BILANZ: Herr Faber, seit dem Jahr 2000 haben Anleger mit Aktien im Durchschnitt kein Geld verdient. Woran liegt das?
Marc Faber: An den tiefen Zinsen in den Industrieländern.
Aber tiefe Zinsen sind ja sonst gut für die Aktienmärkte?
Durch die tiefen Zinsen der Notenbanken wurden die Investoren gezwungen zu spekulieren. Einmal waren gerade Technologiewerte gefragt, da haben alle Anleger in diese Titel investiert. Dann kamen Finanzwerte in Mode, und das Geld floss in Bank- und Finanzaktien. Dadurch ist die Volatilität an den Aktienmärkten gestiegen. Aber auch bei anderen Anlageklassen wie Rohstoffen oder Währungen.
Daraus ergeben sich doch auch Renditechancen?
Durchaus. Sehen Sie nur die Kursentwicklung von Apple oder von Rohstoffwerten bis 2008. Die meisten Anleger allerdings lassen sich von den Medien zu Investments verleiten und kaufen dadurch immer zu spät.
Was raten Sie ihnen? Zu Buy and Hold, also zum Kaufen und Halten?
Buy and Hold halte ich für unklug. Anleger sollten nicht täglich dreimal kaufen und verkaufen. Aber sie sollten ihr Depot regelmässig überprüfen und umschichten. Angenommen, ein Anleger hätte sein Depot über die letzten 100 Jahre unverändert gelassen, so hätte er den Aufstieg von Firmen wie Apple verpasst und mit vielen Firmen wie General Motors oder International Harvester Totalverlust erlitten.
Sind Aktien überhaupt noch kaufenswert?
Gerade weil die letzten zehn Jahre für Aktien schlecht waren, erwarte ich, dass nun bessere Jahre folgen werden.
Das wirtschaftliche Umfeld spricht nicht gerade dafür.
Was die wirtschaftliche Entwicklung betrifft, bin ich keineswegs zuversichtlich. Zudem werden die geopolitischen Spannungen markant zunehmen. Bricht erneut eine Krise aus, können die Aktienkurse noch einmal um 50 Prozent fallen. Das ist noch immer besser, als mit anderen Anlagen wie Staatsanleihen 100 Prozent zu verlieren.
Das sind nicht unbedingt schöne Aussichten.
Ich erwarte nicht, dass so etwas eintreten wird. Aber wir dürfen diese Möglichkeit nicht ausschliessen. Darum rate ich, das Vermögen zu diversifizieren. Anleger sollten je ein Viertel ihres Vermögens in Aktien, in Immobilien, in Edelmetallen und zu gleichen Teilen in Obligationen und Bargeld halten. Diese Aufteilung muss durch Zukäufe und Verkäufe immer wieder ausgeglichen werden. Bei Aktien sind deshalb Dividendenwerte wichtig.
Wieso Dividendenwerte? Ist das nicht auch eine Modeströmung?
Mit den Dividendenerträgen können Kursrückgänge durch den Zukauf neuer Aktien wieder ausgeglichen werden. Bei einer Kurserholung ist dann die Rendite entsprechend grösser. Zwei Drittel der Aktienerträge stammen aus den Dividenden. Werden diese berücksichtigt, war die Entwicklung in den letzten Jahren weniger düster, als es die reine Kursperformance vermuten liess.
Trotz den tiefen Bewertungen kauft kaum jemand Aktien.
Wirklich günstig waren Aktien im März 2009. Im Moment sehe ich keine klaren Unterbewertungen, weder bei Aktien noch Obligationen, noch Immobilien oder Edelmetallen. Ich würde mich eher für Edelmetalle entscheiden. Die Aktienmärkte werden in den kommenden Monaten generell seitwärts tendieren. Fällt der Leitindex S&P 500 unter 1000 Punkte, werden die Notenbanken intervenieren. Ein Anstieg über 1400 Punkte ist aber vorerst nicht zu erwarten.
Auch in solchen Märkten gibt es Kaufgelegenheiten. Wo sehen Sie diese?
Asien, Lebensmittel, Gesundheit und Tourismus sind meine bevorzugten Anlagethemen. Asiatische Finanzwerte finde ich attraktiv. In Indien oder Südostasien besteht ein grosses Potenzial, weil mit dem steigenden Wohlstand immer mehr Menschen Banken-Dienstleistungen brauchen.
Nach welchen Kriterien investieren Sie in Aktien?
Ich achte auf Firmen, die vorübergehend Probleme haben und deren Aktien darum unter Druck sind. Sind die Erwartungen der Anleger zu hoch, ist ein Verkauf angezeigt. Bei guten wie auch bei schlechten Aktien ist der Zeitpunkt zum Kauf oder Verkauf für den Anlageerfolg entscheidend.