Hebelprodukte sind für Zocker: So lautet das gängige Klischee von früher. Tatsächlich sind die herkömmlichen Call- und Put-Optionen primär ein Tummelplatz der Profis. Doch mit dem Aufkommen der neuen Mini-Futures in den letzten zwei, drei Jahren hat sich einiges geändert. Nun können auch weniger versierte Privatanleger erfolgreich mit einem Hebel investieren.
Mini-Futures richten sich nicht nur an Risikofreudige. Sie eignen sich ebenso zur Absicherung gegen Kursverluste. Oder man kann mit ihnen eine sogenannte Cash-Extraction-Strategie verfolgen. Das heisst, der Anleger realisiert die erzielten Kursgewinne auf den Aktien und investiert das Geld in eine sichere Anlage, gleichzeitig fliesst ein Teil des Profits in Hebelprodukte. So profitiert man weiterhin von einem Aktienboom und ist dennoch gegen einen Crash geschützt.
Spekulieren lässt sich mit Mini-Futures natürlich auch, bei steigenden oder fallenden Kursen. Wer diszipliniert vorgeht, kann dabei schöne Profite erzielen.
Was also unterscheidet die komplexeren Call- und Put-Optionen von den Mini-Futures? Bei den Mini-Futures kann auch der Laie die Performance leicht nachvollziehen. Liegt der Hebel beispielsweise bei zehn, so steigt der Wert um 50 Prozent, wenn der Basiswert, meist eine Aktie, um fünf Prozent zulegt. Bei den Calls und Puts dagegen hängt die Wertentwicklung zusätzlich von der Laufzeit des Produkts und der Volatilität des Basiswerts ab. Durch die zusätzliche Komplexität steigt für den Anleger die Gefahr, dass er ein Produkt kauft, das schlecht auf seine Bedürfnisse zugeschnitten ist.
Bevor man sich ins Abenteuer mit Hebelprodukten stürzt, sollte man indes einige Grundregeln kennen: Zunächst braucht es eine klare Vorstellung darüber, wie sich eine bestimmte Aktie oder ein Index entwickeln wird. In Erwartung steigender Kurse kauft man einen Mini-Future Long (bzw. eine Call-Option), bei sinkenden Kursen einen Mini-Future Short (bzw. eine Put-Option). Der Zeithorizont bewegt sich in der Regel zwischen einem Monat und einem Jahr.
Weiter muss sich der Anleger entscheiden, wie aggressiv der gewählte Hebel sein soll. Ein Hebel unter vier zum Zeitpunkt der Lancierung ist eher zu tief und zudem steuerlich von Nachteil. Ein Wert zwischen vier und acht gilt als moderat, während der Bereich von acht bis zwölf sportlich ausgelegt ist. Wichtig beim Anlegen in Hebelprodukte sind Stop-Loss-Marken. Der Investor muss sich vor dem Kauf überlegen, welchen maximalen Verlust er tolerieren will. Bei Überschreiten dieser Grenze wird der Mini-Future umgehend verkauft. Der Grund: Wenn der Trend an der Börse gegen einen läuft, ist es besser, frühzeitig auszusteigen.
Allerdings verlangt das Setzen der Verkaufsschwelle einiges an Fingerspitzen-gefühl. Liegt die Marke zu knapp unter dem Kaufkurs, wird man bereits bei einer normalen Kursschwankung wieder ausgestoppt. Im Zweifelsfall jedoch ist es besser, man verkauft zu früh, selbst wenn der Kurs später wieder steigt, und schützt sich dafür vor allzu grossen Verlusten.
Zum nötigen Rüstzeug gehört überdies, dass man die Funktionsweise der Mini-Futures versteht. Am Beispiel des Swiss Market Index (SMI) sei sie hier erläutert: Angenommen, der Index steht bei exakt 9000 Punkten. Ein Mini-Future Long besitzt einen Hebel von neun, wenn der Anleger 1000 Franken, ein Neuntel, selbst bezahlt, während die Bank die restlichen 8000 Franken beisteuert. Entsprechend liegt der sogenannte Finanzierungslevel des Produkts bei 8000.
Steigt der SMI nun um zwei Prozent auf 9180 Punkte, so kann der Käufer einen neunmal höheren Gewinn von 18 Prozent verbuchen. Sein Eigenkapital ist von 1000 auf 1180 Franken gestiegen. Durch diesen Kursanstieg ist der Hebel des Produkts gesunken. Der neue Wert ergibt sich, indem man 9180 durch 1180 dividiert. Er liegt folglich bei 7,8. Das Beispiel zeigt: Der Hebel verändert sich laufend.
Der Leverage spielt auch in die andere Richtung: Sinkt der SMI unter den Finanzierungslevel von 8000 Punkten, ist das Eigenkapital weg. Bei einem klassischen Future müsste der Investor zusätzliches Kapital nachschiessen. Der Mini-Future dagegen kommt ohne Margin Call aus.
Grundsätzlich hat der Mini-Future somit eine unbegrenzte Laufzeit, solange beim Basiswert kein grösserer Kursverlust erfolgt. Allerdings muss die Bank für das Fremdkapital, das sie zur Verfügung stellt, einen Zins verrechnen. Sie tut dies, indem sie den Finanzierungslevel schrittweise hinaufsetzt. Im konkreten Beispiel würde dieser Level nach einem Jahr von 8000 auf etwa 8200 Punkte steigen. Entsprechend reduziert sich der maximal tolerierbare Kursverlust beim SMI.
In der Praxis wäre es zu aufwendig, wenn der Emittent den aktuellen Finanzierungslevel jeden Tag neu ausweisen müsste. Er behilft sich daher zusätzlich mit einer Stop-Loss-Marke, auch Knock-out-Barriere genannt. Diese liegt üblicherweise zwei, drei Prozent oberhalb des Finanzierungslevels und wird meist nur einmal pro Monat angepasst. Im Beispiel könnte diese Barriere bei 8160 Punkten liegen. Sinkt der SMI unter diese Schwelle, so wird der Mini-Future aufgelöst, und der Anleger erhält die verbleibende Differenz zum Finanzierungslevel wieder zurück. Dieser Restbetrag wird als Knock-out-Puffer bezeichnet. Wo die Stop-Loss-Marke aktuell steht, lässt sich auf der Internetseite des Anbieters oder auf www.warrants.ch nachschauen.
Ein Mini-Future Short funktioniert analog in die Gegenrichtung. Entsprechend liegt beim zitierten Beispiel für den SMI mit einem Hebel von neun der Finanzierungslevel bei 10 000 Punkten. Für jeden Prozentpunkt, um den der SMI sinkt, gewinnt der Anleger neun Prozent.
Im Beispiel wurde für den Mini-Future ein Preis von 1000 Franken angenommen. Um die Handelbarkeit des Produkts zu erleichtern, nehmen die Emittenten jeweils eine Stückelung vor, möglich wäre in 100 Stück à 10 Franken. Diese Proportion, in der sich ein Hebelprodukt auf den Basiswert bezieht, wird Ratio oder Bezugsverhältnis genannt.
Die Tabelle oben enthält einige interessante Mini-Futures. Die beiden Long-Produkte auf den SMI sind so gewählt, dass ihre Hebel mit 4,8 beziehungsweise 8,1 deutlich auseinanderliegen. Die Grafik «Katapult nach oben» auf Seite 118 illustriert den Effekt: Schon der Mini-Future mit dem tieferen Hebel von 4,8 reagiert ausgesprochen stark auf Veränderungen beim SMI. Nimmt man gar einen Hebel von 8,1, fallen die Sprünge noch extremer aus.
Als weitere Beispiele aufgelistet sind ein Mini-Future Short auf den SMI und ein Long-Hebelprodukt auf Swiss Life – für Anleger, die den Versicherer als potenziellen Übernahmekandidaten einstufen. Wer eine Hausse bei den Edelmetallen erwartet, sollte die Mini-Futures Long auf Gold und Silber genauer analysieren.
Internet:
Literatur:
Swiss Derivative Guide, Verlagsgruppe Handelszeitung, 2006/07, Fr. 39.–