Herr Merino, der Schweizer Markt befindet sich momentan in einem freundlicheren Umfeld als Mitte Juni und man kann möglicherweise sogar von einem kleinen «Rebound» sprechen. Wie lange hält das noch an?

Sandro Merino: Nun, wir stehen momentan auf halbem Weg zwischen dem Maximum vom August und dem Minimum vom Juni. Von einem «Rebound» zu sprechen, wäre da schon eher wohlwollend. Wir sind momentan in einer Korrektur gefangen. Wir haben eine konjunkturelle Verlangsamung vor uns und die Energieversorgungs-Thematik beschäftigt Europa. Generell nimmt die Konjunkturdynamik aber relativ klar ab. Zusätzlich sind da auch noch die weiteren Zinserhöhungen der Zentralbanken zu berücksichtigen. Wir befinden uns deshalb mitten in einer Justierung. Potenzial für einen «Rebound» ist darum nicht wirklich vorhanden. Ich glaube schon, dass wir wieder ein Allzeithoch erreichen werden, aber nicht sofort, das dürfte noch mehrere Monate in Anspruch nehmen.

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Wie schätzen Sie den Schweizer Markt im Vergleich zu anderen Märkten ein?

Wenn man den Schweizer Markt mit dem amerikanischen Markt seit Jahresbeginn vergleicht, sind wir ein bisschen schlechter unterwegs, aber nicht wesentlich. Aber wenn man sich den Dax anschaut, verliert dieser doch um einiges mehr. Der Schweizer Markt war im Vergleich defensiver positioniert. Wenn man noch den Wechselkursverlust des Euros berücksichtigt, haben Schweizer Aktien dieses Jahr gar nicht so schlecht performt.

Die Ankündigungen der Fed in Jackson Hole und die Bekanntgabe des Jumbo-Zinsschritts der EZB waren die grossen Themen der Finanzwelt in den letzten Wochen. Wie wird die SNB darauf reagieren?

All diese Zinserhöhungen kommen überhaupt nicht überraschend. Ob der Zinsschritt ein halbes oder dreiviertel Prozent beträgt, ist nicht besonders matchentscheidend. In den USA gehen wir in Richtung 4 Prozent und die SNB wird um mindestens ein halbes Prozent, oder sogar um drei Viertel erhöhen. Die Negativzinsen werden dann der Vergangenheit angehören. Es werden dann aber auch noch mehr Zinsschritte folgen. Bis im Frühling dürfte in der Schweiz mit 1,5 Prozent Leitzins ein einigermassen normales Umfeld herrschen. Der Leitzins der EZB dürfte sich in Richtung 2 bis 2,5 Prozent entwickeln. Das wurde alles bereits angekündigt. Ich verstehe insofern oftmals auch die grosse Medienberichterstattung nicht. Es gibt doch auch keine grosse Reportage, wenn ein Zug gemäss Fahrplan abfährt. Momentan herrscht sicherlich eine schwierige Phase für die Märkte, aber es ist auch absehbar, dass wir, trotz Energieproblematik, wieder mit mehr Zuversicht in die Zukunft schauen können.

«Wir prognostizieren, dass der Eurokurs wieder bei 1 zu 1 zum Franken stehen wird.»

Wie wird sich der Eurokurs Ihrer Meinung nach noch weiterentwickeln?

Wir glauben eher, dass sich der Kurs wieder erholen könnte. Wir prognostizieren, dass der Eurokurs wieder bei 1 zu 1 zum Franken stehen wird. 

Wann sollte man wieder Aktien kaufen?

Da man nicht ständig frisches Geld erhält, kann man auch nicht konstant neue Aktienkäufe tätigen. Ein Grossteil des eigenen Geldes wurde ja im Normalfall bereits investiert. Es stellt sich dann eher die Frage, wann man wieder mit Freude aufs eigene Portfolio schauen kann. Ich denke nicht, dass man jetzt unbedingt dazu kaufen muss, um die Aktienquote zu erhöhen. Man sollte vorläufig an der eigenen Strategie festhalten und keine grossartigen Umschichtungen machen. Es ist wichtig darauf zu vertrauen, dass sich die Probleme über den Verlauf der Zeit wieder mildern werden. Es braucht einfach ein wenig Geduld, dann wird auch irgendwann wieder ein neues Allzeithoch erreicht. Ausser man diversifiziert nicht ausreichend und versteift sich auf einen Wert, der sich vielleicht nie mehr erholt, wie zum Beispiel die Credit Suisse-Aktie. In solchen Fällen kann man möglicherweise lange und vergeblich warten.

Das Prinzip Hoffnung ist immer schlecht beim Investieren.

Machen Sie auch Empfehlungen zu Einzeltiteln?

Wir haben natürlich Aktientitel, welche wir empfehlen, aber vor allem im Rahmen einer Gesamtstrategie. Man sollte nicht 10 Prozent des eigenen Vermögens in einen Einzeltitel investieren und danach beten, dass keine Probleme daraus entstehen. Und falls es dann doch schiefläuft, können sich die Leute meistens nicht mehr von diesen Titeln trennen und warten bis zum bitteren Ende. Das funktioniert bei Profis anders, diese trennen sich in einer solchen Situation schneller von ihren Investitionen. Es ist immer Vorsicht angebracht mit diesen Einzelaktien. Denn woher soll ich wissen, wie sich ein Titel nach zwei Jahren entwickelt haben wird? Wir schichten deshalb auch unsere Portfoliokonstruktionen laufend um. Diese beinhalten aber auch 35 bis 40 Titel. Klar ist: Das Prinzip Hoffnung ist immer schlecht beim Investieren. Wir sehen momentan aber grosses Potenzial bei Fonds, welche auf erneuerbare Energie setzen. Auch die Pharmaindustrie ist momentan nicht allzu schlecht aufgestellt. Technologieaktien sind ebenfalls wieder attraktiver geworden, da die weitere Zinsentwicklung absehbar ist.

Sie erwähnen die Pharmabranche. Sie selbst arbeiten in Basel, sind also am selben Ort wie Novartis und Roche ansässig. Wie schätzen Sie die Lage dieser Pharmagiganten ein?

Ich sehe nach wie vor intakte Zukunftsaussichten für die beiden Unternehmen. Es ist ein strategisch gutes Geschäftsfeld mit Wachstumsmöglichkeiten und neuen Technologien. Aber für den Pharmabereich gibt es natürlich nicht nur Basel. Für viele Investoren umfasst die gesamte Pharmabranche nur Novartis und Roche, was eine gar enge Betrachtungsweise darstellt. Aber Novartis ist als eines der wenigen Pharmaunternehmen seit Jahresanfang sogar im Plus. Das zeigt, dass die Resilienz gegenüber konjunkturellen Entwicklungen auch in der Pharmabranche gegeben ist. Pharma gehört deshalb auch zu unseren Megatrends, welche wir für die Fondsselektion nutzen.

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Welche anderen Anlageklassen empfehlen Sie?

Vor allem bei den Obligationen mussten wir in diesem Jahr Schadensbegrenzung betreiben. Gerade in den Schwellenländern haben sich diese nicht wie gewollt entwickelt, weshalb wir auch gezwungen waren, die Laufzeiten zu reduzieren. Darum mussten wir auch Obligationen unter- und Cash übergewichten. Aber mit den neuen Zinsniveaus von 4 Prozent in den USA könnte man im nächsten Jahr durchaus in Betracht ziehen, wieder in Anleihen zu investieren. Auch für die 10-jährigen Schweizer Bundesanleihen haben wir gerade wieder 1 Prozent als Rendite erreicht. Das zeigt, dass man wieder normal in Zinsanlagen investieren kann. Das war mit den Negativzinsen lange schwierig, da man in dieser Situation meist ein 'zinsloses Risiko' trug, anstatt eines 'risikolosen Zinses'. Das ändert sich nun aber. Im Bereich alternative Anlagen bleiben auch Schweizer Immobilienanlagen interessant für uns, auch wenn es bei den indirekten Anlagen doch auch zu Schwankungen gekommen ist. Die Preisentwicklung im Immobilienmarkt scheint aber kein Ende nehmen zu wollen. Die Nachfrage dürfte auch bei leicht höheren Zinsen in der Schweiz erhalten bleiben.

Welche Erwartungen haben Sie bezüglich des Goldpreises?

In diesem Jahr ist der Goldpreis etwa sieben Prozent im Minus, trotz der hohen Inflation, was nicht so toll ist. Aber das ist auch auf die Zinsanhebungen zurückzuführen, die für Gold nicht ideal sind. Aber ich denke, dass die Inflation noch eine Weile andauern wird. Deshalb sehe ich Gold, vor allem im Zusammenhang mit Staatsverschuldungen, als strategisch wichtige Diversifikation. Es kann deshalb durchaus Sinn machen, etwa 5 bis 10 Prozent in Gold zu investieren. Der Rohstoff kann im Krisenfall ein Stabilisator für das eigene Portfolio darstellen. Vor allem langfristig gesehen. Es ist aber nicht so einfach vorhersehbar, wann die nächste Stufe für den Goldpreis eintreten wird. Ich denke schon, dass es nochmals zu einer Erhöhung kommen wird, aber das kann noch bis zu fünf Jahre dauern.

Dieser Artikel erschien zuerst im Angebot von «cash.ch» unter dem Titel: «Das Prinzip Hoffnung ist immer schlecht beim Investieren»