Seit dem Steuerskandal um Franz Beckenbauer und Regierungsrat Hans Hess Ende der achtziger Jahre fuhr der finanzschwache Kanton Obwalden im Besenwagen. Nun hat er sich im Rennen um die Reichen das Maillot jaune übergestreift. Seit dem wuchtigen Ja zur Steuerrevision vom vergangenen Dezember steht Obwalden im Rampenlicht der Öffentlichkeit.

Ein vorläufiges Ende fand die Medien-schlacht erst Ende Januar, als der wirblige Waadtländer PdA-Nationalrat Josef Zisyadis schliesslich in Sachseln doch noch eine Bleibe fand und quasi in letzter Minute beim Bundesgericht seine staatsrechtliche Beschwerde gegen das neue Obwaldner Besteuerungsmodell einreichen konnte. Doch was steckt hinter all diesem Theater, das die Diskussion über sinnvollen und schädlichen Steuerwettbewerb ganz neu entfachte? Ein kleiner historischer Rückblick: Mit einem innovativen Steuergesetz leitete der Kanton Zug in den sechziger Jahren seinen Wandel von einem ärmlichen Innerschweizer Bauernkanton zu einem modernen Industrie- und Dienstleistungsstandort ein. Später taten es ihm andere Stände gleich, am erfolgreichsten Nidwalden und Schwyz.

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Die übrigen Kantone, insbesondere die grossen, bevölkerungsreichen, blieben eher untätig und beschränkten sich darauf, den Steuerwettbewerb zu verteufeln. Verschiedene Kantone nahmen dann die auf 2001 erfolgte Umsetzung des eidgenössischen Steuerharmonisierungsgesetzes zum Anlass, ihren Rückstand auf die Steuerparadiese zu verkleinern. Allerdings waren die damaligen Schritte noch eher zaghaft. Da dabei sämtliche Kantone ihre Steuergesetze vollständig überarbeiteten, rechnete man allgemein mit einem längeren Stillstand in der Steuerszene. Das Gegenteil trat ein, was wohl nicht zuletzt mit der Osterweiterung der Europäischen Union zusammenhing.

Von der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, führte der Kanton Schaffhausen bereits am 1. Januar 2004 die degressive Besteuerung von Einkommen und Vermögen ein. Auch sonst zeigte sich der Kanton Schaffhausen in den letzten Jahren äusserst flexibel. Dadurch gelang es, zahlreiche ausländische Gesellschaften zur Sitznahme am Rhein zu bewegen. Damit widerlegte der Kanton Schaffhausen gleichzeitig die Theorie, der Steuerwettbewerb sei ruinös für die Staatsfinanzen und gehe letztlich zu Lasten des finanzschwachen Teils der Bevölkerung.

Angesichts der Globalisierung der Märkte und der steigenden persönlichen Mobilität vor allem innerhalb Europas muss man sich von diesem kleinräumigen Denken verabschieden. Obwohl dies in den Medien immer wieder so dargestellt wird, geht es beim Steuerwettbewerb nicht primär darum, der Nachbargemeinde oder dem Nachbarkanton Steuergelder abzujagen, sondern im Vordergrund steht der internationale Wettbewerb. Hier gilt es, sich als attraktiver Firmensitz und Wohnort zu etablieren, letztlich zum Nutzen aller. Die Konkurrenz – genannt seien hier Belgien, Luxemburg und insbesondere Irland sowie neuerdings der europäische Osten – schläft nicht, wie das Beispiel Amgen einmal mehr deutlich machte. Es ist deshalb äusserst erfreulich, dass die Steuerattraktivität in der Schweiz geografisch immer breiter gefächert ist.

Die neuesten Entwicklungen

Bedingt durch das eidgenössische Fusionsgesetz sowie einige weitere Gesetzesänderungen auf Bundesebene müssen derzeit alle Kantone ihre Steuergesetze überarbeiten. Von vielen wird diese Gelegenheit vehement genutzt, um die eigene Standortattraktivität zu verbessern.

Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die gesamte Innerschweiz inklusive der Bergkantone Obwalden und Uri steuerlich äusserst attraktiv werden wird. Einen gewaltigen Schritt vorwärts machen wird jedoch auch die Ostschweiz, und zwar von Schaffhausen über den Thurgau, St. Gallen, Appenzell bis hin zu Graubünden. Diese Ostschweizer Initiative kommt nicht von ungefähr, zielt sie doch klar darauf ab, noch mehr deutsche Firmen und Individuen als bisher schon zur Umsiedlung in die grenznahen Schweizer Kantone zu bewegen. Von den grossen Mittellandskantonen wird dagegen nach dem gegenwärtigen Wissensstand lediglich der Kanton Aargau seine Standortattraktivität wesentlich verbessern. (Vergleiche «Bewegung in der Schweizer Steuerlandschaft»)

Einen gewissen Dominoeffekt löste der Kanton Luzern aus, als er am 1. Januar 2005 als erster grösserer Kanton das so genannte «Nidwaldner Modell» einführte. Damit ist die privilegierte Besteuerung von Dividenden aus Familienaktiengesellschaften gemeint, womit die seit Jahren kritisierte wirtschaftliche Doppelbelastung des Unternehmensgewinns gemildert wird. Bis 2005 hatten fünf Kantone ähnliche Rabatte auf Dividenden eingeführt, seit Januar 2006 gelten ähnliche Regeln in sieben Kantonen, Anfang nächsten Jahres werden es aller Voraussicht nach zwölf sein.

Am weitesten geht dabei der Kanton Schwyz, dessen Stimmvolk am 12. Februar mit klarem Mehr beschlossen hat, Dividenden zukünftig nur noch mit einem Viertel des bisherigen Normalsatzes zu besteuern. Auf Bundesebene wird diesbezüglich auch bereits seit längerem diskutiert, der Entscheid aber immer weiter vertagt.

Zurück zu Obwalden: Stein des Anstosses ist selbstverständlich nicht die Entlastung der tieferen Einkommen und der Familien, auch nicht die Milderung der wirtschaftlichen Doppelbelastung, sondern die degressive Besteuerung von Einkommen und Vermögen.

Warum diesbezüglich Obwalden zum Sündenbock gestempelt werden soll, ist nicht so klar. Schaffhausen hat die Degression bereits 2004 ins Steuergesetz aufgenommen, Appenzell Ausserrhoden will 2007 folgen und als standortmässig benachteiligtem Bergkanton wäre es Obwalden doch zu gönnen, einige finanzkräftige Zuzüger zu erhalten. Wie die degressive Besteuerung funktioniert, sehen Sie in der Grafik unten, ob sie verfassungswidrig ist, muss wohl das Gericht entscheiden.

Mehr Auswahl an Standorten

Was bedeuten nun all diese Gesetzesrevisionen aus steuerplanerischer Sicht? Die Auswahlmöglichkeiten sind sowohl für steuerlich attraktive private Wohnsitze als auch für Firmenstandorte zahlreicher. Die Konzentration auf wenige Steueroasen wird dadurch gemildert, was sich hoffentlich auch auf die dortigen Immobilienpreise auswirken wird. Neu führt das Zusammenspiel von tieferen Unternehmenssteuern, milderer Besteuerung der höheren Einkommen und Steuerentlastung auf Dividendeneinkommen dazu, dass Aktiengesellschaft und GmbH generell steuerlich gegenüber der Einzelfirma nicht mehr benachteiligt sind. Allerdings ist dies abhängig vom jeweiligen Standort.

Den generell besten Standort gibt es aber auch weiterhin nicht. Es kommt immer auf die individuelle finanzielle Konstellation an. Zusätzlich zur Einkommens- und Vermögenssteuer sind von Fall zu Fall weitere Steuern, insbesondere die Erbschafts- und Schenkungssteuer, in die Entscheidfindung einzubeziehen.

Nicht zu vernachlässigen sind zudem die weichen Steuerfaktoren, das heisst die Kundenfreundlichkeit der betreffenden Steuerverwaltung und deren Bereitschaft, im Zweifelsfall nicht ausschliesslich zu Gunsten des Fiskus zu entscheiden, sondern den in vielen Fällen vorhandenen Ermessensspielraum zu Gunsten des Steuerpflichtigen zu nutzen. Der Kanton Zug hat dies früh erkannt und behandelt den Steuerpflichtigen konsequent als Kunden, wie inzwischen die meisten anderen steuergünstigen Kantone auch. Selbst der Kanton Schwyz hat in diesem Punkt eine echte Besserung versprochen, nachdem er bisher zwar für günstige Tarife, aber auch für eine eher überharte Linie bei der Veranlagung bekannt war.

Die betragsmässig und ohne Berücksichtigung der Bundessteuer günstigsten Standorte können Sie aus den Übersichten auf Seite 106 ersehen, wobei die angegebenen Tarife teilweise erst ab 2007 oder sogar 2009 gelten und auf Grund der noch nicht abgeschlossenen Steuergesetzrevisionen lediglich provisorischen Charakter haben. Die Auswahl ist zudem unvollständig.