Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus sind langsam unübersehbar. Am Samstag vermeldete das chinesische Statistikamt, dass der Einkaufsmanagerindex (PMI) auf 35,7 Punkte gesunken ist. Dem europäischen Corona-Hotspot Italien wird nun mehr und mehr eine Rezession prognostiziert.
Am Montag unkte die OECD, dass wir im laufenden Jahr nur noch ein Weltwirtschafts-Wachstum von 2,4 Prozent erleben: Das wäre ein halber Prozentpunkt weniger als zuletzt vorhergesagt.
Doch es dauerte bis zum Dienstag, bis ein Schweizer Börsenkonzern deswegen eine Warnung aussprach: Der Hardwarehersteller Logitech hatte die Ebit-Prognose um 10 Millionen Dollar nach unten auf neu 365 bis 375 Millionen Dollar angepasst.
Rechtlicher Rahmen «unklar»
Zuvor schon hatten US-IT-Riesen wie Apple und Microsoft Umsatzwarnungen verkündet. In Europa warnten die Fluggesellschaften der International Airlines Group (IAG) wie British Airways oder Iberia, ferner auch Finnair und Easyjet vor einer abfallenden Nachfrage.
In der Schweiz verpflichten die Ad hoc-Publizitätsvorschriften der Börse die Unternehmen prinzipiell dazu, dass alle gegenwärtigen und potentiellen Marktteilnehmer chancengleich mit potentiell kursrelevanten Informationen versorgt werden – sobald das Unternehmen Kenntnis davon hat. Dadurch sollen Transparenz und Gleichbehandlung der Marktteilnehmer möglichst gewährleistet werden.
Zu früh kann auch falsch sein
Unter die potentiell kursrelevanten Tatsachen fallen auch die Informationen zum Geschäftsergebnis: zum Beispiel wesentliche Gewinnveränderungen wie Gewinneinbruch, Gewinnsprung oder Gewinnwarnung.
Klar kann eine allzu frühe Meldung auch heikel sein. Nicht jede Monatsabweichung muss rapportiert werden. Doch eine Meldung ist umgehend zu veröffentlichen, wenn klar ist, dass die früher bekanntgegebenen Ziele nicht mehr realistisch sind. Je länger zugewartet wird, desto grösser wird die Gefahr des Insiderhandels.
Das Problem bei der Ad-hoc-Publizitätspflicht liegt aber bekanntermassen darin, dass vieles im Ermessen von Unternehmen liegt: Der Interpretationsspielraum ist ziemlich gross.
Kandidaten im Tech-Bereich
Trotzdem: Es stellt sich wegen der wirtschaftlichen Situation infolge des Coronavirus nicht die Frage ob, sondern wann die ersten Firmen Anpassungen am Ausblick oder Gewinnwarnungen bekanntgeben. Die Unternehmen stehen in der Pflicht, irgendeinmal die relevanten Informationen bereitzustellen. Ansonsten wird es für alle Marktteilnehmer schwierig, die Auswirkungen auf die Gewinne der Unternehmen einzuschätzen.
Matthias Geissbühler, Anlagechef von Raiffeisen, rechnet bei den Sektoren Technologie und Automobilzulieferern mit so genannten Gewinnwarnungen. «Wahrscheinliche Kandidaten sind bei den Technologiewerden sind AMS, VAT, Sensirion, U-Blox sowie SFS», sagte Geissbühler auf Anfrage. Er begründet die Einschätzung damit, dass die Umsatzwarnungen von Apple sowie Microsoft sich zwangsläufig auf die Zulieferer beziehungsweise die gesamte Wertschöpfungskette negativ auswirken würden.
Autozulieferer, Luxusindustrie
Bei den Autozulieferern fällt ins Gewicht, dass die Autoverkäufe in China im Februar um rund 90 Prozent eingebrochen sind. Exponierte Unternehmen seien Autoneum, Feintool und Klingelnberg, sagt Geissbühler. Doch auch andere Unternehmen sieht er als gefährdet: «Auch Luxusgüterkonzerne wie Richemont und Swatch dürften ihre Guidance kaum halten können.»
Klar ist für Geissbühler auch, dass der Markt dies zumindest teilweise bereits reflektiert und eingepreist hat. Dennoch sei bei den genannten Werten weiterhin eher Vorsicht angebracht. Die Raiffeisen würde deshalb weiterhin defensive Werte favorisieren.
Reisen und Logistik
Anastassios Frangulidis von Pictet Asset Management rechnet ebenfalls mit Auswirkungen auf die Gewinne von Schweizer Unternehmen: «Stark und direkt von der aktuellen Coronaviruskrise sind zyklische Sektoren und Titel, wie der Reisesektor (Dufry), die Luxusgüter (Swatch, Richemont), Transportunternehmen (Kühne + Nagel) sowie Unternehmen mit starkem Exposure zu China wie Schindler betroffen.»
Frangulidis sieht auch die Finanzindustrie exponiert. Tiefere Zinsen oder die abnehmende Zahl von Börsengängen würden die Finanzindustrie treffen.
Auch die ZKB sieht zahlreiche Unternehmen, die noch stärker vom Coronavirus betroffen sein könnten und sich bisher nicht oder zu wenig dazu geäussert haben. Die Aufzählung sei nicht abschliessend und die Situation derzeit stark im Fluss. Bei den Banken könnten durch eine noch stärkere Börsenkorrektur unter anderem die UBS, CS, EFG und Julius Bär betroffen sein.
Stahl und Tourismus
In der Industrie sieht die ZKB eine Reihe von Unternehmen, bei denen überdurchschnittliche Risiken bestehen: Autoneum, Schmolz + Bickenbach, ABB, Georg Fischer, Komax, Schaffner, Cicor, Huber + Suhner und Belimo.
Von den Auswirkungen auf den Welthandel könnte der Warenprüfkonzern SGS betroffen sein. Im Tourismus seien hauptsächlich Orascom und der Flughafen Zürich exponiert.
Philipp Lienhardt, Leiter Aktienanalyse bei Julius Bär, weist darauf hin, dass sich zum jetzigen Zeitpunkt die eigentlichen Gewinnwarnungen in Grenzen halten werden. Grund: Die Unternehmen halten ihren Ausblick oder Jahresziele vage oder weisen darauf hin, dass der Einfluss des Coronavirus schwer abschätzbar sei.
Trotzdem: «Generell sind Industrieuntenehmen wie Georg Fischer, Bucher Industries, OC Oerlikon oder DSV Panalpina stark exponiert. Auch Technologieunternehmen wie AMS, die von Apple und Samsung abhängig ist, und u-Blox sind überproportional betroffen.»
Die Luxusgüterhersteller Richemont und Swatch seien ebenfalls den Auswirkungen des Coronavirus stark ausgesetzt, da ihre Umsätze stark von China getrieben seien, so Lienhardt.
- Dieser Beitrag erschien zuerst auf cash.ch unter dem Titel: «Wo bleiben die Gewinnwarnungen der Schweizer Unternehmen?»