In der Weltwirtschaft braut sich die schlimmste Krise seit dem Zweiten Weltkrieg zusammen. Während Investoren aus Furcht vor den wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie massenhaft Geld in sichere Anlagehäfen verlagern, sorgt ausgerechnet ein Lieferengpass bei der Krisenwährung Gold für Schlagzeilen.
Edelmetallhändler berichten von Schwierigkeiten beim Nachschub von Goldmünzen und von Goldbarren, weil auch der Handel mit dem Edelmetall unter den Folgen der Corona-Pandemie leidet. Dabei dürfte die aktuelle Geldflut führender Notenbanken im Kampf gegen die Krise den Goldpreis nach Einschätzung von Experten weiter in Richtung Rekordhoch treiben.
«Die grossen Goldverarbeiter sind seit etwa anderthalb Wochen ausgefallen», beschrieb Edelmetallhändler Alexander Zumpfe vom Handelshaus Heraeus die Lage. Viele Firmen, die führend in der Verarbeitung des Edelmetalls sind, haben ihren Sitz im Schweizer Kanton Tessin. Der Kanton liegt an der Grenze zu Italien und ähnlich wie im Nachbarland mussten auch im Tessin alle Unternehmen, die nicht systemrelevant sind, ihre Produktion einstellen. Gleichwertige Alternativen sind nicht in Sicht: «Kleinere Barrenmanufakturen in anderen Ländern sind nicht in der Lage, diesen Angebotsausfall zu kompensieren», sagte Zumpfe.
Hohe Spanne zwischen Ankaufspreis und Verkaufspreis
Ausserdem gibt es Lieferprobleme in Südafrika, wo der Kampf gegen die Corona-Pandemie die Goldproduktion der Minen bremst. Die Folge: Bestimmte Goldbarren und Goldmünzen sind für deutsche Käufer nur mit Einschränkungen zu bekommen. Dabei ist die Nachfrage in den vergangenen Wochen stark gestiegen. Degussa Goldhandel spricht bei Barren und Münzen seit Anfang März von einem Zuwachs um mehr als 500 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die angespannte Lage zeigt sich auch an einer aktuell vergleichsweise hohen Spanne zwischen dem Ankaufspreis, den Goldhändler bezahlen, und dem Verkaufspreis für die Kunden.
Wer nicht auf Gold als sicheren Anlagehafen verzichten will, kann aber weiterhin problemlos Wertpapiere kaufen, die mit Gold hinterlegt sind. Allerdings hielten sich die Kursgewinne trotz der eskalierenden Krise zuletzt in Grenzen. Während der heftigen Börsenturbulenzen im März ist der Preis für das Edelmetall zeitweise sogar regelrecht eingebrochen. Marktbeobachter verwiesen auf Zwangsverkäufe. Zahlreiche Investoren brauchten während der Turbulenzen schnell Geld, um Verluste an anderen Stellen ausgleichen zu können. Trotz der zeitweise starken Verluste konnte der Goldpreis im ersten Quartal, also in den Monaten Januar bis März, aber immer noch unterm Strich etwa fünf Prozent zulegen und lag zuletzt bei knapp 1600 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm).
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Stärkster Preistreiber bleibt die extrem lockere Geldpolitik führender Notenbanken, deren Geldschleusen sich wegen der Corona-Krise noch weiter geöffnet haben. Im Kampf gegen den Konjunktureinbruch als Folge der Corona-Krise wird weltweit in einem beispiellosen Ausmass neues Geld in die Wirtschaft gepumpt. Bei vielen Anlegern schürt das Sorgen vor einem möglichen Kursverfall von Währungen wie dem Euro, was die Nachfrage nach Gold weiter in die Höhe treibt.
Zentralbanken wenden sich vom Gold ab
Allerdings scheint ein wichtiger Preistreiber am Goldmarkt derzeit auszufallen: Zu Beginn des Jahres waren massive Goldkäufe durch Zentralbanken von Schwellenländern eine verlässliche Stütze des Goldpreises. Mittlerweile hat sich die Lage spürbar geändert. Die russische Zentralbank hatte in dieser Woche mitgeteilt, ab April kein Gold mehr kaufen zu wollen. Eine Begründung wurde nicht genannt. Experten sehen mögliche Ursachen in dem extremen Verfall der Ölpreise und in der Talfahrt des russischen Rubel.
Rohstoffexperte Carsten Fritsch von der Commerzbank weist ausserdem darauf hin, dass die chinesische Notenbank schon seit Monaten kein Gold mehr kauft. Zwar seien die Zentralbanken von Indien und der Türkei nach wie vor als Käufer auf dem Goldmarkt aktiv, um die Abhängigkeiten ihrer Reserven ein Stück weit unabhängiger vom US-Dollar zu machen. Die beiden Zentralbanken dürften aber kaum in der Lage sein, den Wegfall Russlands und Chinas auszugleichen, sagte Fritsch.
Experten erwarten Preisrally
In der jüngsten Studie von Goldman Sachs zum Goldpreis erkannten Experten der Investmentbank eine Preisrally beim Gold, angetrieben durch die Geldflut der Notenbanken. Sie sprachen von einer «Wiederbelebung» des sicheren Anlagehafens. «Wir schliessen bis zum Jahresende einen Anstieg bis auf 1700 US-Dollar je Unze nicht aus», sagte Heraeus-Händler Zumpfe.
Bei Degussa Goldhandel wird der Goldpreis in diesem Jahr sogar bis zu einer Obergrenze von 1930 Dollar erwartet. «Dass diese Obergrenze erreicht oder gar übertroffen wird, ist im Zuge der Coronavirus-Pandemie sehr wahrscheinlich geworden», sagte der Chefvolkswirt von Degussa Goldhandel, Thorsten Polleit. Das wäre dann ein neues Rekordhoch beim Preis für das Edelmetall.
(awp/gku)