Die schwere Finanzkrise hat auch den Rohstoffsektor voll erfasst. Der Commodity Research Bureau Index (CRBI) ist seit seinem Höchststand vom Juli bei 473 Zählern um rund 30 Prozent abgestürzt und notiert inzwischen wieder auf dem Stand von Anfang Jahr. Dass die Gegenbewegung derart heftig ausgefallen ist, überrascht mit Blick auf die Kursentwicklung im ersten Semester allerdings wenig. Denn Rohstoffe verbuchten in den ersten sechs Monaten, sowohl gemessen am CRBI als auch am S&P GSCI, das beste erste Halbjahr seit 35 Jahren. Zugleich manifestierte dieses Feuerwerk den vorläufigen Höhepunkt einer langjährigen Hausse. Seit Mitte Jahr hat der Wind gedreht und fordern sowohl die Finanzkrise wie die Aussicht auf eine schwächelnde Weltwirtschaft ihren Tribut. Die verbreitete Meinung, dass der Rückschlag gleichzeitig das Ende der Hausse bedeute, greift allerdings zu kurz. Kurzfristig dürfte das Umfeld zwar schwierig bleiben und der Markt konsolidieren. Langfristig sprechen jedoch Faktoren, wie etwa die angespannte Angebotssituation bei wichtigen Rohstoffen, für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends. Die Kurserholung dürfte aber deutlich langsamer vonstatten gehen als in der Vergangenheit. «Die historischen Höchststände, die viele Rohstoffpreise im ersten Halbjahr markierten, werden wohl lange nicht mehr erreicht werden», sagt Susanne Toren, Rohstoffspezialistin bei der ZKB.

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Die globale Konjunkturentwicklung bezeichnet sie als den zurzeit entscheidenden Faktor: «Der Abschwung der Weltwirtschaft dürfte wegen der Finanzkrise bis in die erste Hälfte 2009 andauern.» Zeigten sich allerdings erste Anzeichen einer Erholung, würden die Rohstoffpreise rasch wieder anziehen, führt die Analystin weiter aus. Trotz den Unwägbarkeiten haben sich Rohstoffe bei Anlegern in den vergangenen Jahren etabliert. Zu den Pluspunkten zählt, dass ihre Kursentwicklung langfristig nicht mit Aktien und Obligationen korreliert und dass sie einen gewissen Inflationsschutz bieten. In diesem Jahr gerieten die Engagements von privaten und institutionellen Anlegern wegen der satten Preissteigerungen bei Energie- und Agrarrohstoffen zeitweilig heftig unter Beschuss (siehe Interview auf Seite 100). Eingeleitete Untersuchungen unabhängiger Stellen machten jedoch deutlich, dass die Preisanstiege fundamental begründet und nicht durch Finanzinvestoren ausgelöst wurden.

BILANZ hat die Perspektiven von vier Rohstoff-Hauptgruppen kurz zusammengefasst.

Rohöl

Rückblick: Die brutalen Schwankungen am Ölmarkt standen heuer ganz im Fokus. So schoss der Preis für ein Fass der Sorte West Texas Intermediate (WTI) rasant von 100 auf über 147 Dollar pro Fass hoch – und tauchte innert weniger Tage noch schneller wieder unter 120 Dollar. Zunehmende Konjunkturängste drückten den Preis jüngst gar unter die Marke von 100 Dollar pro Fass.

Ausblick: Der Rohölpreis dürfte sich in den nächsten Monaten zwischen 80 und 120 Dollar bewegen. Goldman Sachs senkte ihre WTI-Prognose auf Ende Jahr jüngst von 149 auf 115 Dollar pro Fass und das Kursziel 2009 von 148 auf 123 Dollar. Die Analysten reagierten darauf, dass die globale Nachfrage bei Notierungen von über 130 Dollar pro Fass markant zurückgegangen war. Allerdings sehen die Experten den Ölpreis auch gegen unten gut abgestützt. Sie rechnen einerseits mit einem Rückgang der Opec-Fördermenge, andererseits mit neuem Kaufinteresse aus China. Die Asiaten hätten ihre Lagerbestände in letzter Zeit verringert, lautet die Begründung.

Während die kurzfristige Entwicklung mit einiger Unsicherheit behaftet ist, zeigt der langfristige Trend weiterhin nach oben. Die Nachfrage aus Schwellenländern wird weiter steigen, während das Angebot wegen fehlender Förderinfrastruktur nicht wesentlich ausgeweitet werden kann. Laut Statistiken der US-Landwirtschaftsbehörde stiegen die Ölimporte Chinas zwischen 1996 und 2006 pro Jahr um 21 Prozent, das heisst von 194 Millionen auf 1,37 Milliarden Barrel. Nimmt man ganz Asien, wird das Bild noch klarer: 3,6 Milliarden Menschen verbrauchen derzeit gleich viel Öl wie die USA mit 300 Millionen Einwohnern. Das starke Wirtschaftswachstum und die hohe Nachfrage nach Automobilen in China oder Indien werden den Ölverbrauch künftig massiv erhöhen.

Edelmetalle

Rückblick: Gold profitierte jüngst einmal mehr von den Turbulenzen an den Finanzmärkten. Bereits im März hatten Krisenängste den Preis auf ein Rekordhoch von 1033 Dollar pro Unze getrieben. Allerdings ist auch der Goldkurs ungewohnt hohen Schwankungen ausgesetzt. Der bisherige Höhepunkt: Innert zweier Tage explodierte der Goldpreis um 15 Prozent auf über 900 Dollar pro Unze. Im Gegensatz zu Gold geniessen Silber, Platin und Palladium keinen Safe-Haven-Bonus. Im Gegenteil, die mehrheitlich in der Industrie verwendeten Edelmetalle gingen auf Talfahrt. Besonders arg erwischte es Platin, das 2008 bisher mehr als 40 Prozent einbüsste.

Ausblick: Nach dem Fast-Zusammenbruch des globalen Finanzsystems hat Gold seinen Status als Depot-Kernanlage weiter gefestigt. Wegen der Beruhigung an den Finanzmärkten und des festeren Dollars dürfte das Aufwärtspotenzial bei Preisen über 950 Dollar kurzfristig allerdings ausgeschöpft sein. Kursrückschläge sollten in den nächsten Monaten allerdings ebenfalls gut abgefedert werden, da das gelbe Metall im vierten Quartal traditionell die stärkste Nachfrage verzeichnet. Die Gründe: Im wichtigsten Goldmarkt, Indien, läuft die Hochzeitssaison auf vollen Touren, und in westlichen Kulturen steht Weihnachten vor der Tür. Für Investoren empfiehlt sich, einen Rückgang unter die Marke von 800 Dollar zum Einstieg zu nutzen.

Für den grossen Kursverlierer Platin haben sich die Perspektiven weiter getrübt. Laut der Londoner Researchfirma GFMS wird das Platinangebot 2008 mit rund 200  000 Unzen den grössten Überschuss seit zehn Jahren aufweisen. Bis vor kurzem hatte man aufgrund der Nachfrage aus der Auto- und der Schmuckindustrie noch mit einem Angebotsdefizit gerechnet. Autohersteller verwenden Platin – wie auch Palladium – zur Herstellung von Katalysatoren. Im Gegensatz zu Platin sollte Palladium im laufenden wie im nächsten Jahr ein Angebotsdefizit aufweisen, gegen einen Preisanstieg sprechen jedoch die hohen Vorräte von etwa sechs bis sieben Millionen Unzen. Fazit: Die Notierungen beider Metalle dürften in den kommenden Monaten unter Druck bleiben. Besser stehen die Chancen für Silber, das historisch eine hohe Korrelation mit dem Goldpreis aufweist. Für anziehende Kurse spricht neben einem Angebotsdefizit ein steigendes Anlegerinteresse, das sich in den Mittelzuflüssen bei Silber-ETF spiegelt. Bis Ende des zweiten Quartals wurden aus diesem Segment fast 200 Millionen Unzen nachgefragt. Dies entspricht rund 20 Prozent des jährlichen Silberangebots.

Industriemetalle

Rückblick: Kupfer, Zink, Nickel usw. sind von allen Rohstoffgruppen am stärksten betroffen von der Entwicklung der Weltkonjunktur. So verzeichnete Kupfer im dritten Quartal den höchsten Verlust seit 1986 und notiert auf dem Stand von Anfang Jahr. Noch schlimmer erwischte es Nickel, das im Jahresverlauf bisher rund 40 Prozent einbüsste und damit auf dem tiefsten Niveau seit zweieinhalb Jahren notiert. Die Preisentwicklung spiegelt, dass die Nachfrage aus der Stahlindustrie, die zwei Drittel der Nickelproduktion verarbeitet, regelrecht eingebrochen ist.

Ausblick: Die Aussichten für die Weltwirtschaft haben sich in den vergangenen Wochen weiter eingetrübt. Inzwischen rechnet die Deutsche Bank für 2008 noch mit einem globalen BIP-Wachstum von 3,6 und für 2009 mit 3,0 Prozent. Angesichts der zyklischen Exponiertheit von Industriemetallen drängt sich ein Einstieg zurzeit nicht auf.

Agrarrohstoffe

Rückblick: Die Notierungen für Weizen, Mais usw. haben von ihren Höchstpreisen deutlich nach unten korrigiert. Ein entscheidender Grund für den Preisrückgang ist, dass Produzenten auf die Extrempreise mit einer massiven Angebotsausweitung reagierten. Daneben spielt auch die Korrektur beim Rohöl eine wichtige Rolle. Verteuern sich Rohöl und auch Derivate wie Benzin oder Diesel, so ist der Einfluss auf den Agrarmarkt riesig. Teurere Transportkosten und Preisanstiege für Saatgut und Düngemittel schlagen kräftig zu Buche.

Ausblick: Die jüngsten US-Daten zeigen, dass die Lagerbestände von Mais und Sojabohnen im September stärker gestiegen sind als erwartet. Laut Analysten ein Zeichen dafür, dass bei Futtermitteln verstärkt auf Weizen ausgewichen wird. Auch bei Weizen hat sich das Angebot deutlich erhöht, da Farmer mehr ansäten, um von den hohen Preisen zu profitieren. Bei den erneuerbaren Rohstoffen ist das Wechseln zwischen den Getreidesorten, deren Preise von Preiserwartungen, Anbaufläche und weltweiter Nachfrage bestimmt sind, die gängige Praxis. Mit Blick auf die bisherige Preisentwicklung haben wohl Weizen und Sojabohnen das grösste Potenzial.

Langfristig zeigt der Trend bei vielen Agrarrohstoffen nach oben. Bis 2050 dürfte die Weltbevölkerung von zurzeit 6,5 auf über 9 Milliarden Menschen angestiegen sein. Der wachsende Wohlstand in Schwellenländern ändert auch die Essgewohnheiten. Der Trend zu mehr Protein – sprich Fleisch – zieht die Preise für Futtermittel nach oben.