren mit Viertelstunden-, Achtelstunden- (Siebenminuten), Fünfminuten- oder der Minutenrepetition. Letztere tut die Stunden, Viertelstunden sowie die anschliessend verstrichenen Minuten kund und debütierte gegen 1750. Die Zeit liess sich also auch in der Dunkelheit erfahren. Am Klang der teuren Mechanismen haperte es damals jedoch noch gewaltig. Daher widmete ihm der grösste aller Uhrmacher, Abraham-Louis Breguet (1747–1823), besondere Aufmerksamkeit. Seine Tonfeder liess Repetitionsuhren ab 1783 denn auch ausgesprochen harmonisch klingen.

Eine Understatement-uhr

Spätestens mit der Erfindung des elektrischen Lichtes im späten 19. Jahrhundert muss diese Uhrenspezies als Anachronismus gelten. Nach dieser Zeit fanden die tönenden Mechanismen allmäh- lich ihren Platz nicht nur in den Taschen, sondern auch an den Handgelenken betuchter Zeitgenossen. Optisch geben Repetitionsuhren indessen wenig her. In puristischer Ausführung gleichen sie ganz normalen Armbanduhren. Nur ein kleiner Drücker oder Schieber im linken Gehäuserand verrät den komplizierten Mechanismus unter dem Zifferblatt. Nicht zuletzt deshalb zeugen diese feinen Zeitmesser bis heute von echter Kennerschaft. Eine typische Understatement-Uhr.

Eine besonders komplizierte Variante der Schlagwerksuhr sind die Carillons (Glockenspiele). Repetitionswerke dieser Art unterscheiden sich von den anderen dadurch, dass sie die Viertelstunden mit drei Hämmern auf drei unterschiedlich gestimmte Tonfedern schlagen. Ganz oben in der Hierarchie rangiert die Grande Sonnerie. Wie eine Pendule schlägt sie die Stunden und Viertelstunden «im Vorbeigehen» völlig selbstständig. Auf Knopfdruck repetiert sie aber auch die Stunden, Viertelstunden und Minuten.

Um die Zeit akustisch darstellen zu können, benötigt das Schlagwerk Kraft. Diese erhält es durch die Betätigung eines Schiebers oder Drückers im Gehäuserand. Gleichzeitig löst dieser Vorgang auch den Schlagwerksmechanismus aus. Sofern Schieber oder Drücker nicht bis zum Anschlag geführt wurden, schlagen einfache Repetitionsuhren eine Zeit unvollständig. Bei feinen Konstruktionen verhindert dies die so genannte «Alles-oder-nichts-Sicherung». Sie repetieren, wie der Name schon sagt, alles oder eben nichts. Grand-Sonnerie-Zeitmesser besitzen für das Schlagwerk ein eigenes Federhaus. Hier reicht ein sanfter Knopfdruck, um die Klänge ertönen zu lassen.

Ein erstes Exemplar einer Schlagwerks-Armbanduhr dürfte Audemars Piguet 1892 für Louis Brandt gefertigt haben. In nennenswerter Stückzahl tauchten Minutenrepetitionen fürs Handgelenk ab etwa 1910 auf. Wegen des hohen Preises erfolgte die Herstellung meist nur auf feste Order hin. Als Spezialisten empfahlen sich Manufakturen wie Audemars Piguet, Patek Philippe oder Vacheron & Constantin. Die kostspieligen Rohwerke stammten häufig von Jämes Aubert, Louis-Elisée Piguet, Victorin Piguet oder LeCoultre. Einen zeitschlagenden Superlativ stellte die Uhrmacherschule im Vallée de Joux 1948 vor. Sein Durchmesser lag bei ganzen 13,53 Millimetern.

Erstaunliches Comeback

Nach längerer Klangpause feierte die Minutenrepetition ab 1986 zusammen mit der Renaissance der mechanischen Uhren ein ganz erstaunliches Comeback. Angefacht durch die Komplikationen-Hausse präsentierten Frédéric Piguet und Blancpain in besagtem Jahr ein völlig neues Uhrwerk dieser Art. Natürlich in extraflacher Ausführung. Andere Hersteller wie Audemars Piguet, Gérald Genta, Lémania (Breguet), Patek Philippe, Vacheron Constantin oder Roger Dubuis folgten. Wohlklingende Zeitmesser fürs Handgelenk offerieren – teilweise in Kooperation mit Komplikationen-Spezialisten wie Christophe Claret oder Renaud & Papi – zwischenzeitlich auch Bulgari, Daniel Roth, Franck Muller, Girard-Perregaux, IWC oder Ulysse Nardin.

Wie wohl keine andere Manufaktur ringt Patek Philippe seit Jahren um die Optimierung der akustischen Dimensionen. Dort besitzt neben handwerklichem Geschick Michel Navas ein feines Gespür für Klangqualitäten. Der Uhrmacher zeichnet bei Patek Philippe für die Fertigung der Schlagwerks-Armbanduhren verantwortlich. Aber der Chef hört mit! Nach Fertigstellung eines Meisterstücks führt kein Weg am Boss vorbei. Präsident Philippe Stern lässt es sich nicht nehmen, jedes Exemplar höchstpersönlich auf Wohlklang zu prüfen. Und was ihm nicht gefällt, erfährt Nachbesserung. Das Bemühen um Klänge in Do und So beginnt freilich nicht erst bei Michel Navas. Der führt letztlich «nur» das aus, was Ingenieure und Wissenschaftler erforscht haben.

Ideale Form und Länge

Die Anfänge von Patek Philippe auf dem Gebiet der Repetitionen reichen zurück bis 1986. Damals startete eine Kooperation mit der Technischen Hochschule in Lausanne zur Ermittlung massgeblicher Klangparameter. Inzwischen weiss man in den Genfer Ateliers recht genau Bescheid über die ideale Form und Länge der alles entscheidenden Tonfeder. Die neuen Exemplare vom Typ Cathedral sind daher mehr als eineinhalbfach so lang wie konventionelle. Dadurch senden sie mehr hörbare Wellen aus, nähert sich der Klang demjenigen einer Taschenuhr. Allerdings müssen die doppelt gewendelten Tonfedern extrem präzise gefertigt werden, damit sie nicht aneinander schlagen und so das Klangerlebnis stören. Beim Gehäusematerial sind weiterhin Kompromisse gefragt. Stahl oder Messing wären optimal. Luxuriöse Materialien wie Gold oder das trendige Platin bringen hingegen Abstriche mit sich. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Druck, mit dem das komplexe Uhrwerk im Resonanzkörper, sprich Gehäuse, befestigt wird. Erst wenn alle Aspekte stimmen, können Repetitions-Armbanduhren wie Taschenuhren dieses Genres klingen. Nur an der Lautstärke hapert es mangels Volumen weiterhin. Die ehernen Gesetze der Physik können selbst ambitionierte Forscher nicht überlisten.

Auf jeden Fall bleiben Armbanduhren dieser Art selbst in Zeiten computergesteuerter Ebauches-Fertigung weiterhin eine Rarität. Mit Konstruktion und Produktion von 300 Komponenten oder mehr ist es nämlich bei weitem nicht getan. Alle Teile müssen sorgsam feinbearbeitet sowie mühevoll von Hand zu einem sensiblen Mikrokosmos zusammengefügt werden. Und das erfordert jene Zeit, welche bekanntlich Geld ist. Hinzu kommt, dass allein schon die Rohwerke angesichts minimaler Stückzahlen, auf welche sich die hohen Entwicklungskosten umlegen lassen, extrem teuer sind. In diesem Sinne wird sich die akustische Dimension der Zeit auch künftig nur solchen Zeitgenossen erschliessen, die es sich leisten können, das Aussergewöhnliche zum Mass ihrer Ansprüche zu machen.

Ausgesprochen kostspielig

Eine Armbanduhr mit Repetitionsschlagwerk kauft man wahrlich nicht «en passant». Dazu muss schlicht und einfach zu viel Geld in die Hand genommen werden. Neue Exemplare aus durchwegs guten Häusern sind nämlich kaum unter 100000 Schweizer Franken erhältlich. Preisgünstigeres ist gegebenenfalls auf dem Second-Hand-Markt zu haben. Doch hier ist speziell bei dieser Komplikation extreme Vorsicht geboten. Analog zu Herstellung und Kaufpreis sind auch Wartung und Reparatur ausgesprochen kostspielig. Feld-, Wald- und Wiesenuhrmachern darf man diese Kostbarkeiten deshalb unter keinen Umständen anvertrauen. Im Allgemeinen werden sich ehrliche Handwerker ohne einschlägige Erfahrung aber auch nicht an ultrakomplexe Minutenrepetitionen wagen. Am besten schaltet man den Kundendienst des Herstellers ein.

Aufgepasst heisst es auch beim Erwerb von Minutenrepetitionen aus früheren Epochen. Neben Originalstücken tauchen immer wieder Transformationen oder Mariagen auf. Hierbei handelt es sich entweder um umgebaute Damentaschenuhren oder um entsprechende Werke, die mit neuen Gehäusen versehen wurden. Neben Vertrauen zum Anbieter spielt in diesem Fall die persönliche Einstellung zur Sache eine ganz entscheidende Rolle. Erfahrungsgemäss gestaltet sich der Wiederverkauf derartiger Armbanduhren eher schwierig. Billiger wird es, wenn man sich mit einfacheren Schlagwerken begnügt. Beispielsweise gab es Mitte der Dreissigerjahre des letzten Jahrhunderts den «Driva Repeater», ein rechteckiges Modell mit Viertelrepetition, gedacht für breitere Bevölkerungsschichten. Rund 1500 Exemplare wurden davon gefertigt. 1957 offerierte Angelus seinen Automatik-«Tinkler» mit Viertelrepetition und Stahlgehäuse in einer Edition von 100 Exemplaren. Erfolgreicher war eine modular aufgebaute und deshalb relativ preiswerte Armbanduhr mit Fünfminutenrepetition, welche einer Kooperation von Dubois Dépraz und Kelek entsprang.

So rar wie die klingenden Sammlerstücke ist auch die einschlägige Literatur. Monographien sind nicht bekannt. Interessierten bleibt nur die Möglichkeit, allgemeine Bücher über Armbanduhren, Publikationen über hochrangige Uhrenmarken oder Auktionskataloge thematisch zu durchforsten. Oder man surft ganz zeitgemäss im Internet. Aber auch hier ist Hintergründiges so selten wie eben alles Vorzügliche.

Gisbert L. Brunner ist Fachjournalist in München mit Spezialgebiet Uhren.

VORSICHT BEIM KAUF

1. Wenn Sie nicht ein absoluter Kenner sind, sollten Sie eine Uhr dieses Typs nur beim ausgewiesenen Fachhändler kaufen.

2. Minutenrepetitionen gehören zu den teuersten Armbanduhren überhaupt und sie lassen sich nicht problemlos wiederverkaufen.

3. Informieren Sie sich vor dem Kauf über das ganze Angebot. Surfen Sie zur Information im Internet, aber kaufen Sie dort nicht, auch wenn der günstig scheinende Preis noch so verlockend ist. Eine Uhr vom Kaliber einer Minutenrepetition muss man einfach vor dem Kauf in Händen gehalten haben.

4. Falls Sie in einem Auktionskatalog fündig werden, vor dem Mitbieten zuerst einen unabhängigen Fachmann konsultieren.

5. Holen Sie sich beim Kundendienst des Herstellers Informationen. Ausschliesslich dorthin sollten Sie sich später auch für Reparaturen und Servicearbeiten wenden.

6. Literatur: «Alte Uhren und moderne Zeitmessung», Jahrgang 1986, Heft 2 und 3.