Das Sitzungszimmer in Tacoma gibt bei schönem Wetter den Blick auf den Mount Rainier frei. Der Schwestervulkan des vor rund zehn Jahren ausgebrochenen Mount Saint Helens nahe der kanadischen Grenze an der US-Westküste ziert bei der Firma Frank Russell nicht nur das Logo. Der eindrückliche Berg steht vielmehr für die gesamte Firmenphilosophie des weltgrössten Beraters für Pensionskassen und andere institutionelle Anleger. Immer neue Höhen will der leidenschaftliche Bergsteiger George Russell, der die Firma von seinem Grossvater übernommen hat, mit seinem Team erklimmen – aber stets mit dem nötigen Respekt vor den Schlechtwetterphasen und versehen mit der richtigen Ausrüstung.

Diese Haltung hat George Russell auch in der Firma umgesetzt und sich damit in der Finanzszene Respekt verschafft. Rund 2200 Vermögensverwalter in 15 Ländern werden von den Frank-Russell-Analysten auf Herz und Nieren geprüft. Sie evaluieren die Anlageerträge ebenso wie die Qualität des Teams, den Investitionsprozess und die konsequente Einhaltung des Anlagestils. Wer sich als Vermögensverwalter einen positiven Ruf aufbauen will, kommt um ein gutes Einvernehmen mit Frank Russell nicht herum, denn die Firma berät institutionelle Investoren, die gesamthaft rund 1600 Milliarden Franken anlegen.

Dieses geballte Know-how macht sich auch die ABB-Anlagestiftung zu Nutze. Im Private-Equity-Geschäft geht die ABB mit Frank Russell Capital neue Wege. Die anfänglich nur für den Russell-internen Gebrauch aufgebaute, 3000 Private-Equity-Fonds umfassende Datenbank ist der innovativen ABB-Anlagestiftung seit 1998 zugänglich – in der Schweiz exklusiv. Die Anlagestiftung des Technologiekonzerns, die gesamthaft rund 5,7 Milliarden Franken verwaltet, hat sich 1997 entschieden, einen Teil des Vermögens in Private-Equity-Anlagen anzulegen.

«Wir wollten aber nicht in börsenkotierte Beteiligungsgesellschaften investieren, sondern suchten einen neuen Weg, der uns erlaubt, die Kosten tief zu halten und direkten Einfluss auf die Anlageentscheide zu nehmen», erklärt Daniel Dubach, Leiter der ABB-Anlagestiftung. Mit Frank Russell Capital war man sich bald handelseinig. 1998 stellten diverse ABB-Vorsorgeeinrichtungen 100 Millionen Franken für die Aufgleisung eines weltweit investierenden Fund-of-Funds-Konstruktes zur Verfügung. Frank Russell Capital schlug in enger Zusammenarbeit mit der ABB-Anlagestiftung eine Vermögensaufteilung in diverse Private-Equity-Stadien vor (siehe auch «Finanzierungsstadien im Private-Equity-Geschäft»). Seither investiert sie die gesprochenen Gelder sukzessive in bekannte Private-Equity-Partnerschaften.

Nur ein Jahr später wurde nach dem gleichen Muster ein Private-Equity-Nordamerika-Fonds aufgegleist. Dubach und sein Team konnten unter anderem die Pensionskasse der Stadt Zürich und jene der Detailhandelskette Manor zum Mitmachen überzeugen. Anfang Juli wurde bereits der dritte Fonds lanciert, der wiederum weltweit investiert. Die Pensionskassen des Liftbauers Schindler sowie der Zürcher Kantonalbank haben ebenso mitgemacht wie die Versicherungseinrichtung des Flugpersonals der Swissair und die Personalvorsorgestiftung von Kuoni.

«Dank der Zusammenarbeit mit Frank Russell Capital haben wir und andere Pensionskassen, die uns als Einkaufsgemeinschaft nützen, trotz vergleichsweise kleinem Volumen Zugang zu den besten Partnerships», sagt Daniel Dubach nicht ohne Stolz. Auch Jeff Watts, Managing Director bei Frank Russell Capital, ist des Lobes voll. «Die ABB hat weltweit einen ausgezeichneten Ruf und hilft auch uns, neue Partnerships zu erschliessen», sagt der Private-Equity-Spezialist, der seit 18 Jahren im Business ist.

Die ABB-Anlagestiftung erhofft sich dank der Zusammenarbeit mit Frank Russell Capital langfristig eine durchschnittliche Jahresrendite von mindestens 15 bis 20 Prozent. «Da das Geschäft boomt, die Grösse der einzelnen Transaktionen zunimmt und die Gebühren steigen, wird unser Job immer schwieriger», sagt Mike Cleary von Frank Russell Capital und warnt vor übersteigerten Renditeerwartungen. Diese Problematik kennt auch die ABB. «Damit wir unser Ziel erreichen, müssen wir zwingend in die besten Fonds investieren», sagt Dubach.

Deshalb reist er mit dem Private-Equity-Ausschuss ab und zu in die USA, um vor Ort die von Frank Russell Capital ausgewählten Investments zu begutachten. Jeff Watts spielt wie bei der Auswahl der Anlagen auch hier den Türöffner.

Fast schon jovial ist die Begrüssung bei Frazier & Co. Die Venture-Kapitalisten aus Seattle im Nordwesten der USA haben sich vor allem auf den boomenden Gesundheitssektor spezialisert. Am Morgenmeeting wird hart über das weitere Schicksal der Firma @hospital debattiert. Die bei Frazier tätigen Ärzte, Informatikspezialisten und Unternehmensberater evaluieren, ob das interaktive TV-System für Patienten in den Spitälern so zukunftsträchtig ist, wie die Firmenleitung prophezeit. Aus 2000 möglichen Deals im Gesundheitssektor schauen sich die Spezialisten von Frazier 200 näher an. Zehn Ideen schliesslich erhalten in einer Finanzierungsrunde von Frazier beziehungsweise ihren Kunden Geld zugesprochen.

Frazier investiert vor allem in Firmen, welche die Gründerphase hinter sich haben und weiterwachsen wollen. So zum Beispiel in MedChannel in San Francisco. Mit einer ausgeklügelten Internetplattform will der CEO Richard Sommer mit seinem Team die Distribution für medizinische Geräte an Ärzte effizienter, billiger und informativer gestalten. Die technische Umsetzung dieser einleuchtenden Idee lässt sich Sommer derzeit in einer zweiten Finanzierungsrunde mit 42 Millionen Dollar von verschiedenen Venture-Kapitalisten bezahlen.

Bei Calamari, die im gleichen Gebäude wie Frazier im Herzen Seattles angesiedelt ist, spielen die erfahrenen Venture-Kapitalisten hingegen die Rolle des so genannten Incubators, der einer anfänglich nur auf dem Papier bestehenden Idee zur Umsetzung verhilft. Ein Arzt hatte nach langjähriger Praxis einen effizienteren Ablauf für die gezielte Behandlung von Brustkrebs entwickelt. Frazier fand die Idee spannend, setzte einen Manager ein und versucht jetzt, das Projekt umzusetzen und zu vermarkten. «Wir sind sehr daran interessiert, möglichst in einem frühen Stadium dabei zu sein», sagt der Frazier-Chef. Das ist nicht weiter erstaunlich, denn wenn ein Projekt gelingt, werden nicht nur die Kunden, sondern auch die Venture-Kapitalisten selber reich. Sie verdienen neben einer jährlichen Gebühr von durchschnittlich 1,5 Prozent auf der Performance nochmals bis zu 30 Prozent. Im heiklen Geschäft mit Risikokapital lassen sich die guten Partnerschaften vergolden. Sie sind sich bewusst, dass der Wissensvorsprung in einem ineffizienten Markt, der im Gegensatz zu börsenkotierten Anlagen keine offiziell zugänglichen Preisbildungsmechanismen kennt, direkt in klingende Münze umgewandelt werden kann.

Das versucht auch Arch Venture Partners, die sich unter anderem auf die Finanzierung von Abspaltungen der Universität des Staates Washington spezialisiert und Startkapital zur Verfügung stellt. Sie nutzen den Think-Tank in der Gegend von Seattle, wo so bekannte Firmen wie Microsoft, Starbucks, Amazon und Boeing ihren Ursprung haben. Die beiden jungen Arch-Direktoren Bob Nelsen und Alex Knight sind in ihrem Auftreten von den Jungunternehmern kaum zu unterscheiden. Wenn Stewart Craig von Xcyte vom Aufbau seiner technologischen Plattform zur gezielteren Behandlung von Krebszellen schwärmt, spielt auch bei Bob, der die Firma mit Arch Venture Partners finanziell unterstützt, Gründergeist mit.

Zu den Top-Shots der Venture-Capital-Szene zählt Michael Lazaras von Weston Presidio. Der Routinier bringt die Erfolgsfaktoren im Venture-Capital-Geschäft auf den Punkt: Nachhaltigkeit, Beschränkung auf die eigenen Fähigkeiten, gute Beziehungen, ein sensibler Umgang mit Firmenbesitzern und die Fähigkeit, Menschen gut einzuschätzen. «Es gibt keine guten oder schlechten Branchen, sondern nur gute und schlechte Manager», sagt Venture-Kapitalist Michael Lazaras.

Überzeugt ist er beispielsweise von den Fähigkeiten der erfahrenen Hillary Billings, die er für die Leitung der Firma RedEnvelope in San Francisco angeheuert hat. Sie hat mit RedEnvelope im Internet eine «Welt der Geschenke» aufgebaut. Die Margen sind bereits sehr zufrieden stellend. Weil die Firma einen gigantischen Marketingaufwand betreibt, wird RedEnvelope allerdings frühestens Ende 2001 schwarze Zahlen schreiben.

Auch im Silicon Valley sind heute in Jungunternehmen Leute am Ruder, die über langjährige Berufserfahrung verfügen. Gordon Eubanks hat sich nach einer Karriere bei Computergiganten für den Job eines CEO des Internet-Start-ups Oblix anheuern lassen. Der Druck für den Stabwechsel an der Spitze von Oblix kam von den Venture-Kapitalisten. «Meine Stärke ist die Entwicklung von Software und nicht das Führen der Firma», sagt der Inder Sandeep Johri, der die Firma vor rund drei Jahren mit zwei Freunden gegründet hat. Mit den harten Anforderungen der Venture-Kapitalisten hat Johri keine Probleme. Er sieht die Berufung des neuen CEO nicht als Schmach, sondern als Chance. Dieser Pragmatismus ist leicht zu verstehen: Am Ende wollen alle gewinnen. Der Gründer, der nach wie vor die Aktienmehrheit der Firma besitzt, der neue CEO, der sich vor allem mit Aktienoptionen bezahlen lässt, und die Venture-Kapitalisten, die mit ihren erfolgsabhängigen Gebührenmodellen nur verdienen, wenn die Aktienkurse der Firmen in ihrem Portfolio steigen, und die nur Neugeld bekommen, wenn sie langfristig zu den Besten gehören.

Dank diesen entlang der Entscheidungskette konsequent gleichgeschalteten Interessen der involvierten Parteien erhofft sich die ABB-Anlagestiftung einen deutlichen Mehrertrag gegenüber konventionellen Aktienanlagen. Daniel Dubach und Philippe Lüthy jedenfalls gehen nach diesem Kurztrip beruhigt nach Hause. «Ich werde unseren Versicherten gut erklären können, weshalb sich der zusätzliche Aufwand mit dem Private-Equity-Geschäft für sie lohnt», sagt Dubach.

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