Ein cleverer Investor weiss, dass an der Börse derjenige die besten Gewinnchancen hat, der nicht mit der Herde läuft, sondern sich antizyklisch verhält. «Verkaufe in guten, kaufe in schlechten Zeiten» – gemäss dieser Börsenweisheit zu handeln, bewährt sich immer wieder. Dies erkannte auch ein junger Bankangestellter. Anlässlich einer Afterwork-Party beschloss er zusammen mit einigen Kollegen, die Kapitalien zusammenzulegen und gemeinsam für gewinnträchtige Investitionen zu nutzen. Als gründlicher Mensch ging er auch sofort daran, Vereinsstatuten zu entwerfen, damit die Investmentgemeinschaft von Beginn an richtig organisiert war.
Der Club startete erfolgreich, die erste Jahresrechnung wies einen sehenswerten Wertzuwachs von 15 Prozent aus. Der Clubpräsident fertigte für jeden seiner Vereinsgenossen einen Steuerausweis aus. Dazu gab der Präsident die Erklärung ab, dass die Kapitalgewinne steuerfrei seien und nur der anteilige Ertrag mit der Steuererklärung als Einkommen zu deklarieren sei.
Leider landete die Steuererklärung eines der Clubmitglieder auf dem Pult eines gewieften Steuerbeamten. Dieser forderte den Steuerpflichtigen auf, die Vereinsstatuten des Clubs einzureichen, was jener nichts ahnend tat. Damit nahm das Verhängnis seinen Lauf. Die Unterlagen wanderten in die Abteilung für juristische Personen, und dem Clubpräsidenten flatterte umgehend eine Aufforderung der Steuerverwaltung ins Haus, innert 30 Tagen für den Investmentclub eine Steuererklärung einzureichen. Nun konsultierte der Clubpräsident einen Steuerspezialisten, der ihn auf seinen kapitalen Fehler aufmerksam machte, Statuten auszufertigen.
Gibt sich ein Investmentclub Statuten im Sinne von Artikel 60 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches, bildet er automatisch einen Verein und erlangt damit die eigene Rechtspersönlichkeit. Ein Verein ist eine juristische Person und unterliegt als solche der Gewinnbesteuerung (auf Stufe Bund, Kanton und Gemeinde) und der Kapitalbesteuerung (nur auf Stufe Kanton und Gemeinde). Entsprechend ist für den Verein jedes Jahr eine Steuererklärung mit der dazugehörigen Jahresrechnung einzureichen. Bei der Gewinnsteuer muss dabei der steuerbare Reingewinn des Vereins versteuert werden. Dazu zählen neben den direkten Erträgen aus den Wertschriften (Zinsen und Dividenden) auch die Kapitalgewinne. Damit entfällt automatisch der steuerfreie private Kapitalgewinn. Immerhin können von den steuerbaren Erträgen die zur Erzielung dieser Erträge erforderlichen Aufwendungen in vollem Umfang abgezogen werden. Und in einem schlechten Börsenjahr können die eingefahrenen Verluste steuerlich geltend gemacht werden.
Wie wäre die Steuersituation ohne Statuten gewesen? In einem Investmentclub schliessen sich Gleichgesinnte zusammen, um Wertpapiere nach eigener Wahl zu erwerben. Die Clubmitglieder verpflichten sich in den meisten Fällen, periodisch einen vereinbarten Betrag in die gemeinsame Kasse einzuzahlen. Diese Mittel werden laufend in Wertpapiere angelegt. Daher sind die Investmentclubs in der Regel einfach organisierte Gebilde mit einem relativ kleinen gemeinschaftlichen Vermögen. Der Club verzichtet auf Werbung und gibt auch keine Anteilscheine aus.
Eine derart organisierte Investmentgemeinschaft untersteht nicht den Bestimmungen des Bundesgesetzes über den Anlagefonds. Bei den direkten Steuern gilt ein solcher Investmentclub als einfache Gesellschaft und damit nicht als eigenes Steuersubjekt. Das heisst, der Club selber wird nicht besteuert und hat auch keine Steuererklärung einzureichen. Die Besteuerung erfolgt bei den einzelnen Mitgliedern. Diese haben in den Steuererklärungen ihren Anteil am Clubvermögen und am Ertrag zu deklarieren. Die realisierten Kapitalgewinne sind dabei grundsätzlich steuerfrei. Grundlage für die Besteuerung ist die Jahresrechnung des Clubs, aus der das steuerbare Einkommen (Dividenden, Zinserträge usw.) sowie die steuerfreien Kapital-, Kurs- und Währungsgewinne separat hervorgehen sollten. Da der Investmentclub als einfache Gesellschaft nicht selber besteuert wird, kann er auch die Verrechnungssteuer nicht selber zurückfordern. Die Rückforderung steht jedoch jedem einzelnen Mitglied anteilsmässig zu. Dazu hat der Clubkassier den Mitgliedern alljährlich eine Bescheinigung mit den notwendigen Angaben auszuhändigen.
Doch auch für den als einfache Gesellschaft anerkannten Investmentclub ist der steuerfreie Kapitalgewinn nicht immer sichergestellt. Bei sehr aktiven Investmentclubs mit einer mehrfachen Umschichtung des Wertschriftenbestandes pro Jahr und insbesondere beim Einsatz derivativer Finanzinstrumente könnte die Steuerverwaltung der Idee verfallen, die Clubtätigkeit als gewerbsmässigen Wertschriftenhandel einzustufen. Dies hätte zur Folge, dass auch die Kapital-, Kurs- und Währungsgewinne von den Clubmitgliedern als Einkommen zu versteuern wären und zudem darauf die AHV-Beiträge abgeliefert werden müssten. Die Anzahl Transaktionen sollte deshalb in einem vertretbaren Rahmen gehalten werden.
Werner A. Räber, BILANZ-Steuerexperte, geschäftsführender Partner der
Dr. Thomas Fischer & Partner AG, Baar