BILANZ: Herr Bogle, ist der Name Robert E. Turner für Sie ein rotes Tuch?
John Bogle: Warum fragen Sie?
Herr Turner verwaltet seit Juni letzten Jahres den Vanguard Growth Equity Fund, und der gilt in der Branche als einer der am aggressivsten gemanagten Anlagefonds. Torpediert Turner nicht, wofür die Vanguard Group als Vorreiter der Indexfonds und Sie als ihr Gründer jahrzehntelang eingetreten sind?
Wissen Sie, ich bin ja schon seit geraumer Zeit nicht mehr aktiv im Vanguard-Vorstand tätig. Da redet man dem Management nur ungern ins Tagesgeschäft hinein. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Natürlich hat Bob Turner einen sehr markanten Investment-Stil …
… mit Fokus auf Wachstumswerte, starker Gewichtung von Technologietiteln, aggressivem Momentum-Investing mit einem Portfolio-Turnover von über 150 Prozent pro Jahr.
Genau das sind die Stichworte. Das ist in der Tat ein Stil, der meilenweit vom Verwalten indexierter Anlagen entfernt ist. Trotzdem ist unser persönliches Verhältnis ausgezeichnet. Im Übrigen hat der Vanguard Growth Equity Fund zuletzt nicht viel besser abgeschnitten als der Vanguard Growth Index Fund – wenn Sie so wollen, registriere ich das natürlich mit einer gewissen Genugtuung.
Dabei liegt Turner sogar noch ausgesprochen gut. Rund 80 Prozent der aktiv verwalteten US-Fonds schnitten in den letzten zehn Jahren schlechter ab als der S&P-500-Index. Warum erzielen die meisten Aktivanlagen eine schlechtere Rendite als Ihr Benchmark?
Die simple Antwort lautet: Kosten. Kosten wie Verwaltungs- oder Broker-Gebühren führen bei aktiv verwalteten Anlagen zu einer gewaltigen Hürde, die erst einmal überwunden werden muss, um besser zu sein als der Marktdurchschnitt. Und das ist verdammt schwer. Die Kosten bei den aktiv verwalteten Fonds belaufen sich im Schnitt auf rund 1,5 Prozent des Fondsvermögens gegenüber 0,25 Prozent bei Indexfonds. Unser Vanguard-S&P-500-Index kommt sogar mit 0,18 Prozent aus. Hinzu kommen die höheren Steuerbelastungen der Aktivanlagen.
Und der Index?
Beim Indexfonds entfallen die Kosten für die Fondsmanager und für die ihm zuarbeitenden Analysten. Zudem sind die Kommissionen niedriger, da Indexfonds nicht aktiv umgeschichtet werden müssen. Nur wenn Aktien im Index ausgetauscht werden, muss der Fonds dies nachvollziehen. Ein Index stellt immer eine mathematische Konstruktion dar, die unterstellt, dass beim Erwerb der Wertpapiere keine Transaktionskosten anfallen, Aktien und Obligationen auch zu Bruchteilen erworben werden können, Dividenden und Zinsen sofort und kostenfrei investiert werden und keine steuerlichen Beschränkungen vorliegen. Über die letzten 20 Jahre sind die Kosten ständig runtergegangen, während sich die Qualität laufend verbessert hat. Der so genannte Tracking-Error – die erwartete Standardabweichung vom Index – liegt bei passiven Aktienfonds in entwickelten Märkten heute deutlich unter einem Prozent pro Jahr.
Mit anderen Worten: Sie würden in keinen aktiv verwalteten Fonds investieren?
Nein, denn es gibt keinen Beweis dafür, dass diese in der Breite den Markt schlagen können. Schauen Sie sich die Statistik an: Wenn man vor 50 Jahren 1000 Dollar in den Index investiert hätte, wäre das Kapital heute auf 515 000 Dollar angewachsen. Dieselben 1000 Dollar in einen durchschnittlichen Fonds investiert, wären gerade einmal 55000 Dollar wert. Natürlich können Sie in jedem beliebigen Jahr die Kosten für einen aktiv verwalteten Fonds vernachlässigen, aber wenn man Jahr für Jahr 1 oder 1,5 oder gar 2,5 Punkte herausnimmt, ist das auf lange Sicht verheerend. Die Croupiers in dem genannten Beispiel, die aktiven, verwaltenden Anlagegesellschaften und die Steuerbehörden, haben 86 Prozent der Wertentwicklung kassiert, während dem Anleger magere 14 Prozent bleiben. Dabei hat er 100 Prozent des Kapitals zur Verfügung gestellt und 100 Prozent des Risikos getragen. Ich finde, in dieser Rechnung stimmt etwas nicht.
Gleichwohl werden Fondsmanager heute gefeiert wie Popstars.
Ich habe immer gesagt, dass es in der Welt des Investment-Managements kaum Stars, aber viele Kometen gibt. Die erleuchten für kurze Zeit das Firmament, um anschliessend zu verglühen, und ihre Asche schwebt friedlich zurück zur Erde. Leute wie Warren Buffet oder Peter Lynch, die über einen dauerhaften Zeitraum die Märkte geschlagen haben, bleiben die ganz grossen Ausnahmen.
Warum ist das so?
Weil ein Manager an einem guten Tag zu 55 Prozent richtige Entscheidungen trifft. Oft hat er aber auch schlechte Tage, das ist menschlich. Wer zu 70 Prozent richtig entscheidet, dem würde innerhalb kürzester Zeit das Vermögen dieser Welt zu Füssen liegen. Rein statistisch steht die Chance für einen aktiven Manager, über die nächsten 30 Jahre den Index zu schlagen, nur 1 zu 33. Das ist keine Quote, mit der ich mich als Investor zufrieden geben würde.
Gilt diese Chancenungleichheit nur für den amerikanischen Markt oder auch für europäische Börsenplätze?
Indexanlagen sind besonders in jenen Märkten erfolgreich, die äusserst effizient sind. Da gibt es zu viele Profis, welche die gleichen Aktien verfolgen und die gleichen Informationen erhalten. Somit hat der Verwalter kaum eine Chance, konstant besser anzulegen als der Marktdurchschnitt. Wenn ich als Anleger also langfristig vom Wachstum etwa der schweizerischen Wirtschaft profitieren will, sollten Indexfonds das Investment der Wahl sein. Das Gleiche gilt für alle anderen entwickelten Börsen der westlichen Welt, sogar für Finnland oder Kanada, obwohl Sie dort mit dem jeweiligen Index zu 60 Prozent in Nokia beziehungsweise zu 28 Prozent in Nortel investiert sind. Je kleiner die zu Grunde liegende Basis ist, desto grösser die Wahrscheinlichkeit, dass der Index gewinnt.
Aktive Manager haben aber in fallenden Märkten den Vorteil, dass sie eine Bargeldposition halten können.
Theoretisch ja. Aber unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass sie kaum in der Lage sind, den Markt zu timen. Die aktiven Manager sassen auf zwölf Prozent Cash, als vor zwölf Jahren der Bullenmarkt begann, und auf vier Prozent Cash im März 2000, als er sein All-Time-High erreichte. Die waren bullish, als sie bearish hätten sein sollen und bearish, als sie bullish hätten sein sollen. Das ist nicht gerade eine Formel für Erfolg. Insgesamt erhalten Indexanleger einen durchschnittlichen Return in fallenden und einen überdurchschnittlichen in steigenden Märkten.
Der Fondsindustrie hat ihr schwaches Abschneiden freilich nicht geschadet.
Das Investmentgeschäft ist zu einem Marketinggeschäft verkommen, zu einem wahren Supermarkt. Sobald die Marketingstrategen irgendeinen vermeintlichen Trend aufgespürt haben, wird kurze Zeit später ein entsprechender Fonds aufgelegt. Läuft er nicht, wird er wieder aus dem Regal geräumt. Über die Hälfte aller Fonds, die noch in den Neunzigerjahren angeboten wurden, sind heute von der Bildfläche verschwunden. Und die Kunden sind quasi Teil der Verschwörung. Die Halteperiode eines Fonds ist von früher zwölf Jahren auf gerade mal zwei Jahre gesunken. Die Anleger verdrängen die jüngsten Pleiten aus ihrem Kurzzeitgedächtnis und jagen fieberhaft den neuesten Moden und vermeintlich überdurchschnittlichen Renditen hinterher.
Das können Sie ihnen doch nicht ernsthaft zum Vorwurf machen.
Natürlich nicht. Das alte Paradigma «Hoffnung, Angst und Gier» wird für alle Ewigkeit die Finanzmärkte bestimmen. Dem Spekulanten geht es ja wie dem Mann, der zum zweiten Mal heiratet: Die Hoffnung triumphiert über die Erfahrung. Was ich den Investmentgesellschaften allerdings vorwerfe, ist, dass sie dem öffentlichen Geschmack hinterherhecheln. Ihre Aufgabe sollte darin bestehen, das Geld der Kunden verantwortungsbewusst zu verwalten. Nicht um damit zu spielen, sondern um ihnen dabei zu helfen, sich eine Rente oder Versicherung anzusparen. Wer dieser Philosophie folgt, ruft nicht alle vierzehn Tage seinen Kunden an und sagt ihm: «Bitte investiere ganz schnell in diesen tollen Internetfonds, den wir gerade aufgelegt haben.» Er trägt vielmehr eine professionelle Verantwortung. Das ist, was ich Rückgrat und aufrechten Gang nenne. Und davon gibt es in diesem Geschäft viel zu wenig.
Investmenthäuser können doch nicht die Hüter einer höheren Moral sein. Sie sind Wirtschaftsunternehmen, die gesellschaftliche Befindlichkeiten allenfalls widerspiegeln.
Durchaus richtig, ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen: Sie sind kein Spiegel, sondern ein Vergrösserungsglas. Biedere Bürger werden plötzlich zu Daytradern, die das Familiensilber verzocken, nur weil sie die Börsenperformance ihres Nachbarn schlagen wollen …
… und keine 20 oder 30 Jahre warten wollen, um die Früchte ihres Investments zu ernten.
Richtig, die wollen zählbare Ergebnisse spätestens übermorgen. Was mich stört, ist, dass die Investmentbranche gegen ihr besseres Wissen diese Spezies des hektischen Investors mit passenden Produkten bedient. Das ist höchst fahrlässig, denn es gibt im Leben eines Anlegers Eckdaten, die sich nicht wegdiskutieren lassen. Mit 22 Jahren beginnen junge Menschen im Schnitt mit der Sicherung ihrer Altersversorgung, mit 65 Jahren gehen sie in Rente, ihre Lebenserwartung beträgt dann rund weitere 20 Jahre. Das sind die Zeiträume, die ein Anleger im Auge behalten muss. Um erfolgreich zu investieren, braucht er dabei fünf Eigenschaften: Geduld und Ausdauer, realistische Erwartungen, Sparsamkeit und einen gesunden Menschenverstand. Emotional gesteuerte Menschen oder solche, die jeder Kursturbulenz hektisch entgegenwirken, sind im Börsengeschehen deplatziert.
Unterschätzen Sie nicht den Reiz der Börse als Nervenkitzel? Besonders aufregend ist die Geldanlage in Indexfonds ja nicht.
Ganz im Gegenteil: Sie ist stinklangweilig. Indexanlagen haben aber auch nicht den Anspruch, aufregend, sondern konstant und günstig zu sein.
Und wer dennoch an der Börse zocken will?
Dem rate ich, fünf Prozent seines Vermögens – und keinen Rappen mehr – als Spielgeld einzusetzen. Spekulieren Sie damit, stecken Sie es von mir aus in riskante Einzelwerte. Aber versuchen Sie um Himmels willen nicht, auf diese Weise Ihre finanzielle Zukunft zu sichern.
Sind Ihnen als Pionier der Indexfonds die so genannten Indexaktien ein Dorn im Auge, die heute munter an der Börse gehandelt werden?
Sehen Sie, die 1993 eingeführten S&P Depositary Receipts, die so genannten Spiders, sind inzwischen das umsatzstärkste Wertpapier an der Amex-Börse. Die neuen Aktien auf den Nasdaq-100-Index werden mit einem Turnover von 800 Prozent pro Jahr gehandelt. Das ist die Halteperiode eines Spekulanten, nicht die eines seriösen Investors. Und welchem Zweck dient das Ganze? Ich kann Ihnen das nicht beantworten.
Hassen die Fondsmanager und die Investmentbanken Sie für Ihre Ansichten?
Sagen wir es mal so: Die sind nicht gerade wahnsinnig verliebt in mich. Und das aus zwei Gründen: Zum einen verdienen sie mit Indexfonds viel weniger Geld. Zum anderen gestehen sie als Vermögensverwalter indirekt ein, dass sie es nicht besser als der Markt können.
Der jüngste Abschwung an den Finanzmärkten hat vielen Anlegern vor Augen geführt, dass es nicht so einfach ist, Geld an der Börse zu verdienen. Sind Sie froh darüber?
In gewisser Weise ja. Die Leute merken endlich, dass ihr Investmentfonds vielleicht doch nicht so tolle Ergebnisse abgeliefert hat und die Kosten vergleichsweise hoch sind. In einem Markt mit fünf Prozent Rendite bleibt nicht viel übrig. Wer glaubte, sein Fondsmanager sei ein Magier, ist spätestens jetzt eines Besseren belehrt worden. Um nicht missverstanden zu werden: Ich würde nie jemandem raten, aus der Börse auszusteigen. Ich hätte gar nicht genug Grips dazu. Und ich bezweifle, dass irgendjemand genügend Grips dazu hat.
Wann haben Sie zum letzten Mal einen Einzelwert gekauft?
Das dürfte so um die 20 Jahre her sein. Es hat sich allerdings schnell herausgestellt, dass ich dabei nicht sonderlich erfolgreich war. Zudem hat es mich unglaublich genervt, wenn mein Bankberater mich ständig mit irgendwelchen neuen Empfehlungen angerufen hat. Es gibt allerdings eine Ausnahme. Ich habe immer Aktien von Unternehmen gehalten, bei denen ich ein Aufsichtsratsmandat habe.
Mit Verlaub, das nehmen wir Ihnen nicht ganz ab. Jemandem, der intensiv die Märkte beobachtet, muss es doch zuweilen in den Fingern jucken, etwa wenn er das Gefühl hat, ein Titel sei zu Unrecht und nur auf Grund wilder Gerüchte heruntergeprügelt worden.
Da haben Sie mich aber durchschaut! Selbstverständlich reizt mich das manchmal gewaltig. Zuletzt habe ich im vergangenen März bei einem Kurs von 42000 Dollar intensiv mit Warren Buffetts Berkshire Hathaway geflirtet und hätte um Haaresbreite zugeschlagen. Aber ich habe im letzten Moment die Selbsthilfegruppe der Anonymen Anleger angerufen. Die haben mich am Telefon dann davon abgebracht (schmunzelt). Zu Ihrer Information: Die Gruppe gibt es natürlich nicht wirklich.
Versuchen Leute auf Stehpartys häufig, Sie zu einer Prognose des Marktes zu bewegen?
Ja, andauernd, und das endet meist ganz lustig. Ich blicke denen einige Sekunden lang tief in die Augen und sage: Ich habe absolut keine Ahnung!
Was die Ihnen natürlich nicht abkaufen.
Wahrscheinlich nicht. Die nicken meist leicht beleidigt, als wollten sie sagen: Der Kerl weiss das natürlich, hält aber damit hinterm Berg. Damit lässt es sich im Übrigen ganz prima leben: Ich habe den Ruf, alles über die Finanzmärkte zu wissen, ohne jemals wirklich auf die Probe gestellt zu werden.
John Bogle: Warum fragen Sie?
Herr Turner verwaltet seit Juni letzten Jahres den Vanguard Growth Equity Fund, und der gilt in der Branche als einer der am aggressivsten gemanagten Anlagefonds. Torpediert Turner nicht, wofür die Vanguard Group als Vorreiter der Indexfonds und Sie als ihr Gründer jahrzehntelang eingetreten sind?
Wissen Sie, ich bin ja schon seit geraumer Zeit nicht mehr aktiv im Vanguard-Vorstand tätig. Da redet man dem Management nur ungern ins Tagesgeschäft hinein. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Natürlich hat Bob Turner einen sehr markanten Investment-Stil …
… mit Fokus auf Wachstumswerte, starker Gewichtung von Technologietiteln, aggressivem Momentum-Investing mit einem Portfolio-Turnover von über 150 Prozent pro Jahr.
Genau das sind die Stichworte. Das ist in der Tat ein Stil, der meilenweit vom Verwalten indexierter Anlagen entfernt ist. Trotzdem ist unser persönliches Verhältnis ausgezeichnet. Im Übrigen hat der Vanguard Growth Equity Fund zuletzt nicht viel besser abgeschnitten als der Vanguard Growth Index Fund – wenn Sie so wollen, registriere ich das natürlich mit einer gewissen Genugtuung.
Dabei liegt Turner sogar noch ausgesprochen gut. Rund 80 Prozent der aktiv verwalteten US-Fonds schnitten in den letzten zehn Jahren schlechter ab als der S&P-500-Index. Warum erzielen die meisten Aktivanlagen eine schlechtere Rendite als Ihr Benchmark?
Die simple Antwort lautet: Kosten. Kosten wie Verwaltungs- oder Broker-Gebühren führen bei aktiv verwalteten Anlagen zu einer gewaltigen Hürde, die erst einmal überwunden werden muss, um besser zu sein als der Marktdurchschnitt. Und das ist verdammt schwer. Die Kosten bei den aktiv verwalteten Fonds belaufen sich im Schnitt auf rund 1,5 Prozent des Fondsvermögens gegenüber 0,25 Prozent bei Indexfonds. Unser Vanguard-S&P-500-Index kommt sogar mit 0,18 Prozent aus. Hinzu kommen die höheren Steuerbelastungen der Aktivanlagen.
Und der Index?
Beim Indexfonds entfallen die Kosten für die Fondsmanager und für die ihm zuarbeitenden Analysten. Zudem sind die Kommissionen niedriger, da Indexfonds nicht aktiv umgeschichtet werden müssen. Nur wenn Aktien im Index ausgetauscht werden, muss der Fonds dies nachvollziehen. Ein Index stellt immer eine mathematische Konstruktion dar, die unterstellt, dass beim Erwerb der Wertpapiere keine Transaktionskosten anfallen, Aktien und Obligationen auch zu Bruchteilen erworben werden können, Dividenden und Zinsen sofort und kostenfrei investiert werden und keine steuerlichen Beschränkungen vorliegen. Über die letzten 20 Jahre sind die Kosten ständig runtergegangen, während sich die Qualität laufend verbessert hat. Der so genannte Tracking-Error – die erwartete Standardabweichung vom Index – liegt bei passiven Aktienfonds in entwickelten Märkten heute deutlich unter einem Prozent pro Jahr.
Mit anderen Worten: Sie würden in keinen aktiv verwalteten Fonds investieren?
Nein, denn es gibt keinen Beweis dafür, dass diese in der Breite den Markt schlagen können. Schauen Sie sich die Statistik an: Wenn man vor 50 Jahren 1000 Dollar in den Index investiert hätte, wäre das Kapital heute auf 515 000 Dollar angewachsen. Dieselben 1000 Dollar in einen durchschnittlichen Fonds investiert, wären gerade einmal 55000 Dollar wert. Natürlich können Sie in jedem beliebigen Jahr die Kosten für einen aktiv verwalteten Fonds vernachlässigen, aber wenn man Jahr für Jahr 1 oder 1,5 oder gar 2,5 Punkte herausnimmt, ist das auf lange Sicht verheerend. Die Croupiers in dem genannten Beispiel, die aktiven, verwaltenden Anlagegesellschaften und die Steuerbehörden, haben 86 Prozent der Wertentwicklung kassiert, während dem Anleger magere 14 Prozent bleiben. Dabei hat er 100 Prozent des Kapitals zur Verfügung gestellt und 100 Prozent des Risikos getragen. Ich finde, in dieser Rechnung stimmt etwas nicht.
Gleichwohl werden Fondsmanager heute gefeiert wie Popstars.
Ich habe immer gesagt, dass es in der Welt des Investment-Managements kaum Stars, aber viele Kometen gibt. Die erleuchten für kurze Zeit das Firmament, um anschliessend zu verglühen, und ihre Asche schwebt friedlich zurück zur Erde. Leute wie Warren Buffet oder Peter Lynch, die über einen dauerhaften Zeitraum die Märkte geschlagen haben, bleiben die ganz grossen Ausnahmen.
Warum ist das so?
Weil ein Manager an einem guten Tag zu 55 Prozent richtige Entscheidungen trifft. Oft hat er aber auch schlechte Tage, das ist menschlich. Wer zu 70 Prozent richtig entscheidet, dem würde innerhalb kürzester Zeit das Vermögen dieser Welt zu Füssen liegen. Rein statistisch steht die Chance für einen aktiven Manager, über die nächsten 30 Jahre den Index zu schlagen, nur 1 zu 33. Das ist keine Quote, mit der ich mich als Investor zufrieden geben würde.
Gilt diese Chancenungleichheit nur für den amerikanischen Markt oder auch für europäische Börsenplätze?
Indexanlagen sind besonders in jenen Märkten erfolgreich, die äusserst effizient sind. Da gibt es zu viele Profis, welche die gleichen Aktien verfolgen und die gleichen Informationen erhalten. Somit hat der Verwalter kaum eine Chance, konstant besser anzulegen als der Marktdurchschnitt. Wenn ich als Anleger also langfristig vom Wachstum etwa der schweizerischen Wirtschaft profitieren will, sollten Indexfonds das Investment der Wahl sein. Das Gleiche gilt für alle anderen entwickelten Börsen der westlichen Welt, sogar für Finnland oder Kanada, obwohl Sie dort mit dem jeweiligen Index zu 60 Prozent in Nokia beziehungsweise zu 28 Prozent in Nortel investiert sind. Je kleiner die zu Grunde liegende Basis ist, desto grösser die Wahrscheinlichkeit, dass der Index gewinnt.
Aktive Manager haben aber in fallenden Märkten den Vorteil, dass sie eine Bargeldposition halten können.
Theoretisch ja. Aber unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass sie kaum in der Lage sind, den Markt zu timen. Die aktiven Manager sassen auf zwölf Prozent Cash, als vor zwölf Jahren der Bullenmarkt begann, und auf vier Prozent Cash im März 2000, als er sein All-Time-High erreichte. Die waren bullish, als sie bearish hätten sein sollen und bearish, als sie bullish hätten sein sollen. Das ist nicht gerade eine Formel für Erfolg. Insgesamt erhalten Indexanleger einen durchschnittlichen Return in fallenden und einen überdurchschnittlichen in steigenden Märkten.
Der Fondsindustrie hat ihr schwaches Abschneiden freilich nicht geschadet.
Das Investmentgeschäft ist zu einem Marketinggeschäft verkommen, zu einem wahren Supermarkt. Sobald die Marketingstrategen irgendeinen vermeintlichen Trend aufgespürt haben, wird kurze Zeit später ein entsprechender Fonds aufgelegt. Läuft er nicht, wird er wieder aus dem Regal geräumt. Über die Hälfte aller Fonds, die noch in den Neunzigerjahren angeboten wurden, sind heute von der Bildfläche verschwunden. Und die Kunden sind quasi Teil der Verschwörung. Die Halteperiode eines Fonds ist von früher zwölf Jahren auf gerade mal zwei Jahre gesunken. Die Anleger verdrängen die jüngsten Pleiten aus ihrem Kurzzeitgedächtnis und jagen fieberhaft den neuesten Moden und vermeintlich überdurchschnittlichen Renditen hinterher.
Das können Sie ihnen doch nicht ernsthaft zum Vorwurf machen.
Natürlich nicht. Das alte Paradigma «Hoffnung, Angst und Gier» wird für alle Ewigkeit die Finanzmärkte bestimmen. Dem Spekulanten geht es ja wie dem Mann, der zum zweiten Mal heiratet: Die Hoffnung triumphiert über die Erfahrung. Was ich den Investmentgesellschaften allerdings vorwerfe, ist, dass sie dem öffentlichen Geschmack hinterherhecheln. Ihre Aufgabe sollte darin bestehen, das Geld der Kunden verantwortungsbewusst zu verwalten. Nicht um damit zu spielen, sondern um ihnen dabei zu helfen, sich eine Rente oder Versicherung anzusparen. Wer dieser Philosophie folgt, ruft nicht alle vierzehn Tage seinen Kunden an und sagt ihm: «Bitte investiere ganz schnell in diesen tollen Internetfonds, den wir gerade aufgelegt haben.» Er trägt vielmehr eine professionelle Verantwortung. Das ist, was ich Rückgrat und aufrechten Gang nenne. Und davon gibt es in diesem Geschäft viel zu wenig.
Investmenthäuser können doch nicht die Hüter einer höheren Moral sein. Sie sind Wirtschaftsunternehmen, die gesellschaftliche Befindlichkeiten allenfalls widerspiegeln.
Durchaus richtig, ich würde sogar noch einen Schritt weitergehen: Sie sind kein Spiegel, sondern ein Vergrösserungsglas. Biedere Bürger werden plötzlich zu Daytradern, die das Familiensilber verzocken, nur weil sie die Börsenperformance ihres Nachbarn schlagen wollen …
… und keine 20 oder 30 Jahre warten wollen, um die Früchte ihres Investments zu ernten.
Richtig, die wollen zählbare Ergebnisse spätestens übermorgen. Was mich stört, ist, dass die Investmentbranche gegen ihr besseres Wissen diese Spezies des hektischen Investors mit passenden Produkten bedient. Das ist höchst fahrlässig, denn es gibt im Leben eines Anlegers Eckdaten, die sich nicht wegdiskutieren lassen. Mit 22 Jahren beginnen junge Menschen im Schnitt mit der Sicherung ihrer Altersversorgung, mit 65 Jahren gehen sie in Rente, ihre Lebenserwartung beträgt dann rund weitere 20 Jahre. Das sind die Zeiträume, die ein Anleger im Auge behalten muss. Um erfolgreich zu investieren, braucht er dabei fünf Eigenschaften: Geduld und Ausdauer, realistische Erwartungen, Sparsamkeit und einen gesunden Menschenverstand. Emotional gesteuerte Menschen oder solche, die jeder Kursturbulenz hektisch entgegenwirken, sind im Börsengeschehen deplatziert.
Unterschätzen Sie nicht den Reiz der Börse als Nervenkitzel? Besonders aufregend ist die Geldanlage in Indexfonds ja nicht.
Ganz im Gegenteil: Sie ist stinklangweilig. Indexanlagen haben aber auch nicht den Anspruch, aufregend, sondern konstant und günstig zu sein.
Und wer dennoch an der Börse zocken will?
Dem rate ich, fünf Prozent seines Vermögens – und keinen Rappen mehr – als Spielgeld einzusetzen. Spekulieren Sie damit, stecken Sie es von mir aus in riskante Einzelwerte. Aber versuchen Sie um Himmels willen nicht, auf diese Weise Ihre finanzielle Zukunft zu sichern.
Sind Ihnen als Pionier der Indexfonds die so genannten Indexaktien ein Dorn im Auge, die heute munter an der Börse gehandelt werden?
Sehen Sie, die 1993 eingeführten S&P Depositary Receipts, die so genannten Spiders, sind inzwischen das umsatzstärkste Wertpapier an der Amex-Börse. Die neuen Aktien auf den Nasdaq-100-Index werden mit einem Turnover von 800 Prozent pro Jahr gehandelt. Das ist die Halteperiode eines Spekulanten, nicht die eines seriösen Investors. Und welchem Zweck dient das Ganze? Ich kann Ihnen das nicht beantworten.
Hassen die Fondsmanager und die Investmentbanken Sie für Ihre Ansichten?
Sagen wir es mal so: Die sind nicht gerade wahnsinnig verliebt in mich. Und das aus zwei Gründen: Zum einen verdienen sie mit Indexfonds viel weniger Geld. Zum anderen gestehen sie als Vermögensverwalter indirekt ein, dass sie es nicht besser als der Markt können.
Der jüngste Abschwung an den Finanzmärkten hat vielen Anlegern vor Augen geführt, dass es nicht so einfach ist, Geld an der Börse zu verdienen. Sind Sie froh darüber?
In gewisser Weise ja. Die Leute merken endlich, dass ihr Investmentfonds vielleicht doch nicht so tolle Ergebnisse abgeliefert hat und die Kosten vergleichsweise hoch sind. In einem Markt mit fünf Prozent Rendite bleibt nicht viel übrig. Wer glaubte, sein Fondsmanager sei ein Magier, ist spätestens jetzt eines Besseren belehrt worden. Um nicht missverstanden zu werden: Ich würde nie jemandem raten, aus der Börse auszusteigen. Ich hätte gar nicht genug Grips dazu. Und ich bezweifle, dass irgendjemand genügend Grips dazu hat.
Wann haben Sie zum letzten Mal einen Einzelwert gekauft?
Das dürfte so um die 20 Jahre her sein. Es hat sich allerdings schnell herausgestellt, dass ich dabei nicht sonderlich erfolgreich war. Zudem hat es mich unglaublich genervt, wenn mein Bankberater mich ständig mit irgendwelchen neuen Empfehlungen angerufen hat. Es gibt allerdings eine Ausnahme. Ich habe immer Aktien von Unternehmen gehalten, bei denen ich ein Aufsichtsratsmandat habe.
Mit Verlaub, das nehmen wir Ihnen nicht ganz ab. Jemandem, der intensiv die Märkte beobachtet, muss es doch zuweilen in den Fingern jucken, etwa wenn er das Gefühl hat, ein Titel sei zu Unrecht und nur auf Grund wilder Gerüchte heruntergeprügelt worden.
Da haben Sie mich aber durchschaut! Selbstverständlich reizt mich das manchmal gewaltig. Zuletzt habe ich im vergangenen März bei einem Kurs von 42000 Dollar intensiv mit Warren Buffetts Berkshire Hathaway geflirtet und hätte um Haaresbreite zugeschlagen. Aber ich habe im letzten Moment die Selbsthilfegruppe der Anonymen Anleger angerufen. Die haben mich am Telefon dann davon abgebracht (schmunzelt). Zu Ihrer Information: Die Gruppe gibt es natürlich nicht wirklich.
Versuchen Leute auf Stehpartys häufig, Sie zu einer Prognose des Marktes zu bewegen?
Ja, andauernd, und das endet meist ganz lustig. Ich blicke denen einige Sekunden lang tief in die Augen und sage: Ich habe absolut keine Ahnung!
Was die Ihnen natürlich nicht abkaufen.
Wahrscheinlich nicht. Die nicken meist leicht beleidigt, als wollten sie sagen: Der Kerl weiss das natürlich, hält aber damit hinterm Berg. Damit lässt es sich im Übrigen ganz prima leben: Ich habe den Ruf, alles über die Finanzmärkte zu wissen, ohne jemals wirklich auf die Probe gestellt zu werden.
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