Der Fingerring, der in der Werkstatt den letzten Schliff erhält, ist so gross wie ein Ei und so schwer wie eine Rolex. Er besteht aus Eisen, obendrauf thront ein Mondstein. Obschon aus Metall und Stein, fühlt sich der Ring nicht hart und kalt an, sondern weich und warm.

Majo Fruithof – schon der Name klingt wie ein Edelstein – nennt ihre Schmuckstücke «Handschmeichler». Scharfe Ecken, Kanten, Dornen und Spitzen gehören nicht zu ihrem Repertoire. «Mein Schmuck soll sinnlich sein», sagt Fruithof, «keinesfalls will ich Aggressionen wecken.» Ihre Stücke wirken nie klobig oder protzig, und seien sie noch so gross und teuer.

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Die auffälligsten und fantasievollsten Juwelen legt Fruithof jeweils als Blickfang ins Schaufenster. Wer vom Zürcher Paradeplatz Richtung «Storchen» geht, auf nobelstem Zürcher Pflaster, den ziehen die funkelnden Auslagen wie Magnete an. In der aktuellen Kollektion fällt die Eisenkette mit dem rechteckigen Aquamarin auf. Oder der Ring mit einem quadratischen Smaragd, umgeben von Amethysten, Perlen, Brillanten und Tsavoriten. Oder die Brosche mit Chrysoberyll, Demantoiden und braunen Brillanten. Die Preise sind nicht angeschrieben, aber man ahnt es: Die Skala ist nach oben offen.

Seit Diebe zweimal tagsüber ins Geschäft eingedrungen sind, öffnet ein Wachmann die Tür. Für Laufkundschaft ist die Hemmschwelle hoch, die meisten Kunden, darunter viele aus dem Ausland, melden sich vorher an, um von der Inhaberin persönlich bedient zu werden. Der Laden ist schlicht in Schwarz und Weiss gehalten. Farben, die auch in Majo Fruithofs Garderobe dominieren.

Die Goldschmiedin verarbeitet mit Leidenschaft Materialien zu Kreationen, über die herkömmliche Juweliere staunen. Sie kombiniert Edelmetall mit Eisen und Horn mit Koralle. Die Entwürfe entstehen im Gespräch mit der Kundschaft oder nach ihren eigenen Vorstellungen. Häufig lässt sich Fruithof von ausgefallenen Edelsteinen inspirieren, die sie von Händlern bezieht. Sie profitiert vom zunehmenden Selbstvertrauen der Frauen, auch im Alltag teure Juwelen zu tragen. Vorbei die Zeiten, in denen die Frauen für den Opernbesuch Perlenkette und Smaragdring aus dem Tresor holten.

«Ein Schmuckstück ist ein Statement», sagt Fruithof. Heute tragen Frauen echte Steine gleichsam als Accessoires. «Schmuck ist kein Statussymbol mehr», ist sie überzeugt, «er ist zu einem Teil der Garderobe geworden, den man je nach Lust und Laune wechselt.»

Dieses Jahr gibt es für Majo Fruithof, die Verlobte von Roche-Chef Franz Humer, mehrere Gründe zu feiern: ihren vierzigsten Geburtstag, das 20-Jahr-Jubiläum als Unternehmerin und das fünfjährige Bestehen ihres Ladens an der heutigen Adresse.

Die Tochter holländischer Eltern ist in Winterthur aufgewachsen und liebte Glitzer und Glimmer schon als Mädchen über alles. Als sie mit zehn Jahren erstmals einem Goldschmied bei der Arbeit über die Schultern schaute, war ihre Faszination für den Beruf geweckt. «Von da an war klar: Ich wollte Goldschmiedin werden.» In der Lehre in Winterthur erlernte sie das Handwerk von der Pike auf: sägen, feilen, löten. Erst später begann sie, eigenen Schmuck zu entwerfen. «Viele Lehrlinge haben heute eine völlig falsche Vorstellung von dem Beruf», sagt Fruithof. «Sie reden von Kreativität und Design, bevor sie überhaupt wissen, wie man eine Fläche feilt.»

Nach abgeschlossener Lehre und einer längeren Asienreise bekam sie die Chance, in Winterthur ein kleines Schmuckgeschäft mit Werkstatt zu übernehmen. Sie wurde rasch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt, und sogar Zürcherinnen nahmen den Weg nach Winterthur in Kauf, um sich etwas Spezielles zu gönnen. Bald lief das Geschäft so gut, dass die junge Geschäftsfrau einen Goldschmied und einen Lehrling einstellen konnte.

Anfang der Neunzigerjahre zog sie aus privaten Gründen nach Deutschland. Auch diesmal eröffnete sie ihr Geschäft nicht in einer Modemetropole, sondern in einem kleinen Dorf in der Nähe von Pforzheim. Da der Ort für einen Laden zu weit abgelegen war, beschränkte sie sich auf eine Werkstatt. Nun reiste die in der Schweiz aufgebaute Stammkundschaft anstatt nach Winterthur in den Schwarzwald. Neben der Privatkundschaft baute sich Fruithof ein zweites Geschäftsfeld auf: den Verkauf ihrer Kollektionen an Juweliere.

Zurück in der Schweiz, eröffnete sie an der Schipfe in Zürich eine kleine Werkstatt, von der aus sie ihre Kunden – auch in Deutschland – weiter belieferte. 1998 gründete sie zusammen mit einem ausländischen Partner einen Laden an der heutigen Adresse, seit 1999 gehört er ihr allein. Ein entscheidender Ausbau erfolgte ein Jahr später: Wenige Schritte vom Laden entfernt eröffnete sie in grosszügigen, lichtdurchfluteten Räumen eine neue Werkstatt.

In dem Gebäude, in dem sich normalerweise Vermögensverwalter einmieten, fertigen acht Angestellte Schmuck nach den Entwürfen ihrer Chefin. «Die Kunden sehen häufig nur den eleganten Laden, dabei ist die Werkstatt das Herzstück des Geschäfts», sagt Fruithof. «Erst wenn der Schmuck handwerklich sauber produziert ist, kann man ihn im Schaufenster auslegen.» Fruithof selbst sitzt seit Jahren nicht mehr an der Werkbank, sie ist mit Design, Einkauf und Kundenpflege ausgelastet. Zusammen mit den vier Verkäuferinnen beschäftigt ihr Unternehmen insgesamt zwölf Personen.

Nun, da wichtige Wegmarken zurückgelegt sind, könnten Expansionsgelüste aufkommen. Fruithof winkt ab: «Wir sind ein kleines Spezialitätengeschäft. Nur im familiären Team können wir kreativ sein.» Die Eröffnung von Filialen würde nicht nur das gut eingespielte Team auseinander reissen, sondern auch die Kundenpflege würde darunter leiden.

Die Rezession hat Fruithof nach eigenem Bekunden auch darum unbeschadet überstanden, weil sie sich mit Bedacht auf ihre Nische konzentriert, extravagante Unikate für eine anspruchsvolle Klientel zu fertigen. Fruithofs Kundschaft gibt eben auch in Krisenzeiten 58 500 Franken aus für eine Brosche, die mit dem massiven rosa Turmalin, den pink Safiren und den Brillanten aussieht wie eine Blüte aus «Tausendundeiner Nacht».