Sollten Sie in Kryptowährungen einsteigen? Nachdem das Handelsvolumen von Kryptowährungen im November zum ersten Mal die Marke von 10 Billionen Dollar überschritten hat, glauben viele, dass scheinbar sofortige Gewinne bevorstehen, da der Bitcoin-Preis über 100’000 Dollar katapultiert wurde. Bevor Sie einsteigen, sollten Sie sich darüber im Klaren sein, was Sie erwartet.
Viele sehen den Anstieg durch den Wahlsieg des designierten «Pro-Krypto»-Präsidenten Donald Trump in den USA als gerechtfertigt. Kryptofirmen gehörten zu den grossen Spendengebern der Republikaner. Chris «Crypto Dad» Giancarlo – Botschafter des Schweizer Blockchain-Forums CfC St. Moritz – könnte Amerikas erster «Kryptozar» werden. Jetzt rechnen die Bullen mit einer erleichterten Regulierung und einer kryptofreundlichen Gesetzgebung. Trump schlägt sogar eine Bitcoin-Reserve für die USA vor.
All dies ist politisch ungewiss, sorgt aber für einen weiteren Hype um Kryptowährungen und Innovationen, die es in der Schweiz zuhauf gibt. Mehr als tausend Schweizer Unternehmen im Bereich Fintech und Krypto bilden ein blühendes Ökosystem. Ihr Regulierungsrahmen aus dem Jahr 2021 war einer der ersten weltweit. Er gibt den Unternehmen klare Richtlinien vor, die Risikobereitschaft und Investitionen ermöglichen.
Der Gastautor
Ken Fisher ist Gründer und Executive Chairman von Fisher Investments, einer Vermögensverwaltungsfirma mit Niederlassungen weltweit, die über 299 Milliarden Dollar verwaltet. Fisher zählt zu den einflussreichsten (und auch reichsten) Investmentmanagern der USA.
Ist das wirklich der grosse Wurf für Investoren? Was spricht für den Besitz von Kryptowährungen? Einige sagen, es sei eine Diversifizierung und schütze vor Risiken für normale Währungen oder Vermögenswerte. Andere sehen Bitcoin als Inflationsabsicherung: Da das Bitcoin-Angebot auf fast 21 Millionen Coins begrenzt ist, kann es nicht endlos abgewertet werden wie Franken, Euro oder Dollar. (Dabei wird einfach ignoriert, dass das Universum aus Kryptowährungen insgesamt unendlich ist – siehe Ethereum, Dogecoin, Ripple und dergleichen.)
Doch die meisten Bullen berufen sich einfach auf riesige Gewinne. Seit 2010 ist der Bitcoin-Kurs bis zum Novemberschluss auf Jahresbasis um 162 Prozent gestiegen! Im Jahr 2024 ist er um 150 Prozent und seit der US-Wahl um 52,6 Prozent in Dollar gestiegen! Explosiv! Und ETFs für Bitcoin, Ethereum und Co. erleichtern den Kauf in der Schweiz und neuerdings auch in Amerika.
Aber schnelle enorme Gewinne gehen mit enormen Rückgängen einher. In den rollierenden Zwölf-Monats-Zeiträumen dieses Jahrzehnts lagen die Bitcoin-Renditen zwischen 1402 Prozent und minus 74 Prozent.
Der Bitcoin boomt und stürzt ab. Am 1. April 2013 erreichter er erstmals die Marke von 100 Dollar. Acht Tage später erreichte er einen Höchststand von 230 Dollar. Bis Juli fiel er um minus 71 Prozent auf 66 Dollar. Später im Jahr 2013 überschritt er die Marke von 1000 Dollar. Es folgte ein fast zweijähriger Rückgang von minus 84 Prozent. 2018 wiederholte sich dies. Der heutige Boom folgt auf die Minus-77-Prozent-Bombe von 2022 bis 2023. Schlechtes Timing könnte Sie in den Ruin treiben.
Diese Schwankungen haben nichts mit Fundamentaldaten zu tun – Kryptos haben keine. Sie werden nicht industriell genutzt. Es gibt weder Erträge und Umsätze noch Renditen. In der Branche wimmelt es von Betrug, Skandalen und Geldwäsche. Die meisten häufig gehandelten «Coins» sind viel zu volatil, um Währungen sein zu können. Absicherung gegen Inflation? Während die Inflation in der Schweiz im Jahr 2022 einen Höchststand von lediglich 3,3 Prozent erreichte, stieg sie in der Euro-Zone auf 10,6 Prozent und in den USA auf 9,1 Prozent. Der Bitcoin stürzte in diesem Jahr um 64,2 Prozent in Dollar ab. Er hat seinen einzigen Test nicht bestanden. Was für eine Absicherung!
Wie erklären sich also die Höhen und Tiefen von Kryptowährungen? Durch die Nachfrage der Anlegenden, ganz einfach. Reine Marktstimmung.
Können Sie also die Stimmungsschwankungen der Kryptoinvestoren optimal einschätzen? Ich weiss, dass ich es nicht kann. Falls nicht, können Sie dann langfristig durchhalten, wenn der Bitcoin um minus 80 Prozent fällt? Für die meisten Menschen sind Emotionen nicht hilfreich. In der Regel kaufen die meisten Anlegenden die sehr volatilen Rohstoffe nach grossen Kursgewinnen – wie jetzt – aus Angst, etwas zu verpassen. Wenn die Preise fallen, verkaufen sie aus Angst, zu lange an Verlustpositionen zu hängen. Dadurch werden Verluste festgeschrieben.
Das ist die menschliche Seite, die ich seit fünfzig Jahren bei Investoren bei verschiedenen volatilen Rohstoffen und am Aktienmarkt beobachten konnte. Krypto ist Aktienmarktvolatilität auf Steroiden. Können Sie das wirklich wegstecken?