Man muss sich fast verwundert die Augen reiben: Die Welt steckt in der grössten rezessiven Krise seit dem Ölembargo in den 70er-Jahren und die Börsen notieren auf Allzeithochs. Die weltweite Leitbörse an der Wall Street in New York mit dem Dow Jones hat die Februar-Rekorde wieder erreicht.

Georg Pröbstl ist Chefredaktor des Börsenbriefs Value-Depesche. Der Börsendienst ist auf substanzstarke unterbewertete Aktien mit guten Perspektiven aus Deutschland, Österreich und der Schweiz spezialisiert. Die jährliche Performance des Musterdepots seit Start im April 2010 beträgt +14,6 Prozent (DAX: +7,8 Prozent).

Transparenzhinweis: Der Autor berät Anlageprodukte. In diesem Beitrag besprochene Aktien können zum Anlageuniversum zählen.

Auch der Schweizer Aktienmarkt ist – punktemässig betrachtet – in Feierlaune. Der breite Aktienmarkt mit dem Swiss Performance Index mit seinen 216 Mitgliedern hat sich vom ersten Corona-Schock nach Ausbruch der Pandemie mit globalen Lockdowns im Frühjahr prächtig erholt und sein Allzeithoch vom Februar bei 13561 Indexpunkten fast erreicht.

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Zwar läuft der Index seit vier Monaten per Saldo seitwärts. Doch die Hoffnung auf einen baldigen Impfstoff – vielleicht schon im Dezember oder dann sicher Anfang 2021 – gegen die Corona-Pandemie – brachte frischen Wind an die Börse. Der SPI hat jetzt die wichtige psychologische Grenze von 13000 Punkten erneut erreicht.

Auf den Trend setzen

Viele Anleger gehen davon aus, dass der Index diese Marke ganz schnell wieder knacken und dann auf ein neues Allzeithoch klettern kann. Die Hoffnung ist begründet. Da ist ein klarer Trend. Dieser lässt sich mit dem RSL messen und der RSL liefert derzeit ein Kaufsignal im SPI.

Der RSL, die Relative Stärke nach Levy, ist ein Indikator, der zeigt, ob eine Aktie oder ein Index in einem seit längerem etablierten Trend ist. Nach dem Motto «the trend is your friend» setzen Anleger bei einem RSL-Wert von über 1,0 auf eine Fortsetzung des Trends.  

Kühne & Nagel – die Erholung kommt im nächsten Jahr

Umso weiter der RSL über 1,0 liegt, umso besser. Der SPI zeigt aktuell einen RSL von 1,02 und liefert damit also ein Kaufsignal. Ein RSL von 1,02 bedeutet, dass der SPI jetzt um zwei Prozent über seinem gleitenden Durchschnitt der letzten sechs Monate liegt.

Anleger, die auf solche Trendfolge-Strategien setzen, sind also mit einem Einstieg in den Index gut beraten. Eine Reihe von SPI-Mitgliedern weist sogar noch einen deutlich höheren RSL-Wert aus als der Index. Weit oben – auf Platz 15 beim RSL – findet sich Kühne & Nagel.

Der Logistikriese aus Schindellegi hat sich vom Corona-Einbruch im Frühjahr längst erholt. Zwar liefen die Geschäfte im dritten Quartal wegen Lockdowns und Rezession etwas schlechter als im Vorjahr. Doch für 2021 prognostizieren Ökonomen einen kräftigen Aufschwung weltweit und das ist gut für den Transportsektor.

Logitech – Home Office bringt enormen Schub…

Zudem hat Kühne & Nagel (KN) seinen Anteil an der Reederei Hapag-Lloyd im März auf 30 Prozent erhöht. KN und Hapag Lloyd dürften im nächsten Jahr vom Konjunktur-Rebound nach Corona überdurchschnittlich profitieren.

Der RSL der KN-Aktie liegt aktuell bei 1,2. Das heisst: KN notiert jetzt 20 Prozent über seinem gleitenden Durchschnittskurs der letzten 180 Tage. Aus dem SPI kommt Logitech sogar auf einen RSL von 1,31 und belegt in Hinblick auf die relative Stärke damit Rang sieben im Index.

Der Anbieter von Computerzubehör wie etwa von Tastaturen und Computer-Mäusen oder von Kopfhörern und mobilen Endgeräten erlebt einen unglaublichen Nachfrageschub. Und zwar begünstigt durch Corona und insbesondere das Home Office.

… die Wachstumsprognose wird verdreifacht

Im zweiten Quartal stiegen die Umsätze des Tech-Konzerns aus Zürich vor allem deshalb um 75 Prozent auf 1,3 Milliarden Dollar. Der operative Gewinn explodierte dabei sogar um 372 Prozent auf 322 Millionen Euro.

Die Ziele für dieses Jahr werden dramatisch erhöht. Anstatt eines Umsatzwachstums wie bisher prognostiziert um zehn bis 13 Prozent sollen die Erlöse nun um 35 bis 40 Prozent zulegen. Der operative Gewinn soll dabei nicht mehr «nur» bei 410 bis 425 Millionen Dollar liegen, sondern zwischen 700 und 725 Millionen Dollar.

Eine noch deutlich höhere Trendstärke als Logitech weist Dufry aus. Der Betreiber von Geschäften an Flughäfen kommt beim RSL auf einen Wert von 1,41 und belegt damit Platz zwei im RSL-Ranking des SPI. Dufry notiert damit 41 Prozent über dem gleitenden Kursdurchschnitt der letzten sechs Monate.

Dufry – Hoffnung auf Ende der Flaute an den Airports

War Dufry zuerst massiv von Corona betroffen – der Flugverkehr ist ja nach wie vor so gut wie eingestellt –, so profitiert die Aktie nun von den Hoffnungen auf einen Corona-Impfstoff. In der vergangenen Woche – seit Bekanntgabe der Impfstoff-Erfolge von Pfizer und BioNTech kletterte die Dufry-Aktie um 25 Prozent. Erholungspotential ist allerdings noch reichlich vorhanden.

Denn zum Kursniveau kurz vor Ausbruch der Pandemie im Februar hat die Aktie nochmals Verdopplungspotential. Absoluter Spitzenreiter im SPI-RSL-Ranking ist derzeit Meyer-Burger mit einem Wert von 1,65. Damit notiert die Aktie 65 Prozent über dem 180-Tage gleitenden Durchschnitt. Der Zulieferer der Solarindustrie deckt mit seinen Produkten die gesamte Wertschöpfungskette ab.

Kurstreibend beim Photovoltaik-Experten aus Gwatt sind derzeit Erfolge bei der Entwicklung von Solarzellen mit hohem Wirkungsgrad. Die Aktie hat jetzt die wichtige psychologische Kurshürde von 0,30 Franken erreicht. Ein Sprung über diese Marke verspricht schnelle Steigerungen auf Kurslevels zwischen 0,35 und 0,40 Franken.

Burckhardt Compression – die Aktie ist nach oben ausgebrochen

Apropos Chart: Interessant ist unter diesem Aspekt Burckhardt Compression. Die Aktie des Maschinenbauers ist vor wenigen Tagen aus dem Abwärtstrend aus 2018 nach oben ausgebrochen. Da sind ganz schnell weitere Kurssteigerungen auf 300 Franken und darüber drin.

Anleger, die auf Charts setzen, haben auch Georg Fischer auf ihrer Liste. Die Aktie des Zulieferers der Autoindustrie und des Herstellers von Rohren hat die wichtige psychologische Marke von 1000 Franken soeben erreicht. Dort liegt auch ein starker Widerstand. Kann die Aktie diese Zone knacken, könnten bald wieder Kurse um 1250 Franken erreicht werden.

Weihnachtsrallye und Jahresendspurt versprechen neue Kursrekorde

Neben Charts und RSL haben Anleger auch den Jahresendspurt und die Weihnachtsrallye im Visier. Denn bekanntermassen steigen die Kurse in den letzten Wochen eines Jahres mit hoher Wahrscheinlichkeit. Zwar haben viele Indizes jetzt bereits den Corona-Einbruch vom März so gut oder schon vollständig weggesteckt.

Aber kommen weitere Erfolgsmeldungen aus der Impfstoffindustrie – und wann wäre dafür eine bessere Gelegenheit als kurz vor Weihnachten? – dann könnte der SPI die 13000 schon in wenigen Wochen knacken und das Allzeithoch vom Februar gleich mitnehmen. Aktien, die jetzt einen starken RSL ausweisen oder charttechnisch spannend sind, könnten davon doppelt profitieren.