Vergangenheit sind Rittersaal, Ringmauern und Burganlage, am 23. Dezember letzten Jahres war Schluss auf dem Schloss. Gefeiert haben das Luzia Penner und Antonio Colaianni ziemlich ausgiebig, nicht in Rapperswil, sondern im «Hakkasan» und im «Isola», zwei tollen Restaurants in London.
Nach fünf gemeinsamen Jahren, einem Michelin-Stern und 17 Gault-Millau-Punkten lassen sich die beiden heute von zeitgenössischem Ambiente neu beflügeln: Luzia Penner im «Greulich» in Zürich, Antonio Colaianni im «Il Casale» in Wetzikon.
Garten mit 160 Expo-Birken
Erinnern Sie sich an den «Garten der Gewalt» an der Expo.02 in Murten? An das Wachshäuschen, den terrassierten Bach und das Birkenwäldchen? Der Zürcher Rechtsanwalt Thomas B. Brunner hat für das «Greulich» 160 Expo-Birken gekauft. Die haben in Adliswil überwintert und bilden bald dichtgedrängt die Lunge des «Greulich»-Komplexes im Zürcher Stadtkreis 4. Die Gestaltung des Hotelgartens mit Kiesgarten übernimmt wie in Murten der Landschaftsarchitekt Günther Vogt.
Doch beginnen wir von vorn. Die Geschichte des Design-Hotels «Greulich» – neben acht Junior-Suiten und zehn Doppelzimmern gehört ein hochklassiges Restaurant mit Bar und Lounge dazu – reicht ein paar Jahre zurück. Thomas B. Brunner, ein leidenschaftlicher Restaurantbesucher, der auch gut und gerne mit Freunden kocht, investiert in die Grundstücke an der Ecke Herman-Greulich-/Stauffacherstrasse, weil er an das Potenzial des etwas vernachlässigten Quartiers glaubt. Nach und nach kauft er die drei Liegenschaften und die Werkhallen im Hinterhof – auf dem Grundstück soll im bestehenden Volumen etwas für ein urbanes Publikum aus Kultur und Business entstehen, das Freude an guter Architektur und Design hat und gleichzeitig einen sehr guten Service schätzt. Die Zürcher Architekten Franz Romero und Markus Schaefle werden mit dem Um- und Neubau beauftragt, nachdem sie sich in einem Projektwettbewerb gegen vier Architekturbüros durchgesetzt haben. Die eindrücklich geschwungene Fassade mag den Ausschlag gegeben haben, vielleicht auch die Platzierung des Restaurants, der Strassenecke zugewandt im Parterre, oder die Bar im Schaufenster. Ansonsten richtet sich der ganze Komplex eher nach innen aus, von den beiden strassenseitigen Liegenschaften mit den 21 Wohnungen auf den nur über den Haupteingang zugänglichen Innenhof mit Terrasse, Birkenhain und den beiden separaten, nebeneinander liegenden, flachen Hotelzimmer-Blöcken.Im Restaurant mit den 60 Plätzen – die einzelnen, weiss gedeckten Tische liegen angenehm weit auseinander – strahlt Zedernholz Wärme aus.
Ganz der geschwungenen Linie des Gebäudes passt sich eine auffällige, langgezogenene Bank an. Für die Farbgestaltung im modern-klassischen «Greulich» ist der Schweizer Künstler Jean Pfaff engagiert worden, als Koch hat Direktorin und Gastgeberin Luzia Penner den innovativen Spanier David Martinez Salvany aus Barcelona geholt. Er will kein Chichi auf die Teller zaubern, vielmehr soll sich seine Küche an der Slow-Food-Bewegung orientieren und alle verwendeten Produkte ihre ursprüngliche Qualität zeigen dürfen.
Bei der Suche nach einem griffigen Namen für Restaurant und Hotel machte schliesslich der Namensgeber der Adresse das Rennen: Greulich, Herman (1842 bis 1925), Gewerkschafter, Redaktor und einer der ersten SP-Nationalräte.
Aussen alt, innen neu
«Il Casale», das Gehöft, nennt sich das neue Restaurant von Antonio Colaianni, das nahe der spätklassizistischen Villa Gubelmann in einer 1895 erstellten Scheune untergebracht ist. Einst gehörte sie zum landwirtschaftlichen Gut der Fabrikantenfamilie Gubelmann, jahrelang sind dort Pneus gelagert worden, bis sich Architekt Peter J. Meier im Auftrag von Suzy Gubelmann des imposanten, denkmalgeschützten Ökonomiegebäudes annimmt.
Äusserlich in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt, auch farblich, richtet sich Meier mit seinen Partnern und Mitarbeitern auf dem früheren Heuboden ein, im jetzt offenen Atelier im Obergeschoss. Für das Restaurant im Parterre zieht er als Gestalter den Zürcher Peter Kern bei, der nach einem Besuch im «Lasalle» im Zürcher Schiffbau auch Antonio Colaiannis Wunschkandidat ist.
Kern sitzt liebend gerne in Restaurants und bezeichnet sich selbst als «Gastrovoyeur». Er mag es, sich mit den Gegebenheiten in bestehenden Gebäuden auseinander zu setzen, wie hier mit der dreiteiligen Struktur der Scheune, die es zu bewahren galt, und die nun auch das ebenerdige Restaurant prägt. Auf der einen Seite, in der früheren Garage für die Traktoren, liegt das eigentliche Restaurant mit Säli und 54 Plätzen – der Boden: geöltes Bergeichenparkett, an den Wänden: Bilder des Zürcher Künstlers Mayo Bucher. Auf der anderen Seite, dem eins- tigen Kuhstall, befindet sich die Küche, Colaiannis Reich, aber auch die Kühl- und Personalräume sowie die Haustechnik. Der Mitteltrakt, die ehemalige Tenne, mit Buffet, Bistro sowie Smokers-Lounge (angeboten werden 49 verschiedene Zigarren) ist das Herzstück im «Casale» – der Boden: quarzgebundener Guber Sandstein aus der Innerschweiz; die Wand zur Küche: rot über die ganze Länge des Gebäudes. Natürliches Licht fällt ins Bistro durch die in der anderen Längswand eingelassene Vitrinen. Die Tische aus massivem Eschenholz sind Unikate, ebenfalls die mit schwedischem Kuhleder bezogenen Stühle. Speziell für das «Casale» entworfen wurden auch die Wagen aus rohem Stahl für Käse und Schnaps.
Die London-Connection
Die Speisekarte Antonio Colaiannis ähnelt jener im Schloss Rapperswil, mit nur kleinen Veränderungen wählte er den sicheren Weg, weil er nicht mehr mit der genau gleichen Brigade arbeitet. Den Gästen ists recht, sie mögen Colaianni-Klassiker wie das geschmorte Kalbsbäggli mit dem gebratenen Kalbsfilet auf Sellerie-Kartoffel-Püree, die handgerollten Orecchiette («die macht meine Schwester Rosella in Bern, für ein Kilo braucht sie zwei bis zweieinhalb Stunden») oder die karamellisierte Rosmarincreme mit altem Aceto balsamico. Bei all seinen Gerichten verzichtet Colaianni am neuen Ort allerdings auf jegliche asiatischen Komponenten.
Colaiannis früherer Sous-Chef hat ins «Greulich» gewechselt, an der «Casale»-Eröffnung aber kräftig mit Hand angelegt, wie auch David Martinez Salvany. Vor Jahren haben Colaianni und Salvany zusammen im «Le Gavroche» in London gearbeitet, «ein Jahr lang 18 Stunden im Tag, ich war danach 30 Kilo leichter». Eine ausgezeichnete Schule sei das gewesen, auch ein Sprungbrett.
Das «Greulich» wird erst im August eröffnet. «Ganz sicher am 30.», lacht Luzia Penner, «dann hat eine Hochzeitsgesellschaft das Lokal gebucht.» Und: Selbstverständlich vermisse sie den Antonio, das sei gegenseitig. «Jetzt, da wir uns nicht mehr täglich sehen, telefonieren wir halt täglich miteinander.»
Wolfram Meister ist Journalist und Mitherausgeber des Newsletters «WeinWisser».
Luzia Penner: «Greulich»
Den Um- und Neubau im Zürcher Kreis 4 führen die Zürcher Architekten Franz Romero und Markus Schaefle aus. Sie haben gerade das Hochhaus zur Schanze in Zürich um ein Geschoss erweitert, und das mit einem scheinbar schwebenden Glaskubus, in dem ein exklusives Klubrestaurant untergebracht ist. Das «Greulich» gehört wie etwa «The Hotel» in Luzern, das «Saratz» in Pontresina oder der «Widder» in Zürich zur internationalen Hotel-Kooperation «Design Hotels».
Restaurant Greulich (Eröffnung im August 2003), Herman-Greulich-Strasse 56, 8004 Zürich, Tel. 043 243 42 43, mail@greulich.ch
www.greulich.ch
www.designhotels.com
Antonio Colaianni: «Il Casale»
Das ehemalige Ökonomiegebäude der Villa Gubelmann hat das Wetziker Architekturbüro von Peter J. Meier in Zusammenarbeit mit dem Zürcher Gestalter Peter Kern umgebaut. Meier, der häufig unter Denkmalschutz stehende Gebäude renoviert, macht auch Industriearchitektur (Maxx Filmpalast in Dietlikon mit elf Kinos und Ikea unter einem Dach); Kern ist auf Restaurants (Apollo, Caduff’s, Lasalle und Zentraleck in Zürich, L’O in Horgen) und Geschäfte (Jet Set) spezialisiert
Restaurant Il Casale Leutholdstrasse 5, 8620 Wetzikon Tel. 043 477 57 37,
info@il-casale.ch, www.il-casale.ch