Soll es ein Ferrari oder bloss ein 2CV werden? Darüber debattieren mit Verve die Vertreter von Banken, Konzernen, Verbänden und Wirtschaftspolitiker hinter verschlossenen Türen, wenn es um die Reform der Verrechnungssteuer geht. Es gibt grosse, mittlere und kleine Varianten. Sie alle kommen jetzt aufs Tapet, nachdem das Volk der Firmensteuerreform zugestimmt hat.

Verrechnungssteuer? Das ist für Inländer der nervige Abzug von 35 Prozent auf die Erträge von Konten, Obligationen, Fonds und Dividenden von Schweizer Titeln per Ende Jahr. Als Steuerzahler erhält man die 35 Prozent erstattet, wenn man die Anlagenerträge deklariert. Aber ausländische Anleger erhalten bloss 20 Prozent zurück. Der Rest bleibt in der Bundeskasse.

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Ferrari heisst hier Tesla

Geht es nach den Bürgerlichen und der Wirtschaft, sollte der Abzug in Zeiten des automatischen Informationsaustauschs deshalb abgeschafft werden. Mehrere parlamentarische Vorstösse sind in Stellung.

Die Ferrari-Variante, portiert von der Bankiervereinigung – die sie lieber Tesla nennt –, will alle steuerlichen Hürden beseitigen, um bedeutende Teile des Investment Bankings in die Schweiz zu repatriieren. Diese Banken sitzen heute vornehmlich im Ausland, abgeschreckt von der Verrechnungssteuer und weiteren Abgaben – darunter die Stempelsteuer und die Emissionsabgabe.

Halb Luxemburg, Irland, die Kanal- und die Jungferninseln leben von diesem Geschäft. Im Detail geht es um die Ausgabe und den Handel von Obligationen, Fonds und strukturierten Produkten, das Führen von Depots für Ausländer, die Verwaltung von Treuhandanlagen sowie die Emission von Aktien.

Gute Idee, aber ...

Die Tesla-Variante ist schön und gut, wären da nicht zwei grosse Aber. Das erste dreht sich um die Steuerehrlichkeit: Solange das Bankgeheimnis für Inländer Bestand hat, brauchen die Kantone den Steuerabzug als Faustpfand, damit ihre Steuerzahler ihre Einkünfte deklarieren.

Das zweite grosse Aber betrifft die Frage, wie Bund und Kantone Fiskalverluste kompensieren, sollte die Steuer abgeschafft werden. Grosse Summen stehen auf dem Spiel. Eine Zahl veranschaulicht die Bedeutung: Die Verrechnungssteuer spülte dem Bund zuletzt 7,7 Milliarden Franken ein – Tendenz steigend. So viel kosten die Armee und die Agrarsubventionen zusammen. Sollte die Reform auch nur einen Drittel der Erträge tangieren, wäre die Ferrari-Variante ein finanzpolitisches Megathema. Die Linke, so hört man, habe bereits erklärt, sie würde sie vors Volk bringen.

Angesichts dieser gewichtigen Aber wird deutlich, warum derzeit nicht nur die Ferrari-Variante zirkuliert, sondern noch drei weitere Vorschläge. Der eine stammt von einer Expertengruppe des Bundes und der Kantone unter Beteiligung der Wirtschaft. Sie wird als Expertenvariante bezeichnet. Ein weiterer stammt von der Wirtschaftskommission des Nationalrats und eine dritter von Inlandbanken.

Die Expertenvariante wird von Bankenkreisen als die «mit dem grössten Aufwand und dem kleinsten Output» abgekanzelt. Maurers Experten wollen den Sicherungszweck der Steuer wegen des Bankgeheimnisses für Private aus- statt abbauen. Dies einzurichten, würde eine Stange Geld kosten. Die Rede ist von 0,6 bis 1,2 Milliarden Franken, die sich die Banken mittels einer neuen Gebühr fürstlich entlöhnen liessen.

Maurer dämpfte die Erwartungen

Unter anderem wären neu Abzüge auf Erträge von ausländischen Obligationen und Aktien auf privaten Schweizer Bankdepots fällig. Heute sind diese ausgenommen. Umgekehrt, so die Banken, wären die Anreize, das inländische Obli-Geschäft anzukurbeln, sehr beschränkt.

Laut Quellen hat sich Maurer die Kritik ohne Freude angehört und begonnen, die Erwartungen zu dämpfen. Letzten Sonntag warnte er in der Sendung «Echo der Zeit», neue Steuerreformen würden «wahrscheinlich ein Sparprogramm bedingen».

Mit anderen Worten: Wenn Banken ihre grosse Reform wollen, müssten sie gegen das Armeebudget, gegen Mehrausgaben für Sozialpolitik, gegen die Pläne zur Abschaffung der Heiratsstrafe und solche zur Abschaffung von Industriezöllen antreten, um die Staatskasse zu beanspruchen.

Erträge aus der Verrechnungssteuer

7.7 Milliarden Franken: Die Erträge aus der Verrechnungssteuer steigen seit Jahren. Das meiste von nicht rückerstatteten Steuern ausländischer Investoren auf Aktien.

Quelle: Handelszeitung

Inlandbanken riechen Debakel

Das klingt nach programmiertem Debakel. «Im dritten Anlauf innert zehn Jahren darf die Verrechnungssteuerreform nicht nochmals scheitern», warnt ein Exponent der Economiesuisse. So sind die Kantonal- und Inlandbanken auf den Plan getreten mit einer sogenannten kleinen Reform.

Sie wird von den Gegnern abwertend als «Deux-Chevaux» betitelt, denn sie sieht bloss die Abschaffung der Verrechnungssteuer eine Abschaffung der Steuer bei Obligationenzinsen für juristische Personen in der Schweiz und ausländische Anleger vor. Die Abrechnung würde die SIX als Verwahrungsstelle erledigen.

Laut Inlandbanken würde die Umsetzung weniger als 10 Millionen Franken kosten und kaum Steuerausfälle verursachen. Sie wäre politisch risikolos. Dafür dürfte das Obli-Geschäft wegen fiskalischer Hürden wohl kaum auf Touren kommen.

Die Einnahmen der Stempelsteuer belaufen sich auf 1.2 Milliarden Franken
Quelle: Handelszeitung

Nun hört man aber, dass Maurer und seine Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) in Verlegenheit geraten sind. Die auf Juni versprochene Reform soll «auf später» verschoben werden, Termin unbekannt.

Das ärgert die Bürgerlichen der Subkommission der Wirtschaftskommission des Nationalrats. Ihre vierte Variante ist als Drohkulisse und Gegengewicht zur technokratischen Expertenvariante zu sehen.

Ein Beispiel: Sie will, dass ein Kunde Ende Jahr verpfiffen wird, sollte nicht genügend Geld auf dem Konto sein, um die Steuer abzuziehen. Sprich: Das Bankgeheimnis soll gelüftet werden. Diese Idee ist den SVP-Vertretern ein Dorn im Auge. Ihre Sympathien liegen deshalb beim «Deux-Chevaux» der Inlandbanken, welches das Bankgeheimnis zu wahren gelobt.