Gamestop ist nicht etwa irgendeine futuristische AI-Firma oder der neuste Social-Media-Hype, sondern ein eher altmodischer Detailhändler: Das Unternehmen mit Sitz in Grapevine, Texas, verkauft Computerspiele und betreibt dafür vor allem «Brick-and-Mortar»-Ladengeschäfte, gut 7'500 an der Zahl.
Doch der Aktienkurs von Gamestop explodiert, wie man es nicht mal in der Dotcom-Bubble erlebte. Alleine an diesem Montag sprang der Preis im frühen US-Handel um über 100 Prozent nach oben.
Zitrone ausgepresst
Die Luftsprünge sind Resultat eines Machtkampfes zwischen zwei Parteien, deren Interessen nicht gegensätzlicher sein könnten: Auf der einen Seite steht der berüchtigte aktivistische Leerverkäufer Andrew Left mit seinem Unternehmen Citron Research – das Shortseller-Haus ist bekannt dafür, vor allem chinesische börsenkotierte Firmen ins Visier zu nehmen.
Auf der anderen Seite steht eine ganze Armee von Hobby-Tradern, die sich auf Portalen wie Reddit und Twitter gegenseitig anfeuern, den Berichten von Citron Research zu trotzen und die Aktie weiter in den Himmel zu kaufen. Zwischenfazit: Die Reddit-Horde ist in Führung.
Was war passiert? Vor zwei Wochen legte Gamestop überraschend starke Zahlen vor. Der Videospiele-Händler leidet seit Jahren unter dem Branchenwandel weg vom stationären Handel hin zu Online-Shops.
Doch die am 11. Januar publizierten Zahlen zum Weihnachtsgeschäft fielen überraschend ordentlich aus und regten die Phantasie vieler Kleinanleger an. Zudem feierte die Börse die Berufung von Ryan Cohen, einem E-Commerce-Top-Shot, in den Verwaltungsrat des Computerspielehändlers.
Gamestop, Walmart, Amazon
Die Aktie schoss innert zweier Tage um rund 100 Prozent in die Höhe – von knapp 20 auf 40 Dollar. Doch dem Leerverkäufer-Haus Citron Research wurde es angesichts der Kursrally der Gamestop-Aktie zu bunt. Die Shortseller setzten letzte Woche zum Grossangriff auf die Gamestop-Aktie an. In einem Video wies Citron Research auf eine ganze Reihe potenzieller Schwachstellen bei der Gamestop-Aktie hin.
Das Kurzfazit: Die Aktie sei hoffnungslos überbewertet und würde die schlechte Marktstellung des Unternehmens gegenüber Konkurrenten wie Walmart und Amazon nicht mal ansatzweise berücksichtigen.
Doch das Shortseller-Haus hatte die Rechnung ohne die grosse Armee von Hobby-Tradern gemacht, die durch das Video offenbar motiviert wurden, die Gamestop-Aktie jetzt erst recht zu kaufen – und andere Trader zu animieren, es ihnen gleich zu tun.
Was folgte war ein waschechter Short-Squeeze, der offenbar bis heute anhält. Ein Short-Squeeze entsteht, wenn sehr viele Leerverkäufer binnen kurzer Zeit gezwungen sind, ihre Positionen zu schliessen und sich mit Aktien einzudecken. Damit sollen noch höhere Verluste vermieden werden. Dies führt bei Aktien immer wieder zu drastischen Kurssprüngen.
Teilweise offenbarten Reddit-User, dass sie ihre sämtlichen Studienkredite opferten, um das Geld in die Gamestop-Aktie zu setzen. Die Mobilisierung der Kleinanleger in den Internetforen hat sich ausgezahlt. Ende letzter Woche schoss die Aktie erneut rund 65 Prozent nach oben, auf nunmehr 65 Dollar – und knackte damit das seit 2015 bestehende Allzeithoch.
Laut Daten von «Bloomberg» war Gamestop am Freitag die meistgehandelte US-Aktie am Markt. Und am Montag ging die Rally beim Handelsstart unvermindert weiter. Zwischenfazit: Das ist ein Plus von über 450 Prozent im Jahr 2021. Anfang Jahr hatte die Aktie nämlich noch bei 17,25 Dollar notiert.
Robinhood-Trader
Die Rally der Gamestop-Aktie zeigt beispielsweise, wie junge Robinhood-Trader ohne Risikoempfinden derzeit Einfluss auf Kurse von Börsenunternehmen ausüben können, zumindest wenn diese nicht so schwergewichtig sind. In diesem Fall zwang man sogar ein berüchtigtes Shortseller-Haus in die Knie.
Citron Research strich noch letzte Woche die Segel. In einem offenen Brief beklagte sich Andrew Left über einen «wütenden Mob» von Gamestop-Anlegern, der sogar vor Drohungen an seine Familie nicht halt mache. «Daher werden wir zum Unternehmen Gamestop keine Kommentare mehr publizieren. Die Familie geht vor.» Er gab zudem an, der Bundespolizei FBI Straftaten zu melden.
Die grossen Analysehäuser an der Wall Street hielten sich bisher zum Fall Gamestop zurück. Für Michael Pachter vom Investment-Haus Wedbush müsste die Detailhandelskette ihre Umsätze «rasch verdoppeln», um einen Preis von 50 Dollar je Aktie zu rechtfertigen; so zitiert ihn «Bloomberg». Sein Kursziel von 16 Dollar gehört noch zu den optimistischen unter den Analysten. Der Analystenkonsens sieht den Wert der Aktie bei 12,34 Dollar. Von 8 Analysten, empfiehlt nur einer die Aktie zum Kauf. Die Credit Suisse gehört bei Gamestop zu den grössten Bären: Sie sieht die Aktie bei gerade einmal 3 Dollar.
Zwar ist es gut möglich, dass die Aktie noch eine Weile weiter steigt, doch irgendwann werden wohl die ersten Trader zucken und die Gewinne mitnehmen. Die daraus resultierende Verkaufswelle scheint vorprogrammiert.
Am Montag setzten nach dem ersten Luftsprung auch rasch wieder Abgaben ein, welche die Aktie so hart nach unten drückten, dass der Handel mehrfach ausgesetzt werden musste. Am Ende reichte es für ein Tagesplus von 18 Prozent.
- Dieser Beitrag erschien zuerst auf «Cash.ch» unter dem Titel: «Gamestop-Aktie plus 450 Prozent: Wie Hobby-Trader grosse Leerverkäufer in die Knie zwingen».