Das Volumen der ausstehenden Euro-Unternehmensanleihen hat sich seit 2008 mehr als verdoppelt und ist auf 2.2 Billionen Euro gewachsen – ein Trend, der auch bei globalen Unternehmensanleihen in vergleichbarem Ausmass zu verzeichnen war. Und die Risikoaufschläge haben zeitweise einen zyklischen Tiefststand nach dem anderen erreicht, was Anlegern schöne Kursgewinne beschert hat. Begünstigt durch die Anleihenkäufe der Europäischen Zentralbank, die Unternehmensanleihen im Volumen von knapp 180 Milliarden Euro erworben hat.
Weniger erfreulich ist, dass sich die Kreditqualität zusehends verschlechtert hat. Während vor zehn Jahren noch 16 Prozent der ausstehenden Anleihen über ein «BBB» Rating verfügten, sind mittlerweile 48 Prozent in dieser Ratingkategorie. Damit befindet sich nahezu die Hälfte aller ausstehenden Euro-Unternehmensanleihen an der Schwelle zur Bonität Non-Investment Grade. Und das ist nicht ungefährlich.
Es drohen grosse Kursabschläge
Sollte sich der aktuelle konjunkturelle Abschwung nochmals verstärken oder sogar zu einer Rezession führen, sind mittelfristig Ratingherabstufungen in den High-Yield-Bereich unumgänglich. Ein Szenario, das die Marktteilnehmer vor erhebliche Herausforderungen stellen wird. Einerseits, weil viele Investoren, welche die Bonität Investment Grade als Mindestanforderung definiert haben, zu Verkäufen gezwungen werden. Andererseits ist die Aufnahmefähigkeit des Marktes aufgrund der erheblich reduzierten Risikobudgets internationaler Market Maker begrenzt. Hinzu kommt, dass in den vergangenen Jahren viel Geld in passive Instrumente zur kostenoptimierten Abbildung von höher rentierlichen Unternehmensanleihen-Indices geflossen ist, die im Fall von Mittelabflüssen den Druck auf den Markt verstärken, was zu erheblichen Kursabschlägen führen würde.
Einen Vorgeschmack auf die Risiken haben Ende 2018 die Investoren einiger Unternehmensanleihen bekommen: General Electric schockte als einer der früheren Vorzeigekonzerne und grössten Emittenten von Unternehmensanleihen (ca. 120 Milliarden US Dollar ausstehende Emissionen) die Finanzmärkte mit grossvolumigen Abschreibungen und einem Quartalsverlust von 20 Milliarden US Dollar. Für die Ratingagenturen ist General Electric zwar mit «Baa1/BBB+/BBB+» noch drei Stufen vom Non-Investment Grade entfernt, trotzdem suchten Anleiheninvestoren fluchtartig den Ausstieg, was zu Kursverlusten bei den Anleihen von bis zu 20 Prozent-Punkten führte. Als weiteres Beispiel für die labile Gesamtsituation sind Anleihen der Royal Mail Plc (BBB) zu nennen, die während der Brexit-Diskussionen binnen weniger Tage 7 Prozent-Punkte beziehungsweise den Zinsertrag von drei Jahren verloren und zeitweise sogar nahezu unverkäuflich waren.
Nachlassende Käufe der Europäischen Zentralbank belasten
Aber selbst wenn sich die konjunkturelle Situation stabilisiert, wird 2019 ein herausforderndes Jahr für Unternehmensanleihen. Einerseits sind die Risikoprämien – auch nach der Korrektur seit Frühjahr 2018 – alles andere als hoch. Zudem belastet die nachlassende Nachfrage der Europäischen Zentralbank den Markt, die im kommenden Jahr nur noch Reinvestitionen fälliger Anleihen (ca. 6 Milliarden Euro) vornimmt, was gegenüber den im Jahr 2018 getätigten Käufen von knapp 50 Milliarden Euro ein grosser Einschnitt ist.
Das ist für passive Strategien wie ETFs ein ziemlich ungemütliches Umfeld. Aktive Manager sollten Unternehmensanleihen aus den Peripherieländern sowie zyklische Sektoren untergewichten. Eine offensivere Ausrichtung ist erst dann zu empfehlen, wenn die dunklen Wolken am Konjunkturhimmel verzogen sind, was auf Basis unserer Frühindikatoren frühestens im Sommer 2019 der Fall sein sollte.
*Stephan Kuhnke, CEO und Leiter Anlagemanagement der Bantleon Bank.