Weingeruch hängt in der Luft, neben der Schwingtür lehnen zwei Gestalten mit verfilztem Haar und schmutzstarrenden Klamotten, in der Hand eine Zweiliterflasche mit billigem Wein. Bei Denner treffen sich die Alkoholiker. Genau wie bei Pick Pay. Um dieses Publikum streiten sich die beiden Lebensmitteldetailhändler.

Schnaps, Wein und Zigaretten sind die Lieblingsprodukte der Kunden von Denner und Pick Pay. Beide Lebensmitteldetailhändler verkaufen günstige Markenartikel. Beiden haftet der Ruf an, schmuddelig, chaotisch und unmodern zu sein. Denner ist rot, Pick Pay dasselbe in Gelb.

Der alte Kampf zwischen der zur Bon appétit Group gehörenden Pick-Pay-Kette und Denner geht nun in eine neue Runde: Denner möchte sich verändern und elegant, hell und sauber werden. Es wird darum gehen, wer die besseren Läden hat. Wer die schöneren Produkte und die billigeren Preise. Wer mehr Kunden anlockt. Letztlich wird es darum gehen, wer auf dem Markt bleibt und wer untergeht.

Eine Kampftrophäe sind die Epa-Superdiscounter, ehemalige Konkurrenten. Epa hat vor gut einem halben Jahr das Franchising eingestellt. Die selbstständigen Lebensmitteleinzelhändler, die unter der Dachmarke Epa Superdiscount ihre Waren feilgeboten hatten, mussten sich neu orientieren. 31 von ihnen firmierten ihre Läden in Denner um, 48 wollten lieber Partner von Pick Pay sein. In beiden Fällen bleiben sie selbstständig und übernehmen jeweils die Marke. Einziger Unterschied: Bei Denner heissen die Franchisenehmer «Satelliten», bei Pick Pay «Partner».

Warum wollen die einen lieber zu Denner gehören, warum die anderen zu Pick Pay? Wer ist besser? Und wer gewinnt?

«Denner», sagt Christian Zimmermann, Inhaber eines frisch umgerüsteten Denner-Geschäfts in Rupperswil, «ist als Discounter unschlagbar.» Jahrelang hatte keiner tiefere Preise, neuerdings auch nur Carrefour (ehemals Jumbo), wie das Verbrauchermagazin «K-Tipp» im August dieses Jahres ermittelte. Pick Pay landete in diesem Vergleich noch hinter Coop und Migros lediglich auf Platz fünf. Ein echtes Problem für eine Ladenkette, die als billig auftritt. Der Preis entscheidet bei einem Discounter über Sein oder Nichtsein. Und langfristig passen kaum zwei Billigketten auf den kleinen Schweizer Markt.

Man darf zweifeln, ob Denners kleine Preise bleiben. Denner-Chef Philippe Gaydoul baut bis Ende 2004 alle 314 eigenen Läden um – die Franchisenehmer müssen vorerst noch warten. Die neuen Geschäfte bekommen mehr Licht, eine moderne Schrift auf den Werbeschildern, rot gepunktete Fussböden und Regale, in denen alles in Reih und Glied steht. Ausserdem werden Scanner-Kassen eingeführt. Viele finden dies alles zwar schön, aber es ist teuer: 100 Millionen Franken kostet Gaydoul der Spass. Und ob neue Kunden kommen, nur weil Denner nun fast so bunt und edel aussieht wie Migros oder Coop, aber trotzdem weder Obst und Gemüse noch Frischfleisch verkauft, ist fraglich.

Seit Ex-Denner-Chef Karl Schweri vor eineinhalb Jahren gestorben ist, liegen bei dem Discounter zu drei Vierteln wieder Markenartikel in den Regalen. Auch das kostet. Ausserdem hat Gaydoul die Mindestlöhne auf 3500 Franken brutto erhöht, sie übersteigen damit diejenigen bei Migros und Coop. Schwierig, so billig zu bleiben und dennoch Geld zu verdienen. Gaydoul geht ein grosses Risiko ein.

«Wir wollen unsere Preispolitik nicht ändern», sagt er. Dem zollt er Tribut, indem er das Sortiment klein hält. Bei Denner hat man die Auswahl unter 1400 Artikeln, bei Pick Pay unter rund 4000 Produkten.

«Der Haken bei Denner ist das Sortiment», sagt Gerhard Freiburghaus, Inhaber von Pick-Pay-Geschäften in Konolfingen, Ipsach und Ostermundigen. «Hätten wir zu Denner und nicht zu Pick Pay gewechselt, müssten wir noch 2000 Artikel woanders einkaufen, um all das anzubieten, was wir anbieten wollen. Das wäre viel zu teuer und umständlich.»

Wer so viele Artikel führt wie Pick Pay, kann viele Aktionspreise bieten – so das Konzept der gelben Kette. Denner verzichtet weitgehend auf Aktionen. Das grosse Sortiment kostet aber auch Geld. «Am billigsten wäre natürlich nur ein Artikel», so Edwin A. Scherrer, Konzernchef der Bon appétit Group, «aber der Kunde ist anspruchsvoll.»

Dass auch Denner wieder Marken führt, birgt für beide Ketten Probleme: Sie ähneln einander noch mehr. Die Pick-Pay-Verantwortlichen haben allerdings nicht das Gefühl, reagieren zu müssen. Denner hat viel Wirbel veranstaltet um den neuen Auftritt – daneben verblasst das Profil von Pick Pay. Ohne eigenes Gesicht, ohne unschlagbare Preise und ohne die Besonderheit Markenartikel wird es schwer, sich über Wasser zu halten.

Tiefpreise versus Grosssortiment mit vielen Aktionen: fraglich, womit sich mehr Geld verdienen lässt. Der Umsatz ist im ersten Halbjahr 2002 sowohl bei Denner (um 12 Prozent) als auch bei Pick Pay (um 15 Prozent) gewachsen. Denner halfen – wie schon im vergangenen Jahr – die teureren Markenartikel, Pick Pay vor allem die neuen Partner.

Pick Pay plant einen neuen Werbeauftritt. Aber nicht wegen Denner, wie es heisst. «Wir fühlen uns überhaupt nicht bedroht», sagt Scherrer. «Uns überrascht, dass Denner solche Aufmerksamkeit erregt.»

Denner hat einiges wettzumachen: Die Geschichte des Detailhändlers in den letzten Jahren vor Schweris Tod ist eine Geschichte des Niedergangs. Alles falsch gemacht habe der Discounter, sagen Branchenkenner. Schweri setzte auf Eigenmarken, hatte aber die schlechtere Dachmarke als Migros. Er weigerte sich, die Bezahlung mit EC-Karten einzuführen, weil er selbst immer viel Bargeld bei sich trug und nicht begriff, dass hemmungsloser einkauft, wer nicht mit dem Kleingeld in der Hosentasche kalkulieren muss. In den Läden erneuerte er nur das Nötigste; grosse Investitionen waren seine Sache nicht. All das musste Denner teuer bezahlen. Der Umsatz brach ein, vor zehn Jahren lag er bei 1,8 Milliarden Franken – rund 600 Millionen Franken höher als im vergangenen Jahr. Denners Umsatz überstieg den von Pick Pay noch um ein Vielfaches – heute liegt er doppelt so hoch. «Wir betreiben heute sicher auch Vergangenheitsbewältigung», sagt Gaydoul, «aber wir wollen dann einen Schritt schneller sein als die anderen. Wir haben es Pick Pay in den letzten Jahren leicht gemacht.»

Betrachtet man die letzten fünfzehn Jahre, schreibt Pick Pay die Erfolgsgeschichte, nicht Denner. Kein Wunder, dass man bei Pick Pay noch nicht in Panik verfällt, bloss weil Denner sich nun in neuem Gewand zeigt. «Ich denke, Pick Pay war eher Vorbild für Denner», sagt Bon-appétit-Chef Scherrer. Im Januar bekommen sowohl Pick Pay mit Rolf Hinze als auch die Bon appétit Group mit Alain Caparros neue Chefs – vielleicht bringen sie doch frischen Wind.

Auch mit den Epa-Superdiscountern merzt Denner Fehler der Vergangenheit aus: Viele Ladenbesitzer kehren zu etwas zurück, was sie schon kennen. Vor acht Jahren kündigten über 60 Besitzer von Denner-Satelliten wütend ihre Verträge, weil der damalige Denner-Chef Karl Schweri das Sortiment auf 1000 Artikel beschränken wollte, und warfen sich stattdessen in die Arme von Epa. Denner hat verbrannte Erde hinterlassen. Nach diesem Erlebnis kommt für etliche nicht mehr in Frage, mit Denner nochmals Geschäfte zu machen.

Pick Pay übernahm allerdings nur diejenigen, die jährlich mehr als zwei Millionen Franken umsetzten. Viele kleinere wechselten zu Denner. Aber auch die Grossen wollten nicht alle zu Pick Pay: Von «Sklavenverträgen» bei Pick Pay sprechen Ladeninhaber, die sich für Denner entschieden haben.

«Bei Denner hat man viel mehr Freiheiten», sagt Denner-Ladeninhaber Zimmermann. Bei einem Wechsel von Epa zu Pick Pay hat sich für die Franchisenehmer nicht viel geändert, ausser den Vertragsbedingungen. Lieferant sowohl von Epa als auch von Pick Pay ist Usego, ein Unternehmen der Bon appétit Group: die gleichen Lastwagen, die gleichen Chauffeure, die gleichen Kisten – nur alles zu schlechteren Konditionen. Ein Witz, fanden einige Lebensmittelhändler und handelten lieber mit Denner Verträge aus.

«Bei Denner wäre die Gewinnspanne zu klein», begründet dagegen Ladeninhaber Freiburghaus seinen Wechsel zu Pick Pay. Branchenkenner fragen sich ohnehin, ob alle Lebensmitteldetaillisten Geld verdienten. Denner-Chef Gaydoul hat angekündigt, eine Gewinnspanne von zwei Prozent erzielen zu wollen, was viel ist im Lebensmitteleinzelhandel.

Damit genug Geld in die Kassen kommt, darf der Umsatz nicht zu niedrig sein. Wer unter einer Milliarde Franken im Jahr umsetze, habe es schwer, meinen Branchenkenner. Denners Umsatz lag 2001 bei 1,34 Milliarden, der von Pick Pay bei 729 Millionen Franken. Pick Pay bekommt allerdings von ihrer Muttergesellschaft Bon appétit Group den Rücken gestärkt; deren Umsatz addiert sich zu 3,2 Milliarden Franken (2001). Zu der Gruppe gehören neben Pick Pay weitere Lebensmitteldetailhändler (Primo, Visavis, Lekkerland usw.), der Gastro-Bereich (mit Prodega usw.) und die Logistik (Usego). Der Denner-Konzern umfasst dagegen neben dem Discounter nur noch den Lebensmitteldetailhändler Waro sowie die Spielwarenkette Franz Carl Weber.

Wer heute im Schweizer Lebensmitteldetailhandel grösser wird, der wird es auf Kosten von anderen. Der Markt stagniert, an jeder Ecke steht ein Lebensmittelladen – viel zu viele sind es für die kleine Schweiz. «Die Konzentration schreitet voran», sagt Samuel Dubno, Detailhandelsexperte am Gottlieb Duttweiler Institut in Rüschlikon. Die besseren Karten im Discountgeschäft hat seiner Meinung nach im Moment Denner.

In den nächsten Jahren wird die Schlacht entschieden. Wer gewinnt, weiss keiner. Warum nicht einfach Gelb und Rot mischen, heraus käme Orange; warum kein dritter Lebensmittelriese mit orangefarbigem Markenzeichen? «Zum heutigen Zeitpunkt ist das kein Thema», sagt Philippe Gaydoul. «Man kann das jedoch nicht mit Nein beantworten, aber auch nicht mit Ja.»
Partner-Inhalte