Die Leerverkäufer sind die Raubtiere an den Börsen. Mit ihren Wetten auf fallende Kurse setzen die sogenannten «Shortseller» angeschlagenen Unternehmen zu. Aktien leihen und möglichst billig wieder zurückkaufen, so lautet die Strategie. Viele weitgehend intransparente Hedge Funds, vielfach auf fallende und steigende Kurse setzend, vermehren auf diese Weise ihr Geld. Dabei wird nicht nur auf einen Totalausfall der Forderungen gewettet. Meist setzen die Fonds auf vorübergehende Enttäuschungen, von denen sie als Leerverkäufer profitieren. In schwierigeren Zeiten nehmen zudem die Absicherungen von defensiven Vermögensverwaltern zu.
Auch Schweizer Firmen geraten ins Visier der Shortseller. Wie eine für BILANZ erstellte Erhebung des Finanzinformations-Dienstleisters Markit zeigt, wird Lafarge-Holcim unter den SMI-Werten besonders stark leer verkauft. Aktien im Wert von 6,6 Prozent der Marktkapitalisierung sind verliehen. Seit Jahresbeginn läuft es für die Shorties gut. Die Aktie verlor seit Januar ein Fünftel ihres Wertes und ist mit diesem Leistungsausweis der fünftschlechteste Titel im SMI.
Wetten auf weiteren Verfall
Die Leerverkäufer wetten wohl auf einen weiteren Verfall bei den Zahlen zum dritten Quartal. Wie geschehen beim deutschen Rivalen HeidelbergCement. Dort frassen die hohen Energiekosten einen Teil der Gewinne weg. Doch HeidelbergCement hat keinen Jan Jenisch. Der ist nun bei Lafarge-Holcim mehr als ein Jahr im Amt und hat den Laden mit wenig Skrupeln optimiert. Es wird sich zeigen, ob er die Leerverkäufer eines Besseren belehren kann.
Die Swatch Group ist bei Leerverkäufern seit Jahren beliebt. Knapp fünf Prozent der Papiere sind zu diesem Zweck verliehen. Der Trend geht wieder nach oben. Anfang Juli waren es noch 3,3 Prozent. Hier geht es weniger um die nächsten Zahlen denn um eine Disruption. Viele Shortseller sind der Meinung, dass es klassische Uhren in Zukunft wohl nicht mehr braucht. Den Startpunkt der Wetten markiert die Einführung der Apple Watch im Jahr 2016.
Auch bei Swatch läuft es für die Shorties gut. Seit Juni verbilligte sich das Papier von 500 auf 326 Franken. Swatch-Group-Chef Nick Hayek kämpft in der Schweiz am sichtbarsten gegen die Leerverkäufer. Er kritisiert, dass Schweizer Pensionskassen ihre Aktien gegen geringe Gebühren von 0,4 Prozent an die Shorties verleihen und die Geschäfte so ermöglichen.
Die Pensionskassen sind nicht die einzigen institutionellen Anleger, welche die Wertpapiere ihrer Geldgeber verleihen. So sind viele passive Anleger wie die BlackRock-Tochter iShares im Securities Lending aktiv. Der Kampf auf den ETF-Märkten um möglichst tiefe Gebühren wird so finanziert. Hayek hat die Anonymität öffentlich kritisiert. Anders als in den USA wird der Wertpapierverleih in der Schweiz nicht offengelegt.
Stärkerer Einfluss im SPI
Deutlich grösser als im SMI ist der Einfluss der Shortseller im SPI. Bei Firmen wie AMS, Meyer Burger oder U-blox machen die Leerverkäufe mehr als 20 Prozent der Marktkapitalisierung aus. Auch der in Schieflage geratene, hoch verschuldete Backwarenhersteller Aryzta ist bei den Leerverkäufern beliebt.
Bei AMS ist die Präsenz der Leerverkäufer an manchen Handelstagen besonders deutlich spürbar. Obwohl der Sensorhersteller die Umsätze im dritten Quartal kräftig steigerte, korrigierten die Papiere an einem Tag um 27 Prozent.
Meyer Burger geht unter der Last der Leerverkäufe in die Knie. Seit Jahresbeginn hat der Anteilschein drei Viertel seines Werts verloren. Änderungen in der Subventionspolitik in China setzen dem Solarmaschinenbauer unter der Führung von Hans Brändle zu. Im ersten Halbjahr vermeldeten die Thuner einen Rückgang der Bestellungen von 55 Prozent. Ein gefundenes Fressen für die Raubtiere.