Mitarbeitende von Lonza dürfen sich freuen. Haben sie vor fünf Jahren am Beteiligungsprogramm teilgenommen und Aktien ihres Unternehmens erworben, können sie nun eine satte Rendite einstreichen. Ihre Performance beträgt 90 Prozent – obwohl der Kurs nach einem zwischenzeitlichen Höhenflug wieder auf dem gleichen Niveau steht wie damals. Der Profit ist in den Konditionen begründet, mit denen der Life-Sciences-Konzern seinen Angestellten das Programm «ESPP» versüsst. Die Aktien konnten damals mit 30 Prozent Rabatt erworben werden. Nach drei Jahren gab es obendrein eine Gratisaktie, falls die Verkaufssperre um zwei Jahre verlängert wurde.

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René Blum (Bild), Vizepräsident der Angestelltenvereinigung Lonza Basel, findet deshalb, dass ruhig noch mehr Leute an diesem Programm teilnehmen dürften. Als Aktionär sei man auch bewusster und motivierter im eigenen Unternehmen engagiert, ist Blum überzeugt.

Drei Jahre Finanzkrise haben viele wirtschaftsliberale Dogmen ins Wanken gebracht. Aktienbeteiligungsprogramme für Mitarbeiter werden hingegen nirgends ernsthaft in Frage gestellt. Das ist jedenfalls die Überzeugung von Stephan Hostettler, Spezialist für Vergütungspläne und Bonusprogramme. Zwar notieren die Aktienkurse der Schweizer Unternehmen im Durchschnitt etwa 30 Prozent tiefer als vor drei Jahren. Trotzdem meint Hostettler: «Die Frustration der Leute hält sich in Grenzen.»

Immer beliebter. Das belegen auch die Statistiken der European Federation of Employee Share Ownership (Efeso), der europäischen Vereinigung für Mitarbeiterbeteiligungsprogramme. In Europa sei die durchschnittliche Beteiligungsquote der Mitarbeiter am eigenen Unternehmen im vergangenen Jahr auf 2,86 Prozent gestiegen, von 2,79 Prozent im Vorjahr, stellte die Vereinigung unlängst fest. Der Befund basiert auf der Datenanalyse der 2475 grössten Unternehmen in 29 europäischen Ländern – darunter 147 börsenkotierte Firmen in der Schweiz. 2009 haben demnach bereits 83 Prozent aller grossen Unternehmen in den untersuchten Ländern eigene Beteiligungsprogramme durchgeführt. Vor zehn Jahren waren es erst 40 Prozent gewesen. Die Schweiz befindet sich im Mittelfeld. An der Spitze stehen die Schweizer Firmen jedoch beim Betrag, den die Angestellten in Aktien der eigenen Firma investieren. Beträgt der Durchschnitt in Europa 11  000 Euro, so sind es in der Schweiz fast 30  000 Euro. Eine Umfrage bei den SMI-Firmen zeigt, dass derzeit jeder zweite der grössten Schweizer Konzerne ein solches Programm führt.

Trotz Krise haben manche Aktienerwerbspläne ansprechende Renditen für ihre Mitarbeiter abgeworfen, wie das Beispiel von Lonza zeigt. Aber auch beim Pharmakonzern Novartis hatten 12  000 Angestellte in der Schweiz die Möglichkeit, mit dem Beteiligungsprogramm «Esop» eine aufgelaufene Dreijahresrendite von rund 15 Prozent zu realisieren. Dies, obwohl der Aktienkurs im Januar 2010 nur noch bei 56 Franken lag, gegenüber 73 Franken beim Start des Programms 2007. Dahinter steckt natürlich keine Zauberei: Für jede Aktie, die ein Mitarbeiter im Rahmen von «Esop» erworben hat, um sie während dreier Jahre in einem Sperrdepot aufzubewahren, legt Novartis am Ende der Laufzeit noch eine halbe Aktie drauf. «So ist die Wahrscheinlichkeit eines Verlusts wenigstens stark vermindert», sagt Rudolf Haas, Vizepräsident des Angestelltenverbands von Novartis. Glück hatten die Mitarbeiter der Zurich Financial Services, die 2007 den Maximalbetrag von 3500 Franken in Aktien der eigenen Versicherungsgesellschaft investierten. Sie sind fast ohne Verlust durch die Krise gekommen, obwohl der Aktienkurs drei Jahre später 30 Prozent tiefer liegt. Sie konnten die Aktien damals mit 30 Prozent Rabatt kaufen, mussten dafür aber eine Sperrfrist von drei Jahren einhalten.

Rabatt als Risikoschutz. Da zudem jedes Jahr ein solcher Bonus anfällt und folglich auch die Sperrfrist für eine Tranche ausläuft, kann der Verkauf der Aktien zeitlich variiert und ein günstigerer Moment zum Verkauf der Anteile gewählt werden. Für Meinrad Gamma, den Präsidenten der Mitarbeiterkommission von Zurich Schweiz, ist deshalb klar: «Mit diesem Aktienprogramm können Mitarbeiter ihren Bonus zusätzlich aufwerten und werden so auch Miteigentümer ihres Unternehmens.»

Mit den Vergünstigungen zum Bezug der Mitarbeiteraktien soll den in Börsenanlagen oft unerfahrenen Angestellten ein Risikoschutz gewährt werden. «Das Bewusstsein für eine gute technische Ausgestaltung der Programme hat seit der letzten Börsenblase vor zehn Jahren deutlich zugenommen», stellt Thomas Schwarb, Professor für Human Resource Management an der Fachhochschule Nordwestschweiz, fest. Dennoch sei das Verbesserungspotenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Als Richtschnur für die Dauer der Verkaufssperrfristen und die von den Firmen gewährten Einstandspreisvergünstigungen gelten gemäss Schwarb immer noch die 1997 eingeführten Diskontvorgaben der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) und nicht die spezifischen Verhältnisse in den Unternehmen. Die von der ESTV gewährten Steuervergünstigungen auf den Einkaufsrabatten der Mitarbeiter-Aktionäre werden grösser, je länger die Verkaufssperrfrist dauert. Bei einer Sperrfrist von drei Jahren wird die Einstandsverbilligung statt zu 100 Prozent lediglich zu 83,96 Prozent als Einkommen besteuert. Bei einer zehnjährigen Sperrfrist beläuft sich der Satz nur noch auf 55 Prozent.

Rein steuerlich fährt ein Mitarbeiter-Aktionär am besten, wenn er die Aktien günstig erwerben kann, um sie hernach möglichst lange in ein Sperrdepot zu legen. Mitarbeiter von zyklischen, risikoexponierten Firmen seien deshalb gegenüber defensiven Firmen im Nachteil, erklärt Schwarb.

Happy End. Das mussten beispielsweise die Mitarbeiter von Alstom erfahren. Im Frühjahr 2000 konnten sie 20 Aktien zu 15 Euro, dem halben Börsenpreis, erstehen. Weitere Aktien wurden mit 20 Prozent verbilligt. Später wurde das Beteiligungsprogramm auch auf den von ABB übernommenen Kraftwerkbau ausgedehnt. Doch bald darauf geriet Alstom ins Schlingern. Nach Ablauf der fünfjährigen Sperrfrist waren die für 300 Euro gekauften Aktien noch rund 8 Euro wert. Viele Mitarbeiter-Aktionäre verloren in der Folge nicht nur ihren Job, sondern erlitten auch finanziell empfindliche Verluste.

Das immanente Problem der Risikokumulation, das in jedem Beteiligungsprogramm steckt, wurde im Fall von Alstom exemplarisch sichtbar. «Diese Erfahrung hat die Leute geprägt», sagt Martin Leeser, Präsident der Personalvertretung von Alstom in der Schweiz. «Als es 2005 darum ging, erneut zu investieren, musste auch ich zuerst über meinen Schatten springen.» Doch seither lief es für die Mitarbeiter-Aktionäre von Alstom aussergewöhnlich gut: Für bis zu 1500 Euro konnten sie 2005 eigene Aktien kaufen, um sich die Anzahl Titel anschliessend durch das Unternehmen verdoppeln zu lassen. In diesem Jahr wurden die Titel nach fünfjähriger Sperre für den Verkauf freigeschaltet. «Ich investierte 1500 Euro, jetzt sind daraus 12  000 Franken geworden», sagt Leeser.

Auf ein derartiges Happy End werden die Schweizer UBS-Angestellten noch lange warten müssen. Ihr Aktienplan «Equity Plus» war besonders aggressiv ausgestaltet, durften doch bis zu 30 Prozent des Jahresgehalts in UBS-Aktien investiert werden. Als Vergünstigung wurden von der Bank zu jeder Aktie zwei Optionen gratis zugeteilt. Von dem Geld, das UBS-Mitarbeiter zwischen Frühjahr 2007 und Frühjahr 2008 im Rahmen von «Equity Plus» in Aktien ihres Unternehmens steckten, waren nach Ablauf der zweijährigen Verkaufssperre ab Frühjahr 2009 zwischen 50 und 80 Prozent verloren. Und die Optionen sind derzeit wertlos. Dennoch findet die Arbeitnehmervertretung der UBS die Beteiligung der Mitarbeiter mittels Aktien wünschenswert und sinnvoll, wie der Präsident der Vereinigung, Dieter Biegger erklärt. Bei der Ausgestaltung des neuen Programms, das seit Jahresbeginn läuft, habe man sich aber für Transparenz eingesetzt. Das neue Programm ist nun deutlich einfacher und berechenbarer. Die Mitarbeiter bekommen nun für drei erworbene Aktien nach drei Jahren Haltefrist eine zusätzliche Aktie gratis. Der Höchstbetrag ist auf 20  000 Franken limitiert.

Mit Krediten. In der allgemeinen Börseneuphorie haben auch die Mitarbeiter der Credit Suisse kräftig auf steigende Kurse der eigenen Bank spekuliert. Viele nutzten die im Beteiligungsprogramm gesperrten Aktien als Sicherheit für Kredite, um damit zusätzliche CS-Aktien zu kaufen. Nach dem Platzen der Börsenblase musste die CS bei ihren eigenen Mitarbeitern zusätzliche Sicherheiten einfordern, um die offenen Kredite zu decken. Denn die CS-Mitarbeiteraktien wiesen nur noch einen Bruchteil ihres einstigen Marktwerts auf. «Es gab böses Blut im Betrieb», erinnert sich Andreas Pfammatter, Präsident der CS-Personalvertretung. «Viele Leute konnten mit den Verlusten schlecht umgehen.» Inzwischen hat die Bank das Beteiligungsprogramm auf Eis gelegt.

Die meisten Mitarbeiter kauften nicht aus Treue zum eigenen Unternehmen Aktien, weiss Thomas Schwarb. Ihr Verhalten unterscheide sich kaum von jenem anderer Investoren. «Wenn die Börse steigt, greift Euphorie um sich, und wenn sie fällt, regiert eine übertriebene Angst», so Schwarb.

Umstritten ist deshalb auch der Einfluss der Mitarbeiter als Aktionäre an der Generalversammlung. In den guten Zeiten waren zum Beispiel die UBS-Mitarbeiter dem Topmanagement als stabile Aktionäre und als Schutz gegen unfreundliche Übernahmeversuche höchst willkommen. Mit einem aggregierten Aktienanteil von rund sechs Prozent gelangten die UBS-Angestellten effektiv auch in eine strategisch starke Eigentümerposition.

Nur: Als es schon zu einem frühen Zeitpunkt in der Krise darum ging, das Steuer herumzureissen und personelle Massnahmen im Verwaltungsrat zu erzwingen, war es um die Macht der Mitarbeiter-Aktionäre geschehen. Erst als grosse institutionelle Investoren ihre Anteile zu poolen begannen, wurde die Generalversammlung entscheidungsfähig. Dass sich die UBS-Mitarbeiter-Aktionäre während der ganzen mehrjährigen Auseinandersetzung stets auffallend zurückhielten, zeigt deutlich, dass auch sie das Beteiligungskonzept mehr finanziell als kulturell erlebt und verstanden haben.

Vergütungsspezialist Stephan Hostettler ist trotzdem überzeugt, dass gut strukturierte, transparente Beteiligungsprogramme durchaus auch eine langfristig positive Wirkung für das Unternehmen entfalten. Solche Unternehmen legten in aller Regel Wert darauf, ihre Anspruchsgruppen offen und transparent zu informieren. «Das fördert die Motivation der Angestellten und hilft letztlich auch dem Börsenkurs», sagt Hostettler.