So viel wie noch nie: 31 Milliarden Franken schütteten die 20 Mitglieder des Schweizer Aktienleitindex SMI dieses Jahr in Form von Dividenden an ihre Anteilseigner aus. Diese Summe entspricht knapp der Hälfte des Bundeshaushalts. Nach Schätzungen der Bank J. Safra Sarasin nimmt die Spendierlaune der Schweizer Grosskonzerne aber sogar noch weiter zu. Für das kommende Jahr taxieren die Basler Analysten die Ausschüttungssumme für den Leitindex auf mehr als 32 Milliarden Franken.

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Dies entspricht einem Plus von rund fünf Prozent. Angesichts dieser Zahlen erstaunt es, dass die Dividenden im Anlegeralltag bei der Aktienauswahl häufig nur eine untergeordnete Rolle spielen. Die Gewinnausschüttungen sorgen nicht nur für eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals, sie bilden ausserdem einen beruhigenden Faktor bei der Kapitalanlage.

Enormer Zinseszins

Dividendenstarke Aktien weisen oftmals etwas weniger hohe Kursschwankungen auf, was in unruhigen Zeiten durchaus gut für das Nervenkostüm sein kann. «Der Fokus auf Titel mit überdurchschnittlichen und wachsenden Dividenden führt zu Unternehmen, die im Durchschnitt stabiler sind, weil die unterliegenden Cashflows und Gewinne in der Regel weniger volatil ausfallen», erklärt Felix Maag, Head Global Dividend Team bei der Credit Suisse.

Eine geringere Schwankungsanfälligkeit ist allerdings längst nicht alles, auch auf die Kursentwicklung nehmen die Gewinnausschüttungen erheblich Einfluss. «Dividenden liefern langfristig den höchsten Beitrag zur Gesamtperformance einer Aktienanlage, denn reinvestierte Dividenden erzielen einen enormen Zinseszinseffekt», erklärt Fondsmanager Jan Ehrhardt von DJE Kapital. Eine historische Untersuchung anhand von Daten des US-Wirtschaftswissenschaftlers Robert Shiller unterstreicht die These. Von 1871 bis 2009 gewann der S&P 500 jährlich im Schnitt 8,7 Prozent an Wert. Mit 4,7 Prozent entfällt mehr als die Hälfte des Gewinns auf die oft als langweilig verpönten Dividenden.

Die Dividenden dürften steigen

Kontinuität spielt dabei eine entscheidende Rolle. «Nachhaltige Dividendenzahlungen sind ein wichtiger Indikator für die Solidität und die zukünftige Rentabilität einer Firma», sagt Credit-Suisse-Experte Maag. Mit stabilen oder steigenden Dividenden können Unternehmen nämlich auf einfache Weise ihre Stärken demonstrieren. «Viele Schweizer Gesellschaften dürften in den nächsten Jahren höhere Gewinne und Cashflows erwirtschaften, verfügen über gesunde Bilanzen und planen keine grossen Investitionen», sagt Marc Hänni, Portfolio Manager des Fonds Vontobel Swiss Dividend. Was für ihn eine logische Konsequenz hat: «Wir gehen deshalb auch für die kommenden Jahre von steigenden Dividendenzahlungen aus.»

Jetzt blindlings auf Titel mit üppiger Ausschüttung zu setzen, ist allerdings nicht zielführend. Eine hohe Dividendenrendite bei einer Aktie mag zwar auf den ersten Blick verlockend sein, sie muss jedoch genau analysiert werden. «Besonders attraktiv sind Unternehmen, deren absolute Dividenden über die wirtschaftlichen Zyklen hinwegsteigen», sagt Vermögensverwalter Andreas Humpe von Schleber Finanz-Consult. Dies deutet nämlich auf ein krisenfestes Geschäftsmodell hin. Die Ausschüttung an sich ist zudem ein wichtiges Signal aus dem Unternehmen, da sie anzeigt, dass das Vertrauen in die Zukunft gross ist. «Anleger sollten darauf achten, dass die Dividende durch einen hohen Cashflow abgesichert ist», merkt Humpe an.

Dividendenpapiere sind ungeachtet dessen den generellen Gefahren der Anlageklasse Aktien ausgesetzt. «Allerdings verfügen solche Titel in der Regel über ein eher unterdurchschnittliches Risiko», sagt Portfolio Manager Andreas Humpe. Daher macht die Dividendenstrategie auch für konservative Anlegernaturen durchaus Sinn. Zumal im Moment am Geldmarkt keine attraktiven Zinsen abzuschöpfen sind.

Das Geld sitzt locker

Die Schweizer Konzerne zeigen sich dagegen überaus spendabel. Die aktuelle Dividendenrendite des SMI liegt laut Bloomberg bei 2,9 Prozent, auf Basis der erwarteten Zahlungen für 2013 steigt sie sogar auf 3,1 Prozent an. Dass es sich dabei um eine gesunde Entwicklung handelt, zeigt ein Blick auf die Ergebnisse. Die höhere Rendite geht mit einem erwarteten Gewinnwachstum im SMI von 19 Prozent einher. Der Durchschnitt der Analysten geht bei 18 Unternehmen für das Geschäftsjahr 2013 von einer Aufstockung der Dividende aus.

Mit Novartis und Swiss Re haben bereits zwei Grosskonzerne entsprechende Signale gesendet. Nachdem der Pharmakonzern seine Ausschüttungen in den vergangenen Jahren nur minimal erhöht hat, stellt das Management nun eine «starke, wachsende Dividende» in Aussicht. Das macht der heimische Konkurrent Roche längst vor. «Mit einer jährlichen durchschnittlichen Dividendensteigerung von beinahe 18 Prozent über die vergangenen 25 Jahre weist das Basler Pharmaunternehmen die höchste Steigerungsrate aller SMI-Titel auf», sagt Fondsmanager Hänni. Über die vergangenen zehn Jahre beträgt das Dividendenwachstum sogar über 40 Prozent.

Sicherheit in unsicheren Zeiten

Nicht jede Branche ist jedoch gleichermassen freigebig. Während zum Beispiel die Pharmakonzerne in der Regel hohe und stabile Dividenden ausschütten, zählt der Finanzsektor zu den Bereichen, die relativ anfällig für Schwankungen sind. «Derzeit werden vor allem von den Schweizer Versicherungswerten aufgrund der guten Geschäftsergebnisse der vergangenen Jahre attraktive Dividenden gezahlt», weiss Hänni. So stellt Swiss Re wie bereits für 2012 auch für das laufende Geschäftsjahr neben der normalen Gewinnbeteiligung eine Sonderdividende in Aussicht.

Auch der deutsche Konkurrent Münchener Rück möchte seine Aktionäre weiter bei Laune halten. Bis zur nächsten Generalversammlung im April 2014 kauft der weltgrösste Rückversicherer eigene Aktien im Wert von bis zu einer Milliarde Euro zurück. «Mit Aktienrückkäufen schütten wir zum wiederholten Mal in unserem Unternehmen erwirtschaftetes, aktuell nicht benötigtes Kapital an die Aktionäre aus – vergleichbar mit Dividenden», erklärt Finanzchef Jörg Schneider das Vorhaben. Neben dieser «indirekten» Zahlung dürften die Münchner im kommenden Jahr auch die direkte Überweisung an die Aktionäre aufstocken. Analysten erwarten eine Anhebung um 20 Cent auf 7.20 Euro je Aktie. Daraus errechnet sich eine Dividendenrendite von 4,5 Prozent.

Weniger zyklisch sind Sektoren wie Telekommunikation und Nahrungsmittel, die auch nachhaltig ansehnliche Dividenden ausschütten. «Bezeichnenderweise gehören sie zu den sogenannten defensiven Werten, deren Geschäftsverlauf weniger von der Entwicklung der Konjunktur abhängt», erläutert Vontobel-Experte Hänni und führt weiter aus: «Gerade in unsicheren Zeiten versprechen solche Titel also hohe Sicherheit.» Ein gutes Beispiel für diese These ist Nestlé. Seit Einführung der Namenaktien 1959 hat der Konzern durchgehend eine Dividende gezahlt. Während es in dieser langen Historie nie zu einer Kürzung kam, konnte der weltgrösste Nahrungsmittelhersteller seit 1996 sogar Jahr für Jahr etwas draufpacken.

Eindrucksvoller Kursverlauf

Elite der Elite. Eine noch «weissere Weste» trägt Coca-Cola. Der US-Getränkekonzern, der seit Jahrzehnten zu den Lieblingen von Starinvestor Warren Buffett zählt, beglückte seit 1920 jedes Quartal seine Aktionäre. Dabei legte der Konzern in den vergangenen 50 Jahren bei jeder Auszahlung noch eine Schippe drauf. Mit Dividendenrenditen im Bereich von drei Prozent ist das skizzierte Duo weiter überaus attraktiv.

Der Brausehersteller ist ein Paradebeispiel für die sogenannten «Dividenden-Aristokraten». Dabei handelt es sich um Unternehmen, die ihre Gewinnausschüttungen kontinuierlich anheben oder stabil halten, sie aber nie senken. Neben den bereits aufgeführten Schmuckstücken Nestlé, Roche und Münchener Rück zählen unter anderem auch Telekom-Riese AT&T, Pharmakonzern Sanofi oder Einzelhändler Walmart zu dieser auserwählten Gattung.

Dass es sich langfristig lohnt, auf die Elite der Dividendenzahler zu setzen, zeigt eindrucksvoll der Kursverlauf des S&P 500 Dividend Aristocrats, in welchem nur Unternehmen aufgenommen werden, die seit mindestens 25 Jahren jedes Jahr eine steigende Dividende bezahlen. Der Index kletterte seit Ende 1993 um fast 900 Prozent empor und schlug den S&P 500 um Längen.

Wandelnde Energiepolitik

Fachmann Hänni findet aber auch mahnende Worte. Seiner Ansicht nach muss beachtet werden, dass, selbst mit einem längerfristigen Anlagehorizont, Aktien mit einer überdurchschnittlichen Dividendenrendite keine Garantie für eine bessere Performance als der Gesamtmarkt sind. So hat etwa der Konsumgüter- und Haushaltswaren-Sektor über ein Jahrzehnt die beste Gesamtrendite erzielt. «Diese Unternehmen zahlen aber praktisch keine Dividende», so Hänni. Deutlich schlechter als der Markt haben dagegen die Versorger abgeschnitten, die eigentlich als überdurchschnittlich starke Dividendenzahler bekannt sind. Allerdings leiden die europäischen Branchenvertreter bereits seit Jahren unter Rezession und sich wandelnder Energiepolitik.

«Wie bei jedem Investmentstil sollte auch bei der Dividendenstrategie ein Augenmerk auf die Diversifikation gelegt werden», sagt Portfolio Manager Humpe. Global und diversifiziert in Dividendentitel zu investieren, ist heute auch kein Problem mehr. Angesichts der breiten Produktauswahl von Zertifikaten, Fonds und ETFs haben Anleger in Sachen Dividendenstrategie eher die Qual der Wahl. Humpe bevorzugt zum Beispiel aktiv verwaltete Fonds, da sie seiner Ansicht nach Vorteile gegenüber passiven Investments aufweisen. Die jeweiligen Fondsmanager können nämlich auf aktuelle Situationen am Markt deutlich schneller reagieren. Aktienindizes, auf die sich die ETF-Branche konzentriert, werden dagegen, wie etwa die Stoxx-Indizes, oft nur einmal im Jahr überprüft und angepasst.