Wo ist bloss das Prinzip Hoffnung geblieben? Zum ersten Mal seit zehn Jahren ertönt das Wort Rezession. Sogar die Banken, die noch jedes Jahr dem (Zweck-)Optimismus verfielen, sind skeptisch, was die US-Konjunktur betrifft. Einige malen gar ein tief düsteres Bild.
So vergleicht die Deutsche Bank die US-Wirtschaft neuerdings mit einem Patienten auf der Intensivstation, «dessen Puls kaum mehr fühlbar ist und der möglicherweise ein weiteres Jahr am Tropf hängen muss». Die Deutschen Banker schätzen die Gefahr einer Rezession in den USA derzeit sogar grösser ein als die Chancen für einen schnellen Wiederaufschwung. «Es besteht die Gefahr, dass die Märkte noch stärker einbrechen», schreibt die Deutsche Bank im düsteren «World Outlook» vom zweiten Quartal 2001.
Ungewohnte Töne auch bei der Credit Suisse. Ökonomin Anja Hochberg befürchtet, «dass sich die Geldpolitik diesmal als eine ziemlich stumpfe Waffe erweisen könnte, da die beiden vergangenen Jahre durch exzessive Investitionen, vor allem im Technologiebereich, gekennzeichnet waren». Eine rasche Renaissance der Technologieaktien, folgert Hochberg, sei vor diesem Hintergrund nicht absehbar.
Selbst amerikanische Analysten, bekannt für ihren Daueroptimismus, stimmen neuerdings ins Trauerlied ein. Die US-Investmentbank Merrill Lynch warnt vor einem Credit-Crunch, einer Kreditverknappung, und bringt sogar Inflationsrisiken ins Spiel. «Firmen gehen reihenweise in Konkurs und entlassen massenhaft Leute», mahnt Jeanne Terrile. Die Merrill-Analystin ist auf der Hut. «Irgendwie sieht dieser Abschwung immer noch erstaunlich gesund aus.» Ihren Kunden legt sie die Flucht in sichere Werte wie Staatsobligationen und defensive Aktien nahe.
Haben die Banken nach den Kursstürzen in den USA kalte Füsse bekommen? Noch scheint ja nicht alles verloren, noch strafen rosarote Fakten die tiefschwarzen Prophezeiungen Lügen. Die amerikanische Wirtschaft wuchs im ersten Quartal zwar deutlich schwächer als früher, aber sie wuchs. Die Amerikaner sind zwar etwas pessimistischer, was die Zukunft anbetrifft, aber sie konsumieren noch immer kräftig. Die Sparrate ist mit –1,3 Prozent so tief wie seit 1933 nicht mehr. Doch warum musste US-Notenbankchef Alan Greenspan dann die Zinsen so stark senken?
Sicher ist zurzeit wohl nur eines: dass nämlich überhaupt nichts mehr sicher ist. Die US-Finanzwelt ist misstrauisch und zutiefst gespalten. Eine grosse Mehrheit der Ökonomen mag zwar weiterhin nicht an eine Rezession in diesem und im nächsten Jahr glauben, gleichwohl trauen viele unter ihnen, allen voran die Value-Investoren, dem Markt zurzeit nicht über den Weg. Ihrer Meinung nach wurde während des Crashs einfach zu viel Geschirr zerschlagen, als dass die USA schon wieder zum nächsten Boom übergehen könnten. «Die Hälfte der Amerikaner besitzt Aktien, 30 Prozent der Vermögen sind in Aktien angelegt. Es wird seine Zeit brauchen, bis sich der Crash durch das Land gefressen hat», ist etwa David Folkerts-Landau, Chef Global Markets Research bei der Deutschen Bank, überzeugt. Auch Barton Biggs, Chefstratege von Morgan Stanley, glaubt, dass Amerika diesmal nicht so einfach den Kopf aus der Schlinge ziehen kann. «Sämtliche Blasen des letzten Jahrhunderts haben mindestens zwei Jahre gebraucht, bis sie vollständig implodiert waren», kalkuliert Biggs und verweist auf Asien, wo Wirtschaft und Börsen seit dem Crash von 1998 daniederliegen.
Ein völlig anderes, geradezu strahlendes Zukunftsbild hat sich dagegen in den Köpfen von Millionen von US-Anlegern festgesetzt, die in der ersten Maiwoche 8,6 Milliarden Dollar in Aktienfonds pumpten, so viel wie seit Ende März 2000 nicht mehr. Sie sind felsenfest davon überzeugt, dass der nächste Boom schon vor der Tür steht.
Anfang Mai waren 64 Prozent der Geldmanager an der Wall Street «bullish». Und glaubt man einer Studie der US-Marktforschungsfirma Northwest Survey & Data, so ist auch die Mehrheit der amerikanischen Kleinanleger festen Glaubens, dass die Aktienkurse bald wieder steigen werden. Jeder Fünfte rechnet sogar damit, dass Aktien in den nächsten zehn Jahren eine jährliche Rendite von mindestens 20 Prozent abwerfen.
«Es hat keinen Sinn, sich gegen die US-Notenbank zu stellen. Wenn Zinsen und Aktienkurse sinken, muss man einfach zugreifen», ist Ed Kerschner überzeugt. Den Chefstrategen von UBS Warburg schrecken selbst die nach wie vor hohen Kurs-GewinnVerhältnisse von 50 und mehr gewisser Technologieaktien nicht ab. Die Ertragseinbrüche, meint Kerschner, seien ein temporäres Phänomen, das verschwinden dürfte, sobald die US-Wirtschaft dank den Zinssenkungen wieder anziehe.
Können Millionen von Konsumenten und Kleinanlegern irren? Immerhin sind sie es, welche die amerikanische Wirtschaft vor einer drohenden Rezession retten könnten. Ist also doch alles nur halb so schlimm, wie die Zürcher Kantonalbank («keine Rezession in den USA») prophezeit?
Stephen Roach ist skeptisch. «Die Massenentlassungen werden empfindlich an der Zuversicht der Amerikaner rütteln, auch morgen noch einen Job zu haben», ist der Chefstratege von Morgan Stanley Dean Witter überzeugt. Dann, so Roach, käme die Rezession. Doch bis es so weit sei, fügt Ex-Notenbank-Ökonom Herrick ein, müsse die US-Arbeitslosenquote, die derzeit bei 4,5 Prozent liegt, auf mindes- tens 5 Prozent ansteigen. «Von diesem Niveau an spielt der Schockeffekt», weiss Herrick.
Während sich europäische und asiatische Finanzexperten noch darüber streiten, inwieweit ihre eigenen Länder von einer möglichen US-Rezession betroffen wären, sind die Anleger dieser Nationen fieberhaft damit beschäftigt, das Ausmass ihrer US-Verluste zu beziffern. Rund 400 Milliarden Dollar haben ausländische Investoren in den letzten vier Jahren in den amerikanischen Boom inves- tiert. Für David Folkerts-Landau von der Deutschen Bank steht angesichts solch gigantischer Summen schon heute ausser Zweifel, dass die gesamte Weltwirtschaft mit in den Abgrund gerissen würde, wenn Amerika in die Rezession fiele. Wenn.
So vergleicht die Deutsche Bank die US-Wirtschaft neuerdings mit einem Patienten auf der Intensivstation, «dessen Puls kaum mehr fühlbar ist und der möglicherweise ein weiteres Jahr am Tropf hängen muss». Die Deutschen Banker schätzen die Gefahr einer Rezession in den USA derzeit sogar grösser ein als die Chancen für einen schnellen Wiederaufschwung. «Es besteht die Gefahr, dass die Märkte noch stärker einbrechen», schreibt die Deutsche Bank im düsteren «World Outlook» vom zweiten Quartal 2001.
Ungewohnte Töne auch bei der Credit Suisse. Ökonomin Anja Hochberg befürchtet, «dass sich die Geldpolitik diesmal als eine ziemlich stumpfe Waffe erweisen könnte, da die beiden vergangenen Jahre durch exzessive Investitionen, vor allem im Technologiebereich, gekennzeichnet waren». Eine rasche Renaissance der Technologieaktien, folgert Hochberg, sei vor diesem Hintergrund nicht absehbar.
Selbst amerikanische Analysten, bekannt für ihren Daueroptimismus, stimmen neuerdings ins Trauerlied ein. Die US-Investmentbank Merrill Lynch warnt vor einem Credit-Crunch, einer Kreditverknappung, und bringt sogar Inflationsrisiken ins Spiel. «Firmen gehen reihenweise in Konkurs und entlassen massenhaft Leute», mahnt Jeanne Terrile. Die Merrill-Analystin ist auf der Hut. «Irgendwie sieht dieser Abschwung immer noch erstaunlich gesund aus.» Ihren Kunden legt sie die Flucht in sichere Werte wie Staatsobligationen und defensive Aktien nahe.
Haben die Banken nach den Kursstürzen in den USA kalte Füsse bekommen? Noch scheint ja nicht alles verloren, noch strafen rosarote Fakten die tiefschwarzen Prophezeiungen Lügen. Die amerikanische Wirtschaft wuchs im ersten Quartal zwar deutlich schwächer als früher, aber sie wuchs. Die Amerikaner sind zwar etwas pessimistischer, was die Zukunft anbetrifft, aber sie konsumieren noch immer kräftig. Die Sparrate ist mit –1,3 Prozent so tief wie seit 1933 nicht mehr. Doch warum musste US-Notenbankchef Alan Greenspan dann die Zinsen so stark senken?
Sicher ist zurzeit wohl nur eines: dass nämlich überhaupt nichts mehr sicher ist. Die US-Finanzwelt ist misstrauisch und zutiefst gespalten. Eine grosse Mehrheit der Ökonomen mag zwar weiterhin nicht an eine Rezession in diesem und im nächsten Jahr glauben, gleichwohl trauen viele unter ihnen, allen voran die Value-Investoren, dem Markt zurzeit nicht über den Weg. Ihrer Meinung nach wurde während des Crashs einfach zu viel Geschirr zerschlagen, als dass die USA schon wieder zum nächsten Boom übergehen könnten. «Die Hälfte der Amerikaner besitzt Aktien, 30 Prozent der Vermögen sind in Aktien angelegt. Es wird seine Zeit brauchen, bis sich der Crash durch das Land gefressen hat», ist etwa David Folkerts-Landau, Chef Global Markets Research bei der Deutschen Bank, überzeugt. Auch Barton Biggs, Chefstratege von Morgan Stanley, glaubt, dass Amerika diesmal nicht so einfach den Kopf aus der Schlinge ziehen kann. «Sämtliche Blasen des letzten Jahrhunderts haben mindestens zwei Jahre gebraucht, bis sie vollständig implodiert waren», kalkuliert Biggs und verweist auf Asien, wo Wirtschaft und Börsen seit dem Crash von 1998 daniederliegen.
Ein völlig anderes, geradezu strahlendes Zukunftsbild hat sich dagegen in den Köpfen von Millionen von US-Anlegern festgesetzt, die in der ersten Maiwoche 8,6 Milliarden Dollar in Aktienfonds pumpten, so viel wie seit Ende März 2000 nicht mehr. Sie sind felsenfest davon überzeugt, dass der nächste Boom schon vor der Tür steht.
Anfang Mai waren 64 Prozent der Geldmanager an der Wall Street «bullish». Und glaubt man einer Studie der US-Marktforschungsfirma Northwest Survey & Data, so ist auch die Mehrheit der amerikanischen Kleinanleger festen Glaubens, dass die Aktienkurse bald wieder steigen werden. Jeder Fünfte rechnet sogar damit, dass Aktien in den nächsten zehn Jahren eine jährliche Rendite von mindestens 20 Prozent abwerfen.
«Es hat keinen Sinn, sich gegen die US-Notenbank zu stellen. Wenn Zinsen und Aktienkurse sinken, muss man einfach zugreifen», ist Ed Kerschner überzeugt. Den Chefstrategen von UBS Warburg schrecken selbst die nach wie vor hohen Kurs-GewinnVerhältnisse von 50 und mehr gewisser Technologieaktien nicht ab. Die Ertragseinbrüche, meint Kerschner, seien ein temporäres Phänomen, das verschwinden dürfte, sobald die US-Wirtschaft dank den Zinssenkungen wieder anziehe.
Können Millionen von Konsumenten und Kleinanlegern irren? Immerhin sind sie es, welche die amerikanische Wirtschaft vor einer drohenden Rezession retten könnten. Ist also doch alles nur halb so schlimm, wie die Zürcher Kantonalbank («keine Rezession in den USA») prophezeit?
Stephen Roach ist skeptisch. «Die Massenentlassungen werden empfindlich an der Zuversicht der Amerikaner rütteln, auch morgen noch einen Job zu haben», ist der Chefstratege von Morgan Stanley Dean Witter überzeugt. Dann, so Roach, käme die Rezession. Doch bis es so weit sei, fügt Ex-Notenbank-Ökonom Herrick ein, müsse die US-Arbeitslosenquote, die derzeit bei 4,5 Prozent liegt, auf mindes- tens 5 Prozent ansteigen. «Von diesem Niveau an spielt der Schockeffekt», weiss Herrick.
Während sich europäische und asiatische Finanzexperten noch darüber streiten, inwieweit ihre eigenen Länder von einer möglichen US-Rezession betroffen wären, sind die Anleger dieser Nationen fieberhaft damit beschäftigt, das Ausmass ihrer US-Verluste zu beziffern. Rund 400 Milliarden Dollar haben ausländische Investoren in den letzten vier Jahren in den amerikanischen Boom inves- tiert. Für David Folkerts-Landau von der Deutschen Bank steht angesichts solch gigantischer Summen schon heute ausser Zweifel, dass die gesamte Weltwirtschaft mit in den Abgrund gerissen würde, wenn Amerika in die Rezession fiele. Wenn.
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