Unternehmen, die in den Umweltschutz investieren, verbessern ihre Wettbewerbsposition und steigern ihre Erträge. Stimmt oder stimmt nicht? Sicher ist, dass die globale Erwärmung und die Folgen von CO2-Emissionen seit langem heiss diskutierte Themen in der Politik sind. Zum Schutze der Umwelt werden Unternehmen, die vermehrt Treibhausgase in die Atmosphäre leiten, durch steuerliche Regelungen abgestraft. Wer die vorgeschriebenen Limiten des Kohlenstoffausstosses überschreitet, der zahlt drauf. Gewinner sind Firmen, die auf saubere Technologien setzen und ihre Emissionen gering halten. Denn weniger Kosten bedeutet bessere Erträge. Vom bessern Image ganz zu schweigen.
Die Kohlenstoffbeschränkungen werden in den kommenden Jahren eher noch verschärft. Wer schon heute in verbesserte Verfahren investiert, wird langfristig der Konkurrenz den Rang ablaufen. Vor allem für Unternehmen aus dem Öl- und Gassektor wird die Entwicklung kohlenstoffarmer Technologien mehr und mehr zum Wettbewerbsfaktor. Und weil dies schliesslich auch die Dividenden und Aktienkurse verbessert, interessieren sich immer mehr Anleger für den Umweltschutz.
Umweltkatastrophen und Ressourcenknappheit lenken zusätzliche Aufmerksamkeit auf ökologische Themen. Darüber hinaus müssen sich Unternehmen immer öfter Fragen zu sozialen und ethischen Standards gefallen lassen. Seit den Bilanzskandalen um Enron und WorldCom wünschen sich Anleger höhere Massstäbe bei Corporate Governance und Aktionärsrechten. Und auch der soziale Umgang mit den Mitarbeitern ist inzwischen zum Kriterium bei der Aktienauswahl geworden.
Kein Wunder, dass nachhaltige Investments einen regelrechten Boom erleben. Vor fünf Jahren waren in Europa gerade mal zwei Milliarden Euro in so genannten Socially Responsible Investments (SRI) investiert. Heute sind es 6,8 Milliarden. In der Schweiz können Investoren zwischen über 40 Fonds mit sozialen oder ökologischen Kriterien wählen. Dennoch fällt dieses Segment zahlenmässig noch nicht ins Gewicht. Nicht einmal ein Prozent der Anlagegelder in Europa wird nachhaltig investiert. Doch der Markt wächst schneller als der Gesamtmarkt und gewinnt zunehmend an Bedeutung.
Doch was genau bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit? Die Anlagekriterien der einzelnen Fonds und die Auslegung dieses Begriffs unterscheiden sich stark. «Es gibt für Nachhaltigkeit keine eindeutige Definition», sagt Wim Vermeir, Head of Sustainable and Equity Investments bei der französisch-belgischen Bank Dexia Asset Management. «Es variiert tatsächlich von einem Investor zum anderen.»
In Bezug auf Klimafragen steht der Nachhaltigkeitsbegriff für eine Entwicklung der Menschheit, die nicht auf Raubbau an der Natur basiert. Nachfolgende Generationen sollen mindestens die gleichen Lebensgrundlagen wie die heute lebende zur Verfügung haben. Sie sollen nicht mit den Langzeitwirkungen der heutigen Umweltverschmutzung kämpfen müssen. Im betriebswirtschaftlichen Zusammenhang steht Nachhaltigkeit für Unternehmen, die gegenüber ihren Mitarbeitern, Aktionären, Kunden, Lieferanten und der Umwelt verantwortungsbewusst handeln. Solche Firmen haben nicht kurzfristige Gewinne im Auge, sondern verfolgen Strategien, die langfristig ausgerichtet sind.
Bei der Geldanlage wird diesem Prinzip auf verschiedene Weise Rechnung getragen. Viele Fonds gehen dabei nach dem Ausschlussprinzip vor. In diesem Fall werden Branchen, die als politisch nicht korrekt gelten, ausgefiltert. Dies sind meist Firmen, die mit Tabak, Alkohol, Waffen oder Glücksspiel ihr Geld verdienen. Diese Auslegung von Socially Responsible Investments ist vor allem in den USA üblich. Dort hat sie auch eine besonders lange Tradition. Die Quäker achteten schon vor der industriellen Revolution darauf, ihr Geld nicht in so genannten «sin stocks» anzulegen. Schon damals subsumierte man darunter Anlagen in Unternehmen der Alkohol-, Tabak- und Glücksspielindustrie.
In Europa wird mehrheitlich ein Best-in-Class-Ansatz verfolgt. Dabei werden so genannte Sustainability Leaders innerhalb einer Branche gesucht. Das sind diejenigen Unternehmen, die in Bezug auf ökologische, soziale oder ethische Standards am besten abschneiden.
Diese Strategie verfolgt zum Beispiel der Schweizer Nachhaltigkeitspionier SAM (Sustainable Asset Management). «Wir schliessen nicht per se irgendwelche Branchen aus», sagt Dominique Reber, Unternehmenssprecher bei SAM. «Denn genau in den Sektoren, die besonders exponiert sind, wird sehr viel für Nachhaltigkeit getan.» So sei etwa der norwegische Ölkonzern Statoil in Bezug auf CO2-Emissionen vorbildlich. Das Unternehmen habe eine Technologie entwickelt, Kohlenstoff unterirdisch zu speichern.
Es ist logisch, dass sich in der Ölbranche besonders viele Unternehmen mit dem Thema Umweltschutz befassen. Eine Einzelhandelskette ist vom Thema CO2-Emissionen zum Beispiel so gut wie gar nicht betroffen. In dieser Branche machen sich die Firmen daher um deren Reduktion keine Gedanken. In Industrien, in denen viel verbrannt wird, ist der betriebswirtschaftliche Druck dagegen sehr hoch, die Emissionen zu reduzieren. Vertreter der Sustainability-Leaders-Strategie argumentieren auf Grundlage dieser Tatsache. Daher findet man in diesen Portfolios auch Titel von Automobilfirmen, Ölkonzernen und globalen Konsumgüterherstellern.
Dieser Ansatz wird oft als Mogelpackung kritisiert. «Mit dieser Strategie bekommt man dann einen Weltaktienfonds, der zum Bespiel in Titel wie General Electric, Citigroup oder Toyota investiert», beklagt Werner Rutsch, Leiter Investment Office bei der Bank Hofmann. «Ich denke nicht, dass Anleger dies unter Nachhaltigkeit verstehen.» Wie zahlreiche andere Kritiker ist Rutsch der Meinung, dass nur solche Firmen als nachhaltig bezeichnet werden können, die als Hauptzweck das verfolgen, worum es bei der Nachhaltigkeit geht, nämlich die Sicherstellung der Lebensqualität. Dazu zählen etwa Branchen, die sich mit erneuerbaren Energien wie Solarstrom, Abfallmanagement oder Recycling befassen, aber auch Mikrofinanz-Unternehmen, die Kleinstkredite in Entwicklungsländern vergeben (siehe Box «Mit Rendite gegen die Armut» auf Seite 117).
Das Anlageuniversum der sozial verantwortungsvollen Fonds umfasst zudem Spezialfonds, die sich auf einzelne Themen wie Umwelttechnologie und erneuerbare Energien konzentrieren. Sehr populär unter diesen sind so genannte Wasserfonds. Wasser ist ein knappes und daher immer kostbareres Gut. Investments in Firmen, die sich mit Wasseraufbereitung oder einer effizienten Nutzung von Wasser befassen, scheinen daher sinnvoll. In den vergangenen Jahren gab es eine regelrechte Euphorie um Wasseranlagen. Das Problem dieser Spezialfonds ist die mangelnde Diversifikation. Da nur auf eine Branche gesetzt wird, sind die Wertschwankungen dementsprechend höher.
Neben Aktienfonds gibt es inzwischen auch Private Equity Funds in diesem Segment. Denn im Nachhaltigkeitsbereich gibt es viele KMU, die nicht an der Börse kotiert sind und sehr interessante Geschäftsmodelle haben. Das Schweizer Finanzinstitut SAM bietet bereits zwei Private Equity Funds an.
Aber Anleger wollen mit nachhaltigen Investments nicht nur Gutes tun. Sie versprechen sich auch langfristig eine überdurchschnittliche Rendite. Das Image, dass mit diesen Fonds per se eine schlechtere Performance erzielt werde, konnte die Branche inzwischen abschütteln. «Unsere Portfolios und allgemein die Fonds dieser Anlageklasse haben sich gut entwickelt, wie viele Studien belegen», sagt Wim Vermeir. «Die Fonds haben zwar nicht signifikant outperformed. Aber zumindest waren sie nicht schlechter als der Markt.» Der Dow Jones Sustainability World Index (DJSI) hat in den letzten drei Jahren sogar etwas besser abgeschnitten als der vergleichbare Index herkömmlicher Aktien (siehe «Nachhaltigkeit lohnt sich» nebenan). Da die meisten bei uns zugelassenen Nachhaltigkeitsfonds genau wie traditionelle Aktienfonds aufgebaut sind, ist ihre Performance ebenso stark von den Entwicklungen an den Börsen abhängig. So bewegen sich auch die Nachhaltigkeitsindizes parallel zu den konventionellen Aktienindizes.
Im Schnitt schneiden auch die Nachhaltigkeitsfonds ähnlich gut ab wie andere Aktienfonds. In den vergangenen zwölf Monaten haben globale Aktienfonds gut 30 Prozent zugelegt. Fonds derselben Kategorie mit nachhaltigem Investmentansatz lagen mit einer durchschnittlichen Performance von 29,5 Prozent knapp darunter. Abhängig vom Anlageschwerpunkt ist der Performanceunterschied der einzelnen Fonds aber erheblich (siehe «Nachhaltigkeits-Fonds: ganz schön erfolgreich» auf Seite 119). Der Activest Eco Tech, der in die Umwelttechnologiebranche investiert, legte etwa seit April 2005 fast 50 Prozent zu. Die Performance des CS Equity Global Sustainability Fund war im Vergleich dazu nur halb so gut. Der Fonds legt allgemein in Firmen an, welche die Prinzipien der Nachhaltigkeit berücksichtigen.
Firmen, die soziale und ökologische Faktoren in ihre Strategie aufnehmen, müssen zunächst höhere Kosten auf sich nehmen. Die Umstellung ist oft ein grosser Schritt. Die positiven Effekte des nachhaltigen Wirtschaftens lassen einige Quartale oder sogar Jahre auf sich warten. Geduld ist sowohl beim Management als auch bei den Anteilseignern gefragt. «Die bessere Ausbildung der Mitarbeiter kostet natürlich erst mal», nennt Vermeir von Dexia als Beispiel, «aber sie bringt mittelfristig einen höheren Ertrag. Genau so sieht es mit den Zulieferern aus. Wer diese zu ständigen Preissenkungen verdonnert, wird bald keine gute Qualität mehr erhalten. Ein verantwortungsvoller Umgang mit den Lieferanten zahlt sich also auch aus.»
Nachhaltige Investments haben eine lange Tradition. Die ersten Anlageprodukte gab es bereits in den frühen siebziger Jahren. In den USA meldeten sich Anleger zu Wort, die mit ihren Geldanlagen nicht den Vietnamkrieg unterstützen wollten. Andere sortierten Unternehmen aus ihren Portfolios aus, die nicht verantwortungsvoll mit der Umwelt umgingen. Boykottiert wurden auch Aktien von Firmen, die in wirtschaftlichen Beziehungen mit dem damals von Apartheidpolitik geprägten Südafrika standen. In Deutschland lehnten viele Anleger Firmen ab, die in die Atomenergie involviert waren. Damals wurden solche Investoren noch vielfach belächelt. Zudem ging die Mehrheit der Finanzexperten davon aus, dass soziale Bewertungskriterien beim Investieren die Renditen beeinträchtigen würden. Die gesellschaftliche und vor allem ökonomische Akzeptanz der nachhaltigen Anlagen folgte erst später.
Die ersten Erfolge erzielten die Socially Responsible Investments (SRI), als in den achtziger Jahren immer mehr Unternehmen ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu Südafrika reduzierten oder gar abbrachen. Die starke SRI-Bewegung in den USA hatte tatsächlich einen merklichen Effekt auf die Unternehmensstrategien. Denn anders als in der Schweiz waren in den USA nachhaltige Anleger schon immer sehr aktiv an Generalversammlungen. Die Fondsmanager nehmen dort ihre Aktionärsrechte wahr und wirken so auf die Unternehmenspolitik ein. In der Schweiz übernimmt seit einigen Jahren die Stiftung Ethos diese Rolle.
Schon Anfang der neunziger Jahre wurden dann Studien publiziert, die besagten, dass Firmen mit einer sozialverantwortlichen Strategie bessere Renditen erzielten als andere. Die ersten Investoren waren Kirchen, US-Universitäten und staatliche Vorsorgekassen. In Europa interessierten sich zuerst hauptsächlich Privatanleger für das neue Anlagesegment. Jetzt aber steigt die Nachfrage von Institutionellen, besonders von Pensionskassen. «Die haben eine gesellschaftliche Verantwortung», erklärt Nachhaltigkeitsexperte Vermeir. «Zudem interessiert sie der langfristige Ansatz. Von dieser Seite sehen wir also zurzeit mehr Wachstum.»
Zu dem Boom in diesem Segment hat auch die Einführung von Sustainability-Indizes beigetragen. Diese stellen vor allem für institutionelle Anleger eine wichtige Benchmark für ihre Anlage im SRI-Bereich dar. Pionierarbeit hat in diesem Bereich der Dow Jones Sustainability Index geleistet, der 1999 von der Schweizer Firma SAM in Kooperation mit Dow Jones aufgelegt wurde.
In naher Zukunft werden Nachhaltigkeitsfonds nicht mehr ein exotischer Zusatz fürs Depot sein. «Nachhaltiges Anlegen wird eines Tages ebenso wie jeder andere Anlagestil, wie etwa Value Investing, betrachtet werden», erwartet Vermeir. Die Experten sind sich zudem darüber einig, dass einige Nachhaltigkeitsaspekte einfach in die traditionelle Finanzanalyse integriert werden.