Der Kunde ärgert sich sehr. In den vergangenen fünf Jahren frassen die Verwaltungskosten seiner Bank die Rendite auf seinem Vermögen fast vollständig weg. Entnervt beendete er diese Beziehung und ist jetzt über seinen Steuerberater auf der Suche nach einer neuen Bank. In seiner Offertanfrage an 62 Banken in der Schweiz schreibt er: «Es kann aber nicht sein, dass das Risiko beim Kunden liegt und der Ertrag fast vollständig von Kommissionen absorbiert wird.» Er bittet die Banken, einen detaillierten Anlagevorschlag für ein Vermögen von 8,5 Millionen Franken zu unterbreiten, das er je hälftig an seine beiden Kinder überschreiben will.
Keine Bank geht im Begleitschreiben zum Anlagevorschlag vertieft auf das Kostenthema ein, das den Kunden doch gerade zum Wechsel seiner Bank bewogen hat. Das ist so, als ob sich jemand auf ein Stelleninserat bewerben würde, in dem explizit Erfahrung in der Finanzplanung erwartet wird – und im Motivationsschreiben diese mit keinem Wort erwähnen würde, sondern nur irgendwo versteckt im Lebenslauf auf der zweiten Seite unten rechts.
Das Kostenthema ist bei den Banken nach wie vor ein sensibler Bereich. Insbesondere mit den Vertriebsprovisionen, den sogenannten Retrozessionen, tun sich die Banken noch etwas schwer. Nur 4 der insgesamt 18 besten Banken im BILANZ-Rating halten in den Unterlagen zum Anlagevorschlag klar fest, dass sie dem Kunden sämtliche Retrozessionen rückvergüten.
Seriensieger ZKB. Trotzdem zeichnen die Anlagevorschläge der Banken für den Testkunden insgesamt ein positives Bild: Im Vergleich zum Vorjahr wurden die durchschnittlichen Pauschalgebühren noch einmal gesenkt (siehe Grafik unter 'Downloads'). Die Gesamtsiegerin des Tests, die Zürcher Kantonalbank (ZKB), verwendet im Urteil der BILANZ-Jury kaum Produkte, die Retrozessionen bezahlen.
Angesprochen auf das im Begleitbrief zum Anlagevorschlag nicht erwähnte Kostenthema, sagt Christoph Weber, Leiter des Private Bankings bei der ZKB, ohne sich gross zu winden: «Das ist ein guter Punkt. Wir nehmen das gerne mit.»
Wie lernfähig die ZKB im Private Banking ist, bewies sie in den vergangenen fünf Jahren eindrücklich. «Bei den ersten beiden BILANZ-Private-Banking-Ratings vor vier und vor drei Jahren hat die Bank noch sehr schlecht abgeschnitten», erinnert sich Andreas Beck, Leiter des Instituts für Vermögensaufbau in München, das die Anlagevorschläge der Banken im Auftrag von BILANZ analysiert (siehe «Vier Hürden bis zum Sieg»). «Doch dann änderten sie ihre Prozesse, und seither haben sie zufriedene Kunden», so Beck.
Die Änderungen wurden auch auf Anregung von Jurypräsident Thorsten Hens, Leiter des Instituts für Banking und Finance an der Uni Zürich, vorgenommen (siehe Interview «Die Schweizer sind heute top in Europa»). Einige Jurymitglieder – neben Beck und Hens auch der ehemalige Preisüberwacher Rudolf Strahm – werden öfter von Banken eingeladen, um diesen anhand der Kriterien, die beim Private-Banking-Test von BILANZ wichtig sind, zu zeigen, wie sie sich verbessern können. «Allerdings», so Hens, «zeigte sich nur die ZKB sehr lernfähig und verbesserte sich deutlich.» Besonders gefielen der Jury der verständliche Aufbau der Offerte und die klaren Formulierungen. Ausserdem fand der ausgewogene Anlagevorschlag der ZKB Beifall.
In diesem Jahr ist die ZKB schon zum dritten Mal hintereinander Gesamtsiegerin im Private-Banking-Rating von BILANZ. Ein Titel, den Martin Scholl, Chef der ZKB, bereits im Vorfeld unbedingt verteidigen wollte. Über das Gelingen freute er sich so sehr, dass er allen Beteiligten persönlich gratulierte.
Shootingstar Globalance. Zu ihnen gehört Regina Kleeb, Stableiterin im Private Banking der ZKB. Sie stellt jeweils das Team zusammen, das eine spezifische Offertanfrage bearbeitet, zeichnet für die vollständige Beantwortung der Anfrage, sowie auch für die redaktionelle Aufbereitung des Vorschlags verantwortlich. Portfoliomanagerin Sara Künzler formuliert die Bedürfnisse des Kunden in einen Anlagevorschlag um. Neben weiteren Spezialisten der ZKB, etwa für Steuern und Erben, war auch die eidgenössisch diplomierte Finanzplanungsexpertin Renate Harder im Team. Als Beraterin ist sie die direkt verantwortliche Vertrauensperson für den Kunden. «Die Vertrauensbeziehung geht oft so weit, dass ich von Kunden auch zu Hochzeiten und Geburtstagen von Kunden eingeladen werde», sagt sie.
Vertrauen entstehe durch gute Leistungen für den Kunden, so Harder. Zudem gebe sie gegenüber Kunden auch mal Persönliches von sich preis. Sie war ambitionierte Dressurreiterin und geniesst ohne Wettkampfsport auch heute noch tägliche Ausritte.
Renate Harders Beratungsdienstleistungen hängen zwar vom Individuum ab, aber in einem Punkt gleichen sich ihre Klienten mit hohen Vermögen oft: Sie hätten zwar den finanziellen Hintergrund, um hohe Kursrisiken an der Börse zu tragen, reagierten aber teilweise schon wenig gelassen, wenn die Börse nur zwei Prozent verliere. Das gelte es zu spüren und in die Betreuung und Beratung beim Kunden einzubringen. Key Clients erhalten jedenfalls die Mobiltelefonnummer von Renate Harder – sie können jederzeit anrufen, falls die Börsenkurse oder anderes sie bedrücken.
Die ZKB wird sich weiter verbessern müssen, denn andere Banken haben aufgeholt und schicken sich an, die Zürcher vom Spitzenplatz zu verdrängen. Erste Verfolgerin ist dabei die Privatbank Globalance. Erst seit zwei Jahren im Markt präsent, ist es ihr bereits gelungen, in der Kategorie Privatbanken zu gewinnen.
Geführt wird die Bank von Reto Ringger, der bereits im Alter von 32 Jahren das auf Nachhaltigkeit fokussierte Unternehmen SAM gründete und 2008 verkaufte. Für SAM habe er einen guten Preis erhalten, sagt der inzwischen 49-jährige Ringger. Die Globalance Bank habe er aus Freude und Leidenschaft für nachhaltiges Anlegen gegründet, so Ringger. Er will Sinnvolles tun – genauso wie viele Kunden, wie er hofft. Der Leitspruch der Bank soll dies auf den Punkt bringen: «Wir bewegen mehr als Geld.» Gemessen wird das bei der Bank anhand des Vermögens-Footprints. Dabei werden die positiven und negativen Auswirkungen einer Investition auf Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft abgewogen. «Damit bringen wir eine Wertediskussion in die Anlageberatung», sagt Reto Ringger.
Ethik ohne Aufpreis. Nachhaltiges und ethisches Investieren ist in den vergangenen Jahren aber in den Verruf geraten, oftmals nur ein Marketingtrick zu sein, in dessen Namen mittelmässige Produkte zu überhöhten Preisen verkauft werden könnten. «Wenn es ethisch ist, kostet es oft gleich doppelt so viel», sagt Beck. Bei Globalance sehe er aber erstmals einen ethischen Ansatz, der nicht teurer sei. In der Analyse der Kostenstruktur erhielt die Bank die maximale Punktzahl im Rating. Bei den Gebühren wird keine Halsabschneiderei betrieben: Auf den Verkauf von überteuerten Produkten wird verzichtet, in der Pauschalgebühr von 0,7 Prozent des verwalteten Vermögens sind die meisten Kosten enthalten, und Retrozessionen werden explizit dem Kunden zurückerstattet.
Positiv fallen im Anlagevorschlag von Urs Landolt, Gründungspartner bei Globalance, Details auf: etwa dass zehn Prozent des Vermögens für die Erbschaftssteuer zurückgestellt wurden. Falls die entsprechende Initiative in der Schweiz angenommen würde, wäre der Betrag über zwei Millionen mit 20 Prozent zu versteuern. Diese Reserve wurde im Vorschlag in sicheren Anleihen höchster Bonität parkiert. So viel Voraussicht gefiel der Jury. Auch bei der Analyse der Anlagerisiken für den Kunden schwang die Bank obenauf.
Butlerdienste. Ringger freut sich über das gute Abschneiden im BILANZ-Rating, wartet im Gespräch aber noch mit einigen zusätzlichen Vorzügen seiner Bank auf. So verfügt sie etwa über einen Change Butler, der Kunden Arbeit abnehmen soll beim Wechsel von einer anderen Bank zu Globalance. «Zudem bieten wir unseren Kunden die Möglichkeit, direkt in nachhaltige Projekte zu investieren», sagt er. Im Anlagevorschlag für den BILANZ-Kunden habe man aber davon abgesehen, weil diese Projekte das Geld sehr langfristig binden und vorgängig in einem persönlichen Gespräch diskutiert werden müssten.
Die Jury stellte aber auch Mängel beim Neuling fest. Etwas gar gewagt findet Beck die Zielrendite des Anlagevorschlags mit hohen sieben Prozent. Damit visiert die Bank die höchste Rendite aller vom Institut für Vermögensbildung analysierten Schweizer Banken an. «Die trauen sich viel zu mit einem Portfolio, das zu etwas über 50 Prozent in Aktien investiert ist», sagt Jurymitglied und Finanzplanungsexperte René Weibel, Mitinhaber der Stanser Vermögensverwaltung Weibel Hess & Partner. Zudem war die Jury etwas verwundert darüber, dass sich die Globalance Bank mit 15 Mitarbeitenden zutraut, die richtigen Einzelaktien in Schwellenländern auszuwählen. Diese wenigen Kritikpunkte änderten aber nichts am sehr professionellen Gesamteindruck der Globalance-Offerte.
Konstante BEKB. Einen professionellen Eindruck hinterliess auch der Vorschlag von Michael Burkhard, Vermögensberater bei der Berner Kantonalbank (BEKB). Die Berner rangierten in der Kategorie Universalbanken national in den letzten vier Jahren immer auf Platz eins oder zwei. Nun schafften sie es zum zweiten Mal in ihrer Kategorie ganz nach oben, nachdem sie 2010 zusätzlich gar den Gesamtsieg geholt hatten.
«Der betreffende Kunde war für die BEKB ein Tütschi», sagt Burkhard. «Tütschi» bedeutet auf Berndeutsch so viel wie Brocken, etwas Grosses, also ein Grosskunde. Genau das Richtige für Burkhard, denn das Schönste an seinem Beruf ist für den 31-jährigen ausgebildeten Ökonomen und Finanzanalytiker, dass er für jeden Kunden etwas Individuelles zusammenstellen kann.
Dem Testkunden unterbreitete er einen eher konservativen, weniger risikoreichen Anlagevorschlag. Denn: «Den reichen Kunden ist es meistens wichtiger, das ohnehin schon beträchtliche Vermögen zu erhalten, als es noch wieter zu vermehren», so Burkhard.
Beim Zusammenstellen der Anlagen scheint Michael Burkhard allerdings vor allem in den Rückspiegel geschaut zu haben: So lautet einer der wenigen Kritikpunkte der BILANZ-Jury. Die BEKB rate zum Kauf von Anlagen, die in den vergangenen Jahren gut gelaufen seien. Eine gute Performance wiesen in der Vergangenheit Obligationen mit langer Laufzeit auf und Gesundheitsaktien, beispielsweise Pharmatitel. Diese finden sich auch im Vorschlag der BEKB, dafür fast keine Bankwerte, die in den letzten Jahren eher schlecht liefen. Burkhard entgegnet, dass er mit der UBS immerhin einen Banktitel vorgeschlagen habe. Zudem sei er bezüglich Pharmatiteln weiter positiv gestimmt. Es sei möglich, dass das zusammengestellte Portfolio in Zukunft gut performe, so die Jury, aber der rückwärtsgerichtete Eindruck bleibe.
Fragenmarathon. Die Jury bewertet vor allem die Methodik, mit welcher der Anlagevorschlag zusammengestellt wurde, dessen Kosten, die verständliche Vermittlung der eingegangenen Risiken und Chancen sowie die Individualität des Anlagevorschlags. Diese hängt unter anderem damit zusammen, ob die Banken Rückfragen an den Kunden stellen. In den ersten BILANZ-Ratings war das noch kaum der Fall. Inzwischen werden fast zu viele Fragen gestellt. Der echte Kunde, der hinter dem BILANZ-Testfall steht, regte sich denn auch etwas über die vielen Fragen auf, die er beantworten sollte. Teilweise handelte es sich um Fragenkataloge von vier oder sogar noch mehr Seiten. Teilweise mit Fragen, die seiner Meinung nach wenig mit seinem Fall zu tun hatten.
Anstatt viele Fragen zu stellen, wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Finanzinstitute die Bedürfnisse des Kunden direkt aus seinem Schreiben erkannt hätten. Zudem sollten sie im Begleitschreiben unmittelbar auf das Kostenthema eingehen.