Die Schweizerische Nationalbank hat tausend Aktien der Royal Caribbean Cruises erworben: Jetzt ist sie zu 75 Millionen Dollar an der Kreuzfahrtgesellschaft beteiligt. Dazu passend kaufte sie Pakete der Eldorado Resorts, von B2Gold, Motorola oder des Online-Möbelhändlers Wayfair.
Woher wir das wissen? Weil Publikationen wie «Week Herald» oder «The Ledger Gazette» jeden dieser Deals eine Meldung wert finden. Mit unerschütterlicher Akribie werten solche Börsenbriefe derzeit aus, was die SNB im letzten Quartal 2017 an Aktien gekauft und verkauft hat. Basis dafür sind die sogenannten 13F-Files der Börsenaufsicht SEC, die mit einer gewissen Verzögerung auflisten, welche Grossanleger am Jahresende welche US-Positionen hatten.
Bei der SNB können «Stock News Times» und Co. vor allem Aufstockungen vermelden, fast nie Verkäufe. Kein Wunder auch: 2017 steigerte die Nationalbank ihre Devisenanlagen um knapp 100 auf 790 Milliarden Franken, wovon 21 Prozent in Aktien gesetzt wurden. Damit fuhr sie fast 25 Milliarden Franken an Kurs- und Dividendenerfolgen ein und gesamthaft erreichte die Rendite der Devisenanlagen 7,2 Prozent beziehungsweise 4,2 Prozent in lokalen Währungen.
Bank of the Ozarks
Das Interesse für ihre Käufe und Verkäufe zeigt, wie gross das Ansehen der SNB als Investorin ist – grösser, als sie es selber haben will. Gegen aussen geben sich die Notenbanker vom Zürcher Bürkliplatz nämlich als unauffällige, ja langweilige Geldparkierer. Sie wollen nicht den Markt schlagen, keine eigenen Akzente setzen, schon gar nicht beeinflussen und in einzelnen Firmen strategisch mitreden wollen sie auch nicht. Die Nationalbank, so meldet das Direktorium, «betreibt weder eine positive noch eine negative Aktienselektion, sondern bildet den internationalen Aktienmarkt in seiner Gesamtheit ab».
Allerdings: Ganz so unbedarft agiert sie dann doch nicht. Auch das sieht, wer die jüngsten 13F-Filings aus New York durchforstet. Aktien von Grossbanken fehlen völlig – wegen der offensichtlichen Interessenkonflikte. Dies wird dann mit Rosinchen wie der Bank of the Ozarks oder der Blue Hills Bank etwas kompensiert, auch mit einer 2,7-Millionen-Beteiligung an Moelis & Company, der Investmentboutique des Ex-UBS-Bankers Ken Moelis. Als vermisst zu melden ist zudem Berkshire Hathaway, obschon Warren Buffetts Gemischtwarenladen ein Index-Schwergewicht ist. Es fehlt ferner Blackrock. Die SNB will dies nicht weiter erklären, sichtbar aber wird, dass sie Anlage-Konglomerate meidet. Anderseits hat sie ein Digital-Faible, also ein vergleichsweise hohes Exposure bei den Silicon-Valley-Giganten: Mit 3,2 Milliarden Dollar ist Apple der wichtigste Einzeltitel, direkt gefolgt von Google-Mutter Alphabet, Microsoft, Amazon und Facebook. Womit jeder Bewohner der Schweiz gut 1400 Franken in diesen Westküstenfirmen stecken hat.
SNB gehört zu den grössten Apple-Investoren
Aber auch bei Apple, wo die SNB zu den 15 grössten Investoren gehört, beträgt der Anteil weniger als ein halbes Prozent. Indem sie unter einer gewissen Flughöhe bleibt, will sich die Nationalbank «vor politischen Überlegungen» abschirmen, heisst es.
No politics please, we’re Swiss: Politik soll definitiv kein Argument sein, wenn es um die Auswahl der Investments geht. Ausgeschlossen werden höchstens Firmen, die «grundlegende Menschenrechte massiv verletzen oder systematisch gravierende Umweltschäden verursachen». Grundlegend, massiv, systematisch, gravierend: Schon diese Adjektive bezeugen eine erhebliche Biegsamkeit. Mit dem Geschäftsbericht 2013 verkündete die SNB zudem, dass sie nun Verzicht üben will bei Unternehmen, «die international geächtete Waffen produzieren». Heute, vier Jahre später, lässt sich auch da resümieren: Die SNB sieht das nicht so streng. Letztes Jahr vergrösserte sie ihre Beteiligungen an Boeing (das neben dem Dreamliner auch für F/A-18-Jets bekannt ist), Raytheon, Northrop Grumman oder am Drohnenfabrikanten Kratos. Boeing ist in diesem Feld der grösste Brocken, hier steigerte die SNB ihr Engagement von 1,7 auf 2,1 Millionen Aktien – Gesamtwert 611 Millionen Dollar.
100 000 Unterschriften
Bei all diesen Titeln stieg das SNB-Engagement nicht bloss mit der boomenden Börse, sondern auch stückmässig. Ähnliches gilt für Alltagswaffen-Fabrikanten wie Sturm, Ruger & Co., Vista Outdoor oder American Outdoor Brands (Smith & Wesson). Also für Aktien, die nach dem «Florida Shooting» jüngst unter Verkaufsdruck kamen. Die SNB-Beteiligungen sind hier allerdings klein, sie liegen bei 1 bis 2,5 Millionen Franken. Die Gefahr, dass die Swiss National Bank in Amerikas Waffen- und Waffen-Boykott-Debatten als Mitfinancier angeprangert wird, scheint überschaubar.
In der Schweiz sieht man es anders: Heute ist absehbar, dass die Kriegsgeschäfte-Initiative der Gsoa zustande kommt, 100 000 Unterschriften sind gesammelt. Das Begehren wendet sich explizit gegen Kriegsmaterial-Investments der Nationalbank. Das Volk wird also in etwa zwei Jahren darüber befinden, wie die SNB zu Raytheon stehen soll. Bei einem Ja würde das Prinzip der maximalen Markt- und Politikneutralität von einem Tag auf den anderen umgestürzt.