Heulen und Zähneknirschen herrscht Anfang 2003. Der Aktienmarkt geht ins dritte Jahr seines Niedergangs. Am lautesten ob der Kursverluste wehklagen die Lebensversicherer; sie haben ihre Aktienanlagen just zu Zeiten der Höchstkurse kräftig ausgebaut und verkaufen nun auf den Tiefstständen panikartig. Das Resultat sind Verluste in Milliardenhöhe, die gestandene Konzerne wie «Winterthur» oder Swiss Life in die Schieflage treiben. Dementsprechend harsch ist der Tonfall in der hitzig geführten Diskussion um neue Spielregeln bei Pensionskassengeldern. Die Versicherungsgesellschaften verlangen subito eine Kürzung des BVG-Mindestzinssatzes, drohen andernfalls mit dem Rückzug aus der zweiten Säule. Die Medien stellen die Versicherer an den Pranger, die Gewerkschaften schreien «Rentenklau». Götterdämmerung herrscht in der Versicherungsbranche.
In der Stunde höchster Not machen sich «die heiligen drei Könige aus dem Züricher Land», so spöttisch ein damaliger Beobachter der Szene, auf gen Bern. Als da sind: James J. Schiro, Chef der «Zürich»; Leonhard Fischer, CEO der «Winterthur»; Rolf Dörig, oberster Lenker der Rentenanstalt, die später in Swiss Life umbenannt wird. Möglichst unauffällig begeben sie sich laut dem Beobachter zum Büro von Pascal Couchepin, der eben das Eidgenössische Department des Inneren übernommen hat und damit als frischgebackener Gesundheitsminister fungiert.
Die drei reisen nicht zu Kaffee und Kuchen in die Bundeshauptstadt. Was sie besprechen – wohl in Englisch, denn Schiro spricht kein Französisch, Couchepin kaum Deutsch –, dringt allerdings nie aus dem magistralen Büro. Sicher ist einzig, dass handfestes Lobbying auf allerhöchster Amtsstufe betrieben wird. Ein ungehöriger Vorfall? «Regelmässig finden Treffen zwischen Spitzen der Privatversicherer, des Versicherungsverbandes und der Politik statt. Bei diesen Treffen geht es um allgemeine Anliegen der Privatversicherer und deren Rahmenbedingungen, insbesondere auch in der beruflichen Vorsorge», meint die «Winterthur» freimütig.
«Lobbying gehört zum demokratischen Prozess. Ja, Lobbying ist nicht nur legitim, sondern absolut notwendig», verteidigt Lucius Dürr das System der Einflüsterer. Als Geschäftsleiter des Schweizerischen Versicherungsverbands (SVV) ist er selbst ein wichtiger Teil dieses Systems (siehe «Die emsigsten Lobbyisten der zweiten Säule» auf Seite 41). Doch auch von Politikern wird Lobbying kaum in Frage gestellt. Sie haben selbst dafür gesorgt, dass sich ein Heer von Interessenvertretern Zutritt ins Bundeshaus verschaffen und seine Anliegen vortragen kann. Jeder der 200 Nationalräte und 46 Ständeräte darf zwei Personen eine Zutrittskarte vergeben, und damit werden vor allem die Lobbyisten bedacht. So kommt es, dass zeitweise mehr Lobbyisten die Wandelhalle bevölkern als Parlamentarier – ein beängstigendes Schattenkabinett. Zählt man noch jene Gelegenheitslobbyisten dazu, die ausserhalb des Regierungsgebäudes als Meinungsbeeinflusser auftreten, dann weibeln in Bern wohl gegen sechshundert Drahtzieher für die Interessen von Banken, Versicherungen, Maschinenbauern, Pillendrehern, Exporteuren und Bauern.
Das Parlament selbst ist von Lobbyisten durchsetzt. Gegenüber Othmar Baeriswyl, der als Lehrbeauftragter für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Freiburg vor gut einem Jahr eine Studie durchführte, bezeichnete sich jeder zweite Parlamentarier als Lobbyist. Baeriswyl schätzte damals, dass die Politiker alleine für ihre Verwaltungsratsmandate zehn Millionen Franken kassieren. Das sind 40 000 Franken pro Parlamentarier und Jahr. Dabei nicht eingerechnet ist die gängigste Form der Entlöhnung für Flüsterdienste, nämlich saftige Wahlkampfspenden. Laut einem FDP-Nationalrat will mancher National- und Ständerat nicht Cash sehen, dafür mit kleinen Gefälligkeiten den Boden ebnen für lukrative Jobs nach der Politkarriere. Gesucht sind Verwaltungsratsmandate bei Banken und Versicherungen.
«Die meisten Lobbyisten sind dort anzutreffen, wo es um viel Geld geht. Und im Vorsorgegeschäft geht es um sehr viel Geld», sagt Toni Bortoluzzi, SVP-Nationalrat und einer der profiliertesten Experten im BVG-Bereich. 3,3 Millionen Versicherte in gut 8000 Sammelstiftungen der Versicherungen oder in eigenständigen Vorsorgestiftungen besitzen zusammen gegen 600 Milliarden Franken. Eine Summe, die Begehrlichkeiten weckt. Davon zwacken sich die Pensionskassen, Stiftungsräte, Vermögensverwalter, Berater, Experten, Revisionsgesellschaften und andere mehr «grob geschätzt ein Prozent vom verwalteten Vermögen ab», meint Pensionskassenexperte Graziano Lusenti. Das wären dieses Jahr etwa 6000 Millionen Franken, die in den Taschen der Vorsorgebranche verschwinden. Am meisten verschlingt die Vermögensverwaltung; da wird heftig kassiert, obwohl die Anlagerenditen teilweise zu wünschen übrig lassen (siehe «Glaubenskampf auf dem PK-Parkett» auf Seite 42).
Rund um diese fetten Vorsorgetöpfe hocken neben Versicherungen und Banken auch zahlreiche Verbände und Gruppierungen, die ihren Einfluss ausüben wollen. Insbesondere bei der ersten BVG-Revision, der Senkung des Umwandlungssatzes sowie des Mindestzinssatzes für die Altersguthaben schickten die Versicherer ihre Top-Lobbyisten nach Bern, um den Politikern einzubläuen, welche Haltung sie einzunehmen hätten. Zeitweise waren die Druckversuche derart heftig, dass sich die betroffenen Parlamentarier lautstark an die Öffentlichkeit wandten.
Dazu gehörte Christine Egerszegi, die als Präsidentin der BVG-Subkommission des Nationalrats unter Dauerbeschuss der Versicherer stand. Die freisinnige Nationalrätin denkt immer noch erstaunt daran zurück, wie die Kommissionsmitglieder 2001 zu einem Meeting anzutraben hatten. Ins Gebet genommen wurden sie von Arnold Schneiter und Norbert Hochreutener, beide in Diensten des Schweizerischen Versicherungsverbands. Dieser omnipräsenten Lobby-Organisation der Branche gehören 80 Versicherungsfirmen an, die über 95 Prozent aller Prämieneinnahmen erwirtschaften. Falls die BVG-Revision wie geplant durchgeführt würde, so drohten die SVV-Söldner, müssten sich die Versicherungen aus dem BVG-Geschäft zurückziehen. «Wir wären dann schuld daran, so wurde uns gesagt, wenn Zehntausende ohne eine Pensionskassenlösung dastünden», erzählt Egerszegi.
Christine Egerszegi liess sich nicht einschüchtern. Als sie öffentlich fragte, wohin wohl die Gewinne der fetten Börsenjahre bei den Sammelstiftungen geflossen seien, wurde ihr eine Sonderbehandlung, im Lobby-Jargon «Einzelabreibung» genannt, verpasst. «Ich wurde im Bundeshaus ins Stübli zitiert, so nennen wir unser Fraktionssekretariat», erinnert sich die FDP-Nationalrätin mit Schaudern. Dort wurde sie erwartet vom Chef der Rentenanstalt, Roland Chlapowski. Mit von der Partie: Gerold Bührer, damals FDP-Präsident und Rentenanstalt-Verwaltungsrat. Christine Egerszegi: «Mir wurde gedroht, ich solle nicht mehr derart auf den Putz hauen.» Im Umfeld der mutigen Aargauerin wurden die massiven Druckversuche sorgenvoll mitverfolgt, aber auch mit Galgenhumor quittiert. So habe ihr der Solothurner SVP-Nationalrat Roland Borer gesagt, wenn sie von einem Auto überfahren werde, löse das eine Untersuchung der Bundespolizei aus. Heute kann die freisinnige Politikerin darüber lachen. Zumal Bührer Monate nach seinem Rüffel das FDP-Präsidium abgeben musste und Chlapowski seinen Chefsessel verlor – beide wegen Turbulenzen um die Rentenanstalt.
Die Versicherungskonzerne haben dazugelernt. Inzwischen betreiben sie ihr Lobbying feinfühliger, sprich noch verdeckter, weil sich der Vorsorgebereich zu einem hochpolitischen Thema entwickelt hat. Grösste Vorsicht wird an den Tag gelegt, wenn Geld fliesst. Da ist nichts zu spüren von der Unverfrorenheit einer Krankenkasse Groupe Mutuel, die gemäss «Facts» Parlamentarier zu einem Informationsanlass lädt und dafür Sitzungsgelder von bis zu 10 000 Franken lockermacht; oder von der Plumpheit einer Swisscom, die Politiker mit Geschenken wie Trottinetten oder Kommunikationskarten bei Laune hält. Vielmehr haben sich die Versicherer verlegt von Zahlungen in die Parteikassen auf Wahlkampfspenden an ausgesuchte Parlamentarier. Oder man bietet einem Politiker, der bei einem Unternehmen als Verwaltungs- oder Stiftungsrat amtet, für diese Firma eine «klar bessere Vorsorgelösung» an, wie ein linker Nationalrat beobachtet haben will. Daneben gibt es weitere Wege, wie Einflüsterer sich erkenntlich zeigen, sei das über Sponsoring von Anlässen, ein nettes Reisli oder anderes.
Mit solchen Gaben lässt sich manch plötzlicher Meinungsumschwung von Parlamentariern erklären. Oft machen sich die Redner nicht einmal mehr die Mühe, ihre (gekaufte) Verbundenheit zu verbrämen; sie lesen wortwörtlich die Stellungnahme eines Verbands oder eines Versicherers vom Blatt ab. Einschlägige Erfahrungen gemacht hat Egerszegi. Vor der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) vertrat ein Parlamentarier seine Meinung zu einem Vorsorgethema. Als Egerszegi erstaunt einwarf, das sei doch exakt die Position des Versicherungsverbandes, meinte der Angesprochene trocken: «Na, sehen Sie, nun muss dieser Punkt nicht mehr neu erarbeitet werden.»
Das Gemauschel der Versicherer erleichtert hat die Konsolidierungswelle. Als das BVG 1985 eingeführt wurde, balgten sich noch 21 Kollektivlebensversicherer um Prämieneinnahmen von 5,7 Milliarden Franken (siehe nebenstehende Grafik «Das grosse Fressen»). Inzwischen sind es noch elf Anbieter, die das Vierfache an Prämien einsammeln. Dabei kontrollieren Swiss Life, Zürich Leben und Winterthur Leben drei Viertel des Marktes. Die Versuchung ist gross: drei CEO, intimes Mittagessen, Festlegen einer gemeinsamen Lobby-Strategie. Natürlich sind Absprachen verboten; natürlich machen die drei nichts dergleichen – natürlich passiert nichts, solange niemand aus dem Nähkästchen plaudert.
Sowieso ist es verpönt, über Lobbying zu sprechen. Und wer es doch tut, sorgt für ein nachsichtiges Lächeln – oder einen handfesten Skandal. So geschehen im Sommer 2002. Damals liess sich Justizministerin Ruth Metzler telefonisch von Rentenanstalt-Präsident Andres F. Leuenberger informieren, dass ein tiefer Schnitt beim BVG-Mindestzinssatz unumgänglich sei. Worauf Metzler am nächsten Tag im Bundesrat den entscheidenden Antrag stellte, den Satz von vier auf drei Prozent zu senken. Obwohl die Aktion dilettantisch inszeniert war, wäre die Einflüsterung wohl nie ans Tageslicht gekommen – hätte Metzler sich nicht verplappert. Ihre nachgeschobene Beteuerung, sie sei «nicht empfänglich für Lobbying», wurde nicht geglaubt; die Causa Rentenanstalt fügte Metzler einen schweren Imageschaden zu.
In ihrer Autobiografie «Grissini & Alpenbitter – meine Jahre als Bundesrätin» hat die verbitterte Alt-Justizministerin geklagt, nicht nur sie, auch andere Bundesräte hätten damals aus der Versicherungsbranche Telefonate bekommen, die für eine rasche Mindestzinssenkung warben. Was Parlamentarier gegenüber BILANZ als glaubhaft einstufen; schliesslich hätten einige Bundesräte schon immer ein offenes Ohr für die Nöte der Versicherungskonzerne gehabt. Regelmässige Gespräche über diese Materie führte Gerold Bührer mit dem damaligen Bundespräsidenten Kaspar Villiger. Oder der jetzige Finanzminister Hans-Rudolf Merz war vor seiner Berufung VR-Präsident der Helvetia Patria. Doch Mauscheleien auf höchster Ebene sind für das Polit-Establishment in Ordnung – solange man eben nicht darüber spricht.
Das Lobbying macht auch vor wichtigen Kommissionen nicht Halt, ja einzelne Gremien sind ein regelrechter Hort der Flüsterer. Beispielsweise die BVG-Kommission, eine der wichtigsten Kräfte im Vorsorgewesen, da sie als Beratungsorgan des Bundesrats fungiert. In der 19-köpfigen Kommission sitzen Vertreter der Sozialpartner, Pensionskassen, Berater, Verbände und Versicherungen, womit alle Lobbyistengruppen vertreten sind. «Expertenkommissionen setzen sich nun einmal aus Interessenvertretern zusammen. Auch in der BVG-Kommission wird je nach Thema heftig lobbyiert», relativiert Jürg Brechbühl, Partner beim PK-Beratungsunternehmen Allea und vorher Vizedirektor des Bundesamtes für Sozialversicherungen. Teilweise wird das Lobbying derart hitzig betrieben, dass ein Kompromiss nicht zu erreichen ist. So geschehen, als die BVG-Kommission im letzten Herbst darauf drängte, der Mindestzins sei nicht mehr vom Bundesrat festzulegen, sondern in eine Formel zu verpacken. Worauf der Pensionskassenverband Asip, der Versicherungsverband SVV und der Gewerkschaftsbund Vorschläge einreichten. Während sich die Vorstellungen von Asip und SVV kaum unterschieden, lag der Gewerkschaftsbund weit entfernt. Das darauf einsetzende Lobbying war derart unnachgiebig, dass man sich gegenseitig kaltstellte. Der Mindestzins wird weiterhin vom Bundesrat in Eigenregie festgelegt.
In einem anderen Punkt war sich die BVG-Kommission dagegen einig; das Lobbying fiel für einmal eher bescheiden aus: Die freie Wahl der Pensionskasse wurde abgelehnt. Professor Martin Janssen, Chef der in der Pensionskassenberatung aktiven Ecofin-Gruppe, die sich in einer Studie für die freie Wahl ausgesprochen hatte, weiss, wieso: «Bei einer sinnvoll regulierten freien Wahl der Pensionskasse hätten wir letztlich nur noch zehn oder fünfzehn Anbieter, nämlich die erfolgreichen. Denn alle Versicherten würden ihr Vorsorgekapital zu diesen Banken oder Pensionskassen leiten, wo sie die höchste Rendite erhalten.» Fünfzehn Vorsorgeeinrichtungen gegenüber derzeit rund 8000? Würde Janssens Vision eintreffen, hätten mehr als 10 000 Stiftungsräte sowie Tausende von Beratern, Verwaltern, Experten, Versicherungsmathematikern und nicht zuletzt Parlamentariern lukrative Nebeneinkünfte verloren. «Am BVG-Geschäft verdienen zu viele Leute mit, als dass die Idee einer freien Wahl heute schon eine Chance hätte», resümiert Martin Janssen. Und so wird das Lobbying im Vorsorgegeschäft frisch-fröhlich fortgesetzt.
Kaum zur Freude von Colette Nova, BVG-Kommissionsmitglied und geschäftsführender Sekretärin des Gewerkschaftsbundes. «Beim Lobbying befinden wir uns in einer Grauzone; es ist nicht illegal, aber oft skandalös, speziell in der beruflichen Vorsorge. Denn dort wird Lobbying nur zu Gunsten der Versicherer und Sammelstiftungen, jedoch nicht für die Versicherten betrieben.» Dabei hätten die 3,3 Millionen Versicherten, denen das Vorsorgekapital ja schliesslich gehört, einst beinahe eine Stimme erhalten. 1996 lancierte BVG-Rechtsexperte Werner Nussbaum die Idee einer Ombudsstelle der zweiten Säule und stellte eine Arbeitsgruppe auf die Beine. Doch Nussbaums Überzeugung, dass die Beschwerdeinstanz einen neutralen Status erhalten sollte, behagte den Versicherungen und Pensionskassen nicht. Sie wollten die Klagemauer lieber dem Pensionskassenverband angliedern, was wiederum Nussbaum ablehnte. Nach kurzem, aber heftigem Lobbying war das Projekt zur Strecke gebracht. «Wir haben die Ombudsstelle auf Eis gelegt. Uns war klar, dass diese nicht mit einem Privatmann besetzt werden konnte», beschönigt Hanspeter Konrad, Geschäftsführer des Pensionskassenverbands Asip, den Blattschuss.
Otto Piller, zu dieser Zeit Direktor des Bundesamts für Sozialversicherung, bestreitet vehement, dass er unter dem Druck von Lobbyisten seine zustimmende Haltung für eine Ombudsstelle aufgegeben habe. Dafür sei er bei anderen Gelegenheiten von der Lobby unter schwersten Druck gesetzt worden. «Als die Diskussion über die Senkung des BVG-Mindestzinssatzes geführt wurde, wurde ich aufs Massivste angegangen», sagt Piller, der sich 2003 frühpensionieren liess. Es sei unglaublich, was ihm da alles gesagt und an Unterlagen zugeschoben wurde. Doch Namen will Piller keine nennen, «dieses Amtsgeheimnis nehme ich mit ins Grab».
Im Lobbying sind neue Zeiten angesagt. Der Einfluss von branchenübergreifenden Wirtschaftsverbänden wie Economiesuisse auf die Parlamentarier ist im Schwinden begriffen. Auch die Branchenverbände spielen als Einflüsterer zunehmend die zweite Geige. Denn das Teilzeit-Lobbying verlagert sich zusehends auf professionelle Lobbyisten. Die Konzerne, in erster Linie Pharma-, Maschinen-, Banken- und Versicherungsunternehmen, überlassen die Wahrung ihrer Interessen «nicht mehr alleine den Verbänden oder Parlamentariern, sondern betreiben Lobbying vermehrt selbst», meint ein Kommunikationsexperte. Zu diesem Zweck werden Einflüsterer fix angestellt oder Aufträge an hauptberufliche Lobbyisten erteilt. Und diese Branche erlebt seit wenigen Jahren einen enormen Aufschwung. Der Berufsverband der Profi-Lobbyisten, die 1999 gegründete Schweizerische Public Affairs Gesellschaft (Spag), zählt bereits mehr als 150 Mitglieder. Im Vorstand ist einmal mehr Norbert Hochreutener anzutreffen.
Den Einflüsterern im Parlament wird ihr Handwerk aus den eigenen Reihen erschwert. Im vergangenen Herbst gab die inzwischen als Nationalrätin der Grünen abgetretene Cécile Bühlmann eine Motion ein, wonach die Mitglieder der Bundesversammlung nicht nur ihre Verwaltungsratsmandate und Interessenbindungen, sondern auch die daraus erhaltenen Einkünfte offen legen sollen. Dazu die heutige Geschäftsführerin des christlichen Friedensdienstes: «Wenn jemand offen legt, für wen er lobbyiert, ist das in Ordnung. Doch es ist nicht gut, wenn in allen Ecken des Bundeshauses gemauschelt wird. Man muss doch wissen, wer von wem bezahlt ist und für was er lobbyiert.» Diese neue Transparenz umfasst zwar nicht die Wahlkampfspenden; dennoch dürften einige Politiker ihre Flüstereien zurückfahren.
Derweil wird in altem Stil weitergemauschelt. Seit Wochen bereiten Lobbyisten in der Wandelhalle und an stillen Örtchen in Bern das Feld für einen frischen Angriff auf die Renten vor: Der Umwandlungssatz soll nicht wie vom Bundesrat geplant von gegenwärtig 7,1 Prozent für Männer und 7,2 Prozent für Frauen bis ins Jahr 2011 auf 6,4 Prozent, sondern gleich auf 6 Prozent geschnitten werden. Kürzlich machte Swiss-Life-CEO Rolf Dörig die Sechs-Prozent-Forderung offiziell.