Es gibt in der Schweiz rund 300 Unternehmen, deren Aktien nicht an der Six kotiert sind und ausserbörslich gehandelt werden. Dieser Handel – auch als «Over-the-Counter» respektive «OTC» bezeichnet – geschieht beispielsweise durch die Berner Kantonalbank oder durch die Zürcher Privatbank Lienhardt & Partner.
Obwohl das OTC-Trading von vielen Anlegerinnen und Anlegern links liegen gelassen wird, hat dieser Markt sehr wohl Qualität und bietet Chancen: So hat der «Lienhardt & Partner Nebenwerte TR Index», der 38 nichtkotierte Aktien umfasst, letztes Jahr trotz Marktturbulenzen nur 5 Prozent verloren. Der Index umfasst die wertvollsten und liquidesten Titel im Schweizer OTC-Universum. Im Gegensatz dazu ist der Swiss Performance Index (SPI), der nahezu alle kotierten schweizerischen Aktiengesellschaften abbildet, in derselben Zeitperiode 16 Prozent abgesackt.
Der Kursverlauf ist bei den Nebenwerten meist relativ gemächlich. Dies gilt gegen unten, aber auch gegen oben. So hat der «Lienhardt & Partner Nebenwerte TR Index» dieses Jahr 1 Prozent gewonnen, während der SPI 3 Prozent höher steht. «Nichtkotierte Aktien sind wie Bonds mit einer guten Rendite», sagt André Spillmann von der Privatbank zu Cash.ch. Dies gelte insbesondere für Regionalbanken, wo zum Beispiel Anleger mit regionaler Verbundenheit ihr Geld regelrecht parken können. Die Zürcher Landbank, Clientis Bank Toggenburg und acrevis Bank bieten jährliche Ausschüttungen von mehr als 2,6 Prozent.
Hohe Eigenkapitalquoten bieten Sicherheit
Ein Grund für die Stabilität von nichtkotierten Schweizer Nebenwerten liegt beim Aktionariat: Internationale oder auch institutionelle Investoren stellen eher die Ausnahme dar. In Krisenzeiten wird das Kapital nicht ins Ausland umgeschichtet. Besitzer dieser Aktien sind stattdessen überwiegend Anlegerinnen und Anleger aus der Schweiz, wobei auch die regionale Herkunft des Unternehmens eine grosse Rolle bei der Zusammensetzung des Aktionariats spielt. Diese Investorinnen und Investoren haben zumeist einen längeren Anlagehorizont, was die Volatilität der Aktien mindert.
«Für jeden Substanz-Investor ist es ein Paradies. Die meisten Gesellschaften haben sehr starke Bilanzen und sehr hohe Eigenkapitalquoten», fügt Spillmann an. Die Eigenkapitalquote liege bei den meisten Gesellschaften des «Lienhardt & Partner Nebenwerte TR Index» bei über 50 Prozent. Zudem seien diese oftmals gespickt mit stillen Reserven. «Dies bietet für einen Investor eine grosse Sicherheit, da auch in turbulenten Zeiten grosse Absacker tendenziell ausbleiben», so Spillmann.
Die an der Six kotierten Unternehmen publizieren meist pro Quartal einen Bericht zum Geschäftsverlauf und generieren viel News. Dies fehlt bei den nichtkotierten Unternehmen, die in der Regel einmal pro Jahr ihren Zahlenkranz veröffentlichen. Durch diesen Umstand fehlen laut Spillmann die aggressiven Kurstreiber. Es kann aber sein, dass ein kotiertes Unternehmen positive Nachrichten publiziert, was gewiefte Investoren zu Käufen von nichtkotierten Unternehmen aus dem gleichen Sektor bewegt.
Bobst auch ohne Sonderdividende interessant
Die OTC gehandelten Unternehmen verfügen gesamthaft gesehen über defensive Qualitäten. Viele davon sind grosszügige Dividendenzahler, wie die untenstehende Tabelle mit zwanzig ausgewählten Titeln zeigt – Finanztitel sind ausgenommen. Diese ist nach absteigender Dividendenrendite sortiert. Die Privatbank Lienhardt & Partner hat die Daten zur Verfügung gestellt.
Die Nummer eins, Febex, lässt mit einer Dividendenrendite von 15,6 Prozent die an der SIX kotierten Leonteq mit 7,2 Prozent oder Adecco mit 7,1 Prozent weit hinter sich. Das Chemieunternehmen ist aber eine wenig bekannte Gesellschaft, die auch keine genauen Daten zur Ausschüttungshistorie bietet. Man kann daher nur darüber spekulieren, ob es sich um eine einmalige Sonderdividende handelt.
Bobst, das mit 14,7 Prozent auf dem zweiten Platz landet, ist für eine Investition interessanter: Der Maschinenbauer bietet jetzt eine Sonderdividende, aber auch ohne diese sticht die Ausschüttungsrendite mit 7,3 Prozent heraus. Der Vorteil von Bobst ist zudem, dass das Unternehmen eine Guidance bietet, da es vorher kotiert war. Febex und Bobst sind gleichzeitig ein Beispiel dafür, dass auch bei den Nebenwerten der Kurs Sprünge machen kann. Während Febex seit Jahresbeginn 37 Prozent tiefer steht, ist Bobst 23 Prozent in die Höhe geschossen.
Auch bei der NZZ erwartet man zu der regulären Dividende eine Sonderdividende – plus 400 Franken. «Nur ist dort der Zug abgefahren», warnt Spillmann. Es ist bei den nichtkotierten Nebenwerten eine Eigenheit, dass die Aktienbücher relativ lange vor der Generalversammlung (GV) geschlossen werden. Dies geschieht meistens, wenn die Unternehmen ihre Jahreszahlen bekanntgeben. Die GV der NZZ findet am 15. April statt. Die Schliessungen der Aktienregister kann man im SHAB oder zum Teil auf der Homepage der jeweiligen Gesellschaft finden.
Versorger mit Kurspotenzial, Liquidität als Nebenwerte-Problem
Ein interessanter Kandidat ist die Immobilienanlagegesellschaft Espace Real Estate. Denn die Ausschüttungen sind voraussichtlich steuerfrei. Oder der Energieversorger EW Jona Rapperswil – er zahlt seit Jahren eine Dividende von 200 Franken aus, was aktuell einer Rendite von 4 Prozent entspricht. Auch der Erdgasversorger Holdigaz ist eine Aktie, die letztes Jahr enorm abgestraft wurde und sich dieses Jahr laut Spillmann erholen dürfte. Der Marktexperte setzt zudem auf den Maschinenbauer Rapid Holding und den Versorger Energie Zürichsee Linth.
Liquidität ist bei nichtkotierten Nebenwerten ein bekanntes Problem. «Es gibt Titel, die haben weniger als vier bis fünf Abschlüsse im Jahr. Dann kann es schon sein, dass man mit kleinen Beträgen einen Kurs um 10 bis 15 Prozent bewegen kann», warnt Spillmann. Darum sollte man sich auf die bekannten und grössten Gesellschaften konzentrieren, da diese regelmässig gehandelt werden. Dort könne man jederzeit zu fairen Preisen ein- und aussteigen.
«Unerfahrene Anleger sollten nicht in Unione Farmaceutica, Swisstulle und HBB Holding investieren. Alle haben eine gute Rendite, aber die Liquidität ist sehr gering», sagt Spillmann. Was sich bei der Aktienauswahl als weiteres Problem entpuppen kann: Wenn man nicht als Aktionär eingetragen ist, hat man in einigen Fällen keinen Zugriff auf den Geschäftsbericht und es sind wenige Analysten-Studien zu den Titeln erhältlich. Die Offenlegungspflichten sind um einiges limitierter als bei kotierten Werten.
Für viele Anlegerinnen und Anleger kommt als Hindernis hinzu, dass die nichtkotierten Titel nur über spezielle Handelsplattformen gehandelt werden. Immerhin sind die Gebühren dort in der Regel tiefer als an den «grossen Börsen». Und zudem bieten gezielte Investments in nichtkotierte Nebenwerte schlussendlich eine Stabilität für das Portfolio und zuverlässige Renditen. Etwas, was gerade in Zeiten hoher Inflation und steigender Zinsen gefragt ist.
Dieser Artikel erschien zuerst auf cash.ch unter dem Titel «Bis zu 15 Prozent Rendite: Wo sich unter den Schweizer Nebenwerten Dividendenperlen finden».