Die pandemiebedingte Wirtschaftskrise hat einen grossen Teil der Schwellenländer gleich von mehreren Seiten getroffen. So haben sich die vielerorts primären Einkommensquellen wie Export- und Tourismuseinnahmen verringert.

Rishabh Tiwari ist Portfolio Manager Fixed Income Emerging Markets & Josipa Markovic, Economist Emerging Markets, Swiss Life Asset Managers.

Gleichzeitig fehlt es vielen Regierungen – die bereits mit einem erhöhten Schuldenniveau in diese Krise getreten sind – an Mitteln, um mit substanziellen Konjunkturprogrammen auf die Wirtschaftsflaute zu reagieren.

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Inmitten dieser scharfen Rezession ist ein selektives Vorgehen bei Investitionen wichtig, ebenso wie eine sorgfältige Prüfung der potenziellen wirtschaftlichen Schwachstellen des Schwellenländerspektrums.

Nebst der traditionellen makroökonomischen Analyse, die sich hauptsächlich auf wirtschaftliche Variablen sowie auf politische Risiken konzentriert, geben ESG-Faktoren (Environment, Social & Governance)  ein umfassenderes Bild ab, wobei positiv beurteilte ESG-Aspekte ein Indiz für die längerfristige Stabilität eines Landes sind.

Langfristigkeit bedingt Nachhaltigkeit

Innerhalb der sozialen Dimension (S) spielen insbesondere Faktoren wie Bildungsstandards, Einkommensungleichheit oder die Qualität des Gesundheitssystems eine bedeutende Rolle. Eine Verbesserung dieser Faktoren sollte auch zu besseren Lebensbedingungen führen und somit langfristig das Wachstum ankurbeln.

Daneben ist die Governance (G) entscheidend. Eine vertrauenswürdige, stabile Regierungsführung mit den nötigen Institutionen und einem soliden Finanzsystem samt entsprechenden Kontrollinstanzen sind das A und O zur Vermeidung von Willkür und staatlichen Zahlungsausfällen und somit der Wegbereiter für ein unternehmerfreundliches Umfeld.  

Schliesslich leistet die Umweltkomponente (E) auch einen wichtigen Beitrag zur langfristigen Risikoanalyse von Schwellenländern. So kann die Ausbeutung natürlicher Ressourcen (bspw. die Abholzung im Amazonas-Urwald in Brasilien) zwar kurzfristig zu Wachstum führen, schadet längerfristig aber der Umwelt genauso wie dem Wohlbefinden der Bevölkerung.

Der Einbezug von ESG-Aspekten dient entsprechend nicht nur als Ergänzung der Risikobeurteilung eines Landes, sondern ist auch kompatibel mit einem langfristig orientierten, auch finanziell nachhaltigen Investitionsansatz.

ESG-Faktoren haben bei Schwellenländern besonders Gewicht

In Schwellenländern stecken die grössten ESG-Risiken – aber auch die grössten Chancen daraus. Indem immer mehr Investoren die Verschuldungsfähigkeit und -kosten der Staaten von deren ESG-Rating abhängig machen, könnten Schwellenländer zu einer nachhaltigeren Politik animiert werden.

Aus diesem Grund ist es ermutigend, dass Finanzanlagen in Schwellenländern, bei denen ESG-Faktoren berücksichtig werden, seit der letzten grossen Finanzkrise zu einem allgemeinen Trend geworden sind und in den letzten drei Jahren einen regelrechten Boom erlebt haben.

So wird erwartet, dass die breit gefassten verwalteten ESG-Vermögen in der Region Asien-Pazifik von 2,9 Billionen USD im Jahr 2018 auf 11,1 Billionen USD im Jahr 2020 steigen werden. ESG-Modelle für Entwicklungsländer, welche einen ESG-Vergleich zwischen den Ländern als auch eine Betrachtung eines Landes über die Zeit erlauben, erscheinen vielversprechend.

Letzteres ist wichtig, da neben der statischen Betrachtung, die oftmals mit dem Entwicklungsstadium korreliert ist, auch der ESG-Trend wichtige Informationen enthält. Während beispielsweise Governance-Ratings zur Türkei über die letzten 6 Jahre eine negative Tendenz aufzeigen, hat sich Sri Lankas ESG-Wert über die Jahre in die richtige Richtung entwickelt und sollte entsprechend positive Resonanz finden.

ESG-Investitionen mit Überrenditen

Die ESG-Betrachtungsweise ist aber nicht nur aus einer Nachhaltigkeitsperspektive sinnvoll. Historisch gesehen haben aufstrebende Länder, die sich im Bereich ESG positiv entwickelt haben, bessere Gesamt- und risikobereinigte Renditen erzielt.

Typischerweise tragen Länder, die nach ESG-Faktoren schlecht bewertet sind, auch höhere Kreditrisiken – in Form von politischen und sozialen Unruhen sowie Umweltkatastrophen. Durch die Vermeidung von Staaten, die eine schlechte ESG-Erfolgsbilanz aufweisen, können Anleger das Risiko plötzlicher Verluste verringern, die mit traditionellen makroökonomischen Modellen schwer vorherzusagen sind.

So übertrafen beispielsweise während des pandemiebedingten Ausverkaufs im ersten Quartal 2020 ESG-Investitionen in Staatsanleihen aus Schwellenländern den Gesamtmarkt um mehr als 1,7 Prozent - ein aktueller Hinweis auf die Ertragsüberlegenheit von ESG-Anlagen in Krisenzeiten. Langfristige, nachhaltige Anlagen in Schwellenländern zahlen sich letztlich für alle aus.