Top-Manager bei Rückversicherern zeigen sich derzeit skeptisch. «Wir gehen davon aus, dass das Umfeld für den Erst- und Rückversicherungsmarkt in den kommenden Jahren herausfordernd bleiben wird», sagte beispielsweise Michael Liès, CEO von Swiss Re, vor kurzem. Jörg Schneider, Finanzchef von Konkurrent Munich Re, stösst ins selbe Horn: «Profitables Wachstum ist unter den schwierigen Marktbedingungen in der Rückversicherung derzeit nur begrenzt möglich.» Hinter diesen Aussagen verbirgt sich ein seit einiger Zeit tobender Preiskampf.
Dieser ist einerseits auf einen zunehmenden Konkurrenzdruck zurückzuführen. Denn branchenfremde Akteure wie Hedge Funds oder Pensionskassen versuchen ihre Rendite zu verbessern, indem sie sich in das Rückversicherungsgeschäft drängen. Auf der anderen Seite war aber auch die Zahl der Grossschäden in der jüngsten Vergangenheit relativ gering. Als Folge geht die Nachfrage der Erstversicherer nach Rückversicherungsleistungen zurück.
Hohe Kursgewinne
Trotz der skizzierten Gemengelage haben die Aktionäre der grossen Rückversicherer derzeit keinen Grund zum Jammern. Obwohl Swiss Re (ISIN CH0126881561) voll vom Januar-Ausverkauf am heimischen Aktienmarkt betroffen war, notiert der Blue Chip mittlerweile 13 Prozent über dem 2014er-Ultimo. Für Munich Re (ISIN DE0008430026) steht kurz vor dem Ende des ersten Quartals ein Plus von 21 Prozent zu Buche, während die Valoren des französischen Sektorvertreters Scor (ISIN FR0010411983) sogar um knapp einen Viertel gestiegen sind. Ein zentraler Treiber der Rally steht in direktem Zusammenhang mit den Problemen der Branche: Die Unternehmen sitzen zum Teil auf immensen Geldbergen.
Allerdings wollen sie das Kapital nicht in das eigene Geschäft oder in Übernahmen investieren, sondern sie reichen es grosszügig an die Aktionäre weiter. Swiss Re schüttet für 2014 inklusive einer Sonderdividende von 3 Franken 7.25 Franken je Anteilsschein aus. Daraus ergibt sich eine Rendite von rund 7,6 Prozent. Gleichzeitig kündigten die Zürcher ein Aktienkrückkaufprogramm im Volumen von bis zu einer Milliarde Franken an. Zwar bringt es Munich Re auf Basis der anstehenden Ausschüttung nur auf eine Dividendenrendite von knapp 4 Prozent, doch möchten auch die Bayern ein weiteres Mal eigene Papiere zurückkaufen. Das Management stellt dazu bis zu einer Milliarde Euro bereit.
Munich Re und Hannover Rück: Teuer, …
Trotz des warmen Geldregens betitelt die Deutsche Bank einen aktuellen Sektorreport mit einer provokanten Frage: «Kann es nur nach oben gehen?» Nach Ansicht von Analystin Olivia Brindle trieb die Jagd der Investoren nach Rendite Europas Rückversicherer auf ein hohes Bewertungsniveau. «Der Markt hat nicht zwischen den Unternehmen differenziert und die Fundamentaldaten mitunter ignoriert», meint sie. Dieses Verhaltensmuster dürfte kurzfristig anhalten.
Ingesamt herrsche in der Branche aber ein Patt zwischen starken Dividenden und nicht aufregenden Gewinnen. Was Einzeltitel anbelangt, macht Brindle bei Munich Re und Hannover Rück eine Überbewertung aus. Das Duo habe von der allgemeinen Lust auf deutsche Blue Chips profitiert. Konsequenterweise stuft die Analystin beide Valoren auf «Verkaufen» herab.
… aber Swiss Re wird zum «Kauf»
Hingegen hebt Brindle bei Swiss Re den Daumen und erhöht das Rating von «Halten» auf «Kaufen». Investoren könnten mit der Aktie einen defensiven, obligationenähnlichen Ansatz verfolgen. Zu dieser These passen die frisch ausgegebenen Finanzziele des heimischen Branchenvertreters. Ab 2016 möchte Swiss Re über den Versicherungszyklus hinweg eine Eigenkapitalrendite erwirtschaften, die um 700 Basispunkte über der Verzinsung zehnjähriger US-Staatsanleihen liegt. Gleichzeitig soll das ökonomische Eigenkapital je Aktie jährlich um einen Zehntel zunehmen.
Geht diese Rechnung auf, dürfen Anleger weiterhin mit einer lukrativen Dividende rechnen. Den zentralen Unterschied zu einem Anleihen-Investment können die positiven Aussichten aber nicht ausser Kraft setzen: Der Kapitaleinsatz von Aktionären ist nicht garantiert. Swiss Re wird wie der Rest der Branche auch in Zukunft den allgemeinen und spezifischen Schwankungen an den Börsen ausgesetzt sein.
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