Der Silberpreis springt Anfang des Jahres unvermittelt um 20 Prozent auf 30,10 US-Dollar je Unze in die Höhe und Platin klettert Mitte Februar mit knapp 1340 US-Dollar je Unze auf ein Mehrjahreshoch. Gold hingegen hat seit dem Rekordhoch von 2075 US-Dollar je Unze im August 2020 deutlich nach unten auf 1793 US-Dollar je Unze korrigiert.
Was beeinflusst die Preise der Edelmetalle, wie wirkt sich der Umbau der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit aus und trotzt Gold Kryptowährungen?
Silber: trotz Hype noch Kurspotenzial
Der Mythos: Der Silbermarkt steht im Ruf, leicht manipulierbar zu sein. Erst Ende Januar legte der Silberpreis innerhalb von drei Tagen einen Kurssprung von 20 Prozent hin. Fundamental gab es dafür scheinbar keinen besonderen Grund. Auf Social Media aktive Privatanleger wurden dafür verantwortlich gemacht.
Sie sollen professionelle Investoren gezwungen haben, ihre auf fallende Preise laufenden Positionen einzudecken und so den Silberpreis in die Höhe zu treiben.
Die Fakten: Der Vergleich mit den Kurskapriolen bei US-Nebenwerten wie etwa GameStop, die von Social Media-Anlegerforen ausgingen, greift zu kurz. Die Leerverkaufsquote im Silbermarkt war deutlich niedriger als etwa bei GameStop.
Laut der Silberbörse Comex hatten Finanzinvestoren in Summe sogar mehr Terminkontrakte gekauft als verkauft. Mit einem Marktvolumen von schätzungsweise rund einer Billion US-Dollar ist der Silbermarkt zu gross, um leicht manipuliert zu werden.
Max Holzer ist Leiter Relative Return im Bereich Multi Asset und Mitglied des Union Investment Committee.
Am Silbermarkt herrscht aber seit langem eine Knappheit an Münzen und Barren. Anleger sind deshalb bereit, für physisches Silber eine Prämie zu zahlen. Sie erwerben dazu börsengehandelte Silber-Fonds, Exchange Traded Funds (ETFs), die ihrerseits das Edelmetall kaufen müssen. Kurzfristig kann dies den Silberpreis nach oben treiben.
Zudem verarbeitet die Industrie das Edelmetall: Weil Silber äusserst leitfähig ist, dient es der Solarbranche als wichtiger Rohstoff. Sie macht rund ein Zehntel der Nachfrage aus. Starker Rückenwind dürfte hier durch Initiativen der Regierungen in China, den USA und Europa kommen, welche die Energieversorgung umweltfreundlicher machen sollen.
Einen kräftigen Nachfrageschub erwartet das US-amerikanische Silver Institute zudem durch den Einsatz von Silber im Automobilbau. Dort wird das Edelmetall etwa zur Steuerung beim Autonomen Fahren, aber auch für die Elektrik und für Ladestationen eingesetzt – Tendenz steigend.
Prognose: Aktuell ist Silber fair bewertet, auch im Verhältnis zum Goldpreis. Eine weitere Nachfragebelebung könnte dem konjunktursensitiven Metall weiteren Auftrieb geben.
Abgesehen vom Tempo der Konjunkturerholung wird der Silberpreis – ebenso wie der Goldpreis – stark von der Entwicklung der Realrenditen geprägt. Steigen die Realrenditen, also die Nominalzinsen nach Abzug der Inflation, würde dies den Silberpreis belasten.
Platin: begehrtes «grünes Metall»
Der Mythos: Platin ist das «grüne Metall» par excellence. Es wird im Bereich der Brennstoffzellentechnik als Katalysator in der Elektrolyse eingesetzt. Es leistet einen eminent wichtigen Beitrag zur Reduktion von Treibhausgasen. Das beflügelt die Fantasie der Anleger und lässt den Preis rasant steigen.
Die Fakten: Platin profitiert vom Trend zu grüner Industrie und Wirtschaft. Der Preis des Edelmetalls wird derzeit aber nicht nur von der Brennstoffzellenfantasie getrieben, sondern von der realen Nachfrage, beispielsweise aus der Autobranche. Schärfere Abgasgrenzwerte in Europa, China und den USA sind ein wichtiger Einflussfaktor.
Platin hat überdies Aufholpotenzial als günstigeres Ersatzmetall. Es löst vermehrt Palladium oder Rhodium in Auto- und LKW-Katalysatoren ab. Dieser Prozess, vor allem aus Kostengründen angestossen, setzt zum Beispiel in China und den USA gerade erst ein. Verantwortlich für die Kursrally ist zudem eine robuste Nachfrage von Finanzinvestoren sowie eine temporäre Angebotsknappheit als Folge der Pandemie.
Die Erfolgsaussichten von Platin bei Brennstoffzellen sind indes noch offen. Derzeit kann nicht abschliessend beurteilt werden, wie stark die weitere Entwicklung in diesem Markt die Platin-Nachfrage tatsächlich ankurbeln wird. Allerdings könnte der Preiseffekt beträchtlich ausfallen.
Ein Beispiel hierfür ist das Industriemetall Nickel. Die Nachfrage nach Batterien mit hohem Nickelanteil ist durch die starken Verkaufszahlen des US-Elektroautohersteller Tesla in den letzten Jahren deutlich angestiegen und sorgte für eine Rally am Nickelmarkt.
Prognose: Platin ist unser Favorit unter den Edelmetallen. Insgesamt wird aktuell weniger Platin produziert als gekauft. Dies macht weitere Preissteigerungen wahrscheinlich.
Trotz der vorsichtigen Einschätzung hinsichtlich Brennstoffzellen halten wir das Edelmetall für attraktiv. Platin dürfte mittelfristig wertvoller werden als Gold. Dazu tragen auch Investitionsprogramme zum grünen Umbau der Wirtschaft sowie die weiterhin solide Investmentnachfrage bei.
Gold: wertvolles Mittel zur Risikosteuerung
Der Mythos: Gold ist als knappes Gut eine perfekte Absicherung gegen Inflation. Diese Rolle könnte das Edelmetall aber unter anderem wegen des Aufschwungs von Kryptowährungen verlieren.
Die Fakten: Oft wird übersehen, dass Gold weit mehr als nur ein möglicher Schutz gegen steigende Inflation ist. Es ist mit der Wertentwicklung anderer Vermögenswerte wie Aktien oder Anleihen wenig korreliert. Das erklärt seinen Ruf als «sicherer Hafen», dem es während der Coronakrise alle Ehre gemacht hat. Im historischen Rückblick hat Gold aber auch real, also nach Abzug der Inflation, seinen Wert erhalten können.
Als Mittel, um Risiken im Portfolio ausgewogener zu verteilen, kommt Gold unverändert eine wichtige Bedeutung zu. So sind etwa die Notenbanken wichtige Käufer geworden. Zuletzt schwächte sich ihre Nachfrage allerdings ab. Auch Unternehmen setzen auf Gold als Anlage.
So will der US-Elektroautobauer Tesla seine Barmittel besser diversifizieren und renditeträchtiger investieren. Dazu investiert er unter anderem in Gold und Wertpapiere, die den Goldpreis abbilden, aber auch in Kryptowährungen.
Dies zeigt zugleich, dass Gold und Kryptowährungen künftig als Anlagen in Wettbewerb treten dürften. In den vergangenen ein bis zwei Jahren hat sich die Kryptowährung Bitcoin als Alternative zu Gold bei der Absicherung gegen eine mögliche Geldentwertung angeboten.
Für die Entwicklung des Goldpreises muss dies nicht unbedingt negativ sein. Es dürfte vielmehr zu taktischen Verschiebungen zwischen Gold- und Bitcoin-Anlagen kommen. Zuletzt waren die Zuflüsse in Bitcoin deutlich höher als in Gold. Nach der rasanten Bitcoin-Rally könnten Bestände aus der Kryptowährung wieder zurück in Gold umgeschichtet werden. Dies dürfte den Goldpreis mittelfristig unterstützen.
Prognose: Als Krisenwährung ist Gold derzeit wenig gefragt. Durch Fortschritte bei den Impfkampagnen stehen die Zeichen auf Konjunkturbelebung. Dagegen könnte der Goldpreis kurzfristig von steigenden Inflationserwartungen profitieren, getrieben durch die Aussicht auf weitere Fiskalstimuli in den USA. Doch erwarten wir deshalb keinen substanziellen, sondern nur einen vorübergehenden Anstieg der Inflation.
Entscheidend wird für den Goldpreis die Zins- und Inflationsentwicklung sein. Steigende Realzinsen würden Gold gegenüber Anleihen unattraktiv machen, da Gold keine Zinsen bietet und Lagerkosten anfallen. Die anhaltend lockere Geldpolitik wirkt aber tendenziell unterstützend für den Goldpreis.
Fazit: Der Edelmetallmarkt bietet trotz bereits gestiegener Preise noch die ein oder andere Anlagechance. Insbesondere tragen dazu die Bestrebungen zum grünen Umbau der Wirtschaft bei. Entscheidend ist hierbei allerdings die Selektion.
Wir favorisieren Platin aufgrund einer beschleunigten Nachfrage aus dem Autosektor. Gold ist weiterhin als liquide alternative Anlage und Absicherung, insbesondere in einem Multi-Asset-Portfolio, wertvoll. Es wird in der Anlagestrategie unverändert als Mittel zur ausgewogeneren Verteilung der Risiken genutzt.