Nach einem verlustreichen Vorjahr sind viele Rohstoffe auch im neuen Jahr auf Talfahrt. Doch bei aller Tristesse im Sektor gibt es auch Hoffnungsschimmer. So hat sich der Ölpreis zuletzt etwas erholt, und eine Eindeckungswelle von hohen Shortpositionen sorgte auch in anderen Bereichen Ende Januar für eine Gegenbewegung. Zuletzt konnte Gold angesichts der Turbulenzen an den Aktienmärkten von seiner Rolle als Hort der Sicherheit profitieren.
Dennoch darf hier eines nicht vergessen werden: Die Rohstoffindizes bewegen sich allgemein nach wie vor in völlig intakten technischen Abwärtstrends. Allerdings sind nach dem Ausverkauf oft Preisniveaus erreicht worden, die zumindest das Zeug für eine Bodenbildung bergen. Jedenfalls trug das Ausmass der Verluste zuletzt Züge einer Kapitulation unter den Anlegern.
Auf dem Weg zur Marktbereinigung ist das eine wichtige Entwicklung, denn vor einem Neuanfang müssen in der Regel auch noch die letzten Anhänger aus einem vorangegangenen Bullenmarkt abgeschüttelt werden. Im Rohstoffsektor haben sich die Anhänger einer ewig währenden Rohstoff-Hausse aber lange sehr hartnäckig gehalten, obwohl die Preise im Grunde genommen schon seit 2008 fallen. Kommen auf dem gedrückten Preisniveau jetzt noch grössere Angebotskürzungen seitens der Produzenten hinzu, könnte demnächst der Boden für einen Neuanfang bereitet sein.
Kürzungsbedarf auf der Angebotsseite und Kostensenkungen
Obwohl sich durch den jüngsten Preisverfall der Anpassungsprozess beschleunigen sollte, ist kaum mit einer raschen Erholung der Rohstoffnotierungen zu rechnen. Dazu müssten die Lagerbestände erst einmal ihren Höchststand erreichen, und danach müssten sie langsam wieder normalisiert werden, was nach Einschätzung von Stefan Graber, Head Commodity & Alternative Investment Strategy bei der Credit Suisse, noch bis mindestens zur zweiten Jahreshälfte 2016 dauern könnte. Aus Sicht des Rohstoffexperten werden wohl vor allem Industriemetalle eine vergleichsweise schlechte Performance verzeichnen, weil ihre Preise stark von der zuletzt schwächeren Nachfrage aus China abhängen.
Im Umfeld gesunkener Rohstoffpreise beschäftigen sich immer mehr Marktteilnehmer derzeit vor allem mit der Frage, wie es um die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit vieler Unternehmen im Bergbausektor bestellt ist. Die Verantwortlichen im Rohstoffsektor konzentrieren sich vor diesem Hintergrund auf Kostensenkungen, auf Kürzungen der Investitionsausgaben und auf selektive Asset-Verkäufe.
Bergbauunternehmen kürzen Dividenden
In vielen Fällen, wie etwa bei Glencore, Anglo American oder ArcelorMittal werden zudem die Dividendenzahlungen ausgesetzt. Selbst das defensivere Schwergewicht BHP Billiton ist, wie Credit Suisse-Analyst Dan Scott erklärt, nicht in der Lage, seine Dividenden aus eigener Kraft zu finanzieren. Die Dividendenrendite des Titels liege zurzeit deutlich über 10 Prozent, was nahelege, dass der Aktienmarkt mit einer Senkung der Dividende rechne. Scott wäre sogar nicht überrascht, wenn die Ausschüttung halbiert würde.
Vor diesem Hintergrund rät die Credit Suisse zu einem höchst selektiven Ansatz bei der Auswahl von Sektortiteln. Neben einigen Rohstoffwerten, die weiter gemieden werden sollten, stehen auch einige Aktien aus dem Metall- und Bergbausektor bei der Credit Suisse neu auf der Kaufliste.
Glencore – die Aktie ist überverkauft
Dazu zählt auch der in der Schweiz ansässige Rohstoffhändler Glencore (ISIN: JE00B4T3BW64; 0,8595 britische Pfund. Kursziel 1,35 britische Pfund). Nach Einschätzung der Bank zählt das Unternehmen wegen der durchgeführten Massnahmen zum Schutz der Bilanz und zur Reduktion der Verschuldung unter den grossen Rohstoffkonzern zu den Mitfavoriten und Glencore sei angesichts eines Kurs-Buchwert-Verhältnisses von 0,3 auch überverkauft. Zudem gebe es mit Blick auf das erste Halbjahr 2016 diverse Impulse für die Aktie. So werde das Unternehmen voraussichtlich zwei Kupferminen und eine Beteiligung an seinem Agrarrohstoffgeschäft verkaufen und möglicherweise einen weiteren Streaming-Deal (Liefervereinbarung mit Vorabzahlung) für die Goldproduktion ankündigen.
In Kombination mit weiteren Massnahmen ist es möglich, dass Glencore ihre Schulden damit im laufenden Jahr um über 15 Milliarden Dollar senken wird, was Befürchtungen hinsichtlich einer Überschuldung zerstreuen dürfte. Die Niveaus der Kreditausfallversicherungen (CDS) signalisieren zwar erhöhte Ausfallrisiken in diesem Sektor, viele Unternehmen hätten aber die Tiefzinsphase und die liberalisierten Kapitalmärkte genutzt, um ihre Laufzeitenprofile zu verlängern. Dies stärke ihre Bonität.
Substanzieller Bewertungsabschlag bei ThyssenKrupp
Ein weiterer Neuzugang in der Favoritenliste der Credit-Suisse-Analysten ist der deutsche Stahlhersteller ThyssenKrupp (ISIN: DE0007500001; 14.94 Franken. Kursziel 25 Franken). Hier glauben die Experten, dass die Rentabilität des Unternehmens von einer Bodenbildung der globalen Stahlpreise, von internen Restrukturierungsmassnahmen und von einem verstärkten Fokus auf Investitionen in das margenstärkere Ausrüstungsgütergeschäft profitieren können wird. Mit einem geschätzten Verhältnis des Unternehmenswertes (EV, Enterprise Value) zum Gewinn vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen und Amortisationen (Ebitda) für 2016 von 4,5 werde die Aktie mit einem substanziellen Abschlag gegenüber vergleichbaren Titeln aus dem Ausrüstungsgütersektor gehandelt (EV/Ebitda von 7–8).
Des Weiteren wurde die Favoritenliste der Credit Suisse um die beiden Goldproduzenten Acacia Mining (Grossbritannien, ISIN: GB00B61D2N63; 2,10 britische Pfund. Kursziel 2,65 Pfund) und Agnico Eagle Mines (Kanada, ISIN: CA0084741085; 31,40 US-Dollar. Kursziel 39,00 US-Dollar) ergänzt, weil die zurzeit hohe Risikoabneigung an den Märkten den Goldpreisen Auftrieb gebe, während Währungsabwertungen zu einer Senkung der Kosten beitragen würden.
Boliden und Goldcorp fliegen aus der Favoritenliste, ...
Von der Favoritenliste gestrichen, wurde hingegen das schwedische Bergbauunternehmen Boliden (ISIN: SE0000869646; 118,50 schwedische Kronen. Kursziel: 150,00 schwedische Kronen), weil es hier wegen tieferer Zink- und Kupferpreise Gewinnrisiken gebe und weil das Verhüttungsgeschäft wegen tieferer Verarbeitungs- und Raffinationskosten unter Druck stehe.
Bei der ebenfalls von der Favoritenliste genommenen Aktie des kanadischen Goldproduzenten Goldcorp (ISIN: CA3809564097; 17,12 Kanada-Dollar. Kursziel 24,00 Kanada-Dollar) werden sich möglicherweise operative Schwierigkeiten 2016 zunehmend negativ auf den freien Cashflow auswirken. Ausserdem wird der Wechsel an der Unternehmensspitze wahrscheinlich mit Unsicherheit hinsichtlich der langfristigen strategischen Ziele verbunden sein.
... und Anglo American ist jetzt sogar auf der Verkaufsliste
Auf ihre Verkaufsliste führen die Bergbauexperten von Credit Suisse jetzt neu den britisch-südafrikanischen Bergbaukonzern Anglo American (ISIN: GB00B1XZS820; 2,737 britische Pfund). Das Unternehmen werde nach bereits drastischen Massnahmen (unter anderem Verkäufe von zum Kerngeschäft gehörenden Aktivitäten, Aussetzung der Dividende) noch mehr tun müssen, um sein langfristiges Überleben als Wirtschaftsakteur gewährleisten zu können.
Hinzu kämen eine mögliche weitere Abschwächung am Diamantenmarkt sowie zunehmende Anlegerbefürchtungen in Bezug auf eine potenzielle aktienseitige Verwässerung. Die Befürchtungen spiegeln sich auch im Aktienchart. Der Kurs ist seit fünf Jahren in einem steilen Abwärtstrend und hat seit den 2011er-Hochs bereits 90 Prozent an Wert verloren.
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