Als Nadine und Daniel Keller Eltern wurden, haben sie ein Kinderzimmer eingerichtet und viel zu viele Strampler gekauft. Sie haben einen Kinderwagen ausgewählt und 900 Franken hingeblättert. Doch deutlich stärker geschmälert hat ihr Budget eine andere Entscheidung: Sobald ihre Tochter Sophie auf der Welt war, halbierten Nadine und Daniel Keller beide ihr Arbeitspensum und entsprechend ihr Einkommen.

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Den Kellers (die ihren richtigen Namen nicht veröffentlichen möchten) erging es damit wie fast allen Familien in der Schweiz: Nach der Geburt des ersten Kindes steigen die Ausgaben, gleichzeitig steht spürbar weniger Geld zur Verfügung. Es gilt nicht nur, die intensiven ersten Monate zu überbrücken. In der Zeit um die Geburt des ersten Kindes treffen viele Paare Entscheidungen, die finanziell für Jahre nachwirken.

Bei zwei Kindern steigen die Ausgaben auf rund 570'000 Franken

Zunächst die offensichtlichen Kosten: Eine Erstausstattung für das Baby fällt an, Windeln und Kinderkleidung werden regelmässig fällig, das Neugeborene muss krankenversichert werden. Die Ausgaben für Energie steigen oft, weil mehr Wäsche anfällt und die Familie häufiger zu Hause isst. Profitieren können Eltern von der Familienzulage und geringeren Steuern.

Sie zahlen bis zum 18. Geburtstag ihres Kindes allein für Nahrung, Wohnung, Kleidung, Gesundheit und Freizeit gut 327'000 Franken – hochgerechnet auf Grundlage der Unterhaltstabelle des Jugendamtes Zürich vom Januar 2020. Bei zwei Kindern steigt diese Summe auf rund 570'000 Franken, dabei sind bestimmte Kosten wie die Kita-Betreuung mit Gebühren von 100 Franken und mehr pro Tag oder Familienferien sogar ausgeklammert. Es wird also eine üppige Summe fällig für die Grundversorgung. Trotzdem ist diese noch nicht der grösste Posten auf der Rechnung.

Die indirekten Kosten fallen schwerer ins Gewicht: der Verzicht auf Einkommen und Karrierechancen, um die Kinder zu betreuen. «Ich wusste, ich möchte für mein Kind da sein und es aufwachsen sehen», sagt Daniel Keller. Er und seine Frau Nadine wollten die Tochter frühestens nach einem Jahr in die Kita geben und gleichzeitig beide weiterarbeiten.

Gemeinsames Einkommen von 110'000 Franken

Das hiess: Teilzeit für beide. Nadine konnte bei ihrem Arbeitgeber auf 60 Prozent reduzieren, der dreissigjährige Daniel musste kündigen und drei Monate nach einem neuen Job suchen. Es klappte. «Ich habe tatsächlich eine 50-Prozent-Stelle in meiner Branche gefunden», sagt er. «Es war allerdings für viele überraschend, dass ich mich als Mann auf eine solche Stelle beworben habe, mit dem Hintergrund, dass ich mich um meine Tochter kümmern wollte.»

Da beide gut und annähernd gleich viel verdienen, geht der Plan finanziell auf: Im reduzierten Pensum kommen Kellers auf ein gemeinsames Jahreseinkommen von 110'000 Franken. Genug für den Lebensunterhalt. «Anders als in den Jahren zuvor hat sich mein Kontostand dennoch zusehends dezimiert, auf zuletzt um die 7000 Franken», sagt Daniel Keller.
 

Finanzen für junge Familien – die Serie

Geld ist nicht wichtig, solange man welches hat. Die allermeisten Familien müssen mit ihrem Budget haushalten. Worauf es sich bei den Familienfinanzen zu achten lohnt, erläutern wir in dieser Serie.

► Teil 1: So viel kostet ein Kind

► Teil 2: Als Paar sein Geld verwalten

► Teil 3: Als Familie sparen und vorsorgen

► Teil 4: Geldanlage fürs Kind: Wie Eltern es richtig machen

Die ferne Zukunft haben beide ein Stück weit ausgeblendet. «An die Rentenvorsorge haben wir ehrlicherweise nicht gedacht, aber es sind ja nur wenige Jahre für uns beide in Teilzeit. Das bringt hoffentlich nicht so grosse Einbussen.» Sophie ist jetzt zwei Jahre alt und geht an drei Tagen in der Woche in die Kita. Seit Januar haben Daniel und Nadine Keller ihr Pensum aufgestockt, mit dem Ziel, spätestens zur Einschulung ihrer Tochter wieder Vollzeit zu arbeiten.

Die Kellers widersprechen damit der Schweizer Statistik: Tatsächlich arbeiten nur bei 7 Prozent aller Paare beide Eltern Teilzeit. Die grosse Mehrheit der Schweizer Väter ist vollzeitbeschäftigt, umgekehrt die wenigsten Mütter. Und dies nicht nur in den Jahren nach der Geburt. 13 Prozent der Schweizer Mütter von Teenagern gehen heute keiner Erwerbsarbeit nach. Mehr als ein weiterer Viertel ist maximal 50 Prozent angestellt.

Das zeigt: Für die Mehrheit der Frauen in einer klassischen Paarbeziehung ändert sich die Erwerbsbiografie bei der Geburt des Kindes drastisch und dauerhaft. Das ist durchaus nicht nur gewünscht: 830 000 Personen in der Schweiz wären bereit, eine Arbeit aufzunehmen oder ihr Pensum zu erhöhen, wie die NZZ berechnet hat. Die Mehrzahl von ihnen sind Frauen.

Jedes Jahr Babypause kostet Mütter 3,2 Prozent Lohn

«In der Regel entscheiden sich Paare für eine Aufteilung von Kinderbetreuung und Beruf zugunsten des höheren Einkommens», sagt Andrea Schmid-Fischer, Präsidentin des Dachverbandes Budgetberatung. Oft werde der Verdienst ausschliesslich den Krippenkosten gegenübergestellt. «Das greift viel zu kurz. Es geht auch um berufliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten, soziale Einbettung, höhere Ansprüche bei den Sozialversicherungen und eine bessere Vorsorge.»

Jedes Jahr Babypause kostet Mütter 3,2 Prozent Lohn, haben Wissenschafter der Universität Freiburg erhoben. Durchschnittlich bleiben Schweizer Mütter rund 9 Jahre zu Hause, Akademikerinnen mit 6,7 Jahren etwas kürzer. Im Laufe eines Erwerbslebens beläuft sich die Summe an entgangenen Löhnen so auf bis zu 900'000 Franken.

20'000 Franken weniger Rente für Frauen

Im Pensionsalter folgt dann noch der Abzug bei den Renten. Laut Bundesamt für Sozialversicherungen erhalten Frauen im Durchschnitt 37 Prozent weniger Rente als Männer. Das entspricht rund 20'000 Franken im Jahr. Andrea Schmid-Fischer formuliert es so: «Im Vergleich zu den Einbussen, die bei der Vorsorge drohen, sind die Kosten für Windeln und andere Anschaffungen für das Baby der bei weitem kleinere Posten.»

Ins Gewicht fällt hier, dass Teilzeitpensen bei der Rente besonders abgestraft werden. Bei unverheirateten Paaren hat der Teilzeit arbeitende Partner einen weiteren Nachteil: Anders als in der Ehe werden die Altersguthaben im Falle von Tod oder Trennung nicht geteilt. Wer nicht heiraten möchte, sollte darum zumindest den Versorgungsausgleich in einem Konkubinatsvertrag festhalten.

Tipps: Wenn ein Kind kommt

► Kalkulieren Sie Ihre Ausgaben: Erstausstattung des Kindes, laufende Kosten (Windeln, Kleidung, Nahrung, erhöhter Stromverbrauch, Krankenkasse für das Kind). Dafür essen Sie vielleicht seltener auswärts?

► Kalkulieren Sie, wie sich das Familieneinkommen verändert: Einbussen durch Mutterschutz, Teilzeit und unbezahlten Urlaub. Berechnen Sie mit einem Steuerkalkulator, wie Ihre Abgaben sinken. Familienzulage gibt es je nach Wohnkanton. Auch hier gibt ein Online-Rechner Auskunft, zum Beispiel für den Kanton Zürich. Prüfen Sie, ob Ihr Kita-Platz subventioniert wird.

► Wie wollen Sie Arbeit und Betreuung kombinieren? Der Teilzeitrechner von Swiss Life schätzt das Familienbudget. Persönlich unterstützt Sie der Verband Budgetberatung. Vielleicht sparen Sie im Voraus, um Ihr Modell frei wählen zu können?

► Wenn das Baby im Schlafzimmer der Eltern schläft, braucht es nicht sofort ein eigenes Kinderzimmer. Kann die grössere Wohnung warten? Faustregel: Die Miete sollte maximal 25 Prozent des Nettoeinkommens betragen.

► Vor allem als Mutter: Wenn Sie bald nach der Geburt in den Job zurückkehren wollen, zurren Sie das möglichst vor der Geburt fest. Ist das Kind da, wächst die emotionale Hürde.

► Bei unbezahltem Urlaub kann eine Lücke in der AHV entstehen. Nach dreissig Tagen entfällt ausserdem die obligatorische Unfallversicherung durch den Arbeitgeber. Beides sollten Sie ausgleichen.

► Bei Unverheirateten läuft die AHV getrennt. Ein Konkubinatsvertrag mildert Risiken. Arbeiten beide Partner weiter, erhalten sie im Alter jeweils eine eigene Rente, während jene von Ehepartnern kombiniert wird. Hier sind Unverheiratete bessergestellt.

Für den, der beim Lohn nicht zu stark zurückfallen möchte, wird es also bereits in den intensiven ersten Jahren mit Kleinkind ein Thema, beruflich Anschluss zu behalten. «Ich bin froh, dass ich so viel Zeit mit meiner Tochter verbringe. Sophie sieht mich und meine Frau vollständig als gleichwertige Bezugspersonen. Das geniesse ich sehr», sagt Daniel Keller. Nadine ergänzt: «Da wir uns beide die Kinderbetreuung und den Haushalt teilen und auch beide arbeiten gehen, wissen wir zu schätzen, was der andere leistet.»

«Wenn ich wieder Anschluss finden möchte an mein altes Level, wird das zwei, drei Jahre brauchen.»

Allerdings musste Daniel zum Kompromiss bereit sein: «Was ich nicht ganz so radikal erwartet hätte, waren die beruflichen Konsequenzen. Meine jetzige Arbeit liegt vom Niveau her deutlich unter meiner Erfahrung. Ich weiss, wenn ich wieder Anschluss finden möchte an mein altes Level, wird das zwei, drei Jahre brauchen.» Als ersten Schritt für die berufliche Entwicklung schreibt er gerade Bewerbungen auf höher qualifizierte Posten.

Ob er seine Entscheidung noch einmal so treffen würde? «Jederzeit. Ich kann es jedem nur empfehlen. Der Wunsch bei vielen Vätern wächst, eine grössere Rolle bei ihren Kindern zu spielen. Vielleicht steigt so auch der Druck bei Staat und Unternehmen, die Rahmenbedingungen zu verbessern.» Als Nächstes wollen die Kellers einen Grundstein legen für Sophies finanzielle Zukunft: Sie wollen 25'000 Franken für ihre Tochter zur Seite legen.

Dieser Artikel wurde das erste Mal am 6. Februar 2020 publiziert.

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