Zinsängste, Nordkorea-Sorgen, Handelskrieg – seit Ende Januar kommt die Börse nicht zur Ruhe – zumindest in Europa. So hatte der SMI in den letzten fünf Wochen zwischenzeitlich schon mehr als zehn Prozent an Wert verloren, konnte sich jetzt aber von seinem Zehnmonatstief von Anfang März schon wieder leicht erholen. Der breite Aktienmarkt mit dem SPI und seinen rund 200 Mitgliedern zeigt einen ähnlichen Kursverlauf.
Zuletzt hatten die Äusserungen von US-Präsident Donald Trump über mögliche Strafzölle auf Stahl und Aluminium oder auf Autos aus der EU für Unsicherheit und fallende Kurse an Europas Börsen gesorgt. Und mögliche Gegenreaktionen der EU mit Strafen auf US-Importe lassen da bei vielen Anlegern die Alarmglocken läuten: Ein Handelskrieg ist schlecht für den Export und das ist schlecht für das Wirtschaftswachstum. Vor allem zyklische Aktien – die stark von der konjunkturellen Entwicklung abhängen – oder exportstarke Titel standen da auf der Verkaufsliste.
Risikofreudige Anleger nutzen den Kursrückschlag zum Einstieg
Risikofreudige Anleger sehen in dem Kursrückschlag aber eine gute Gelegenheit zum Einstieg. Denn auch an der Börse gilt oft die Regel: Nichts wird so heiss gegessen, wie es gekocht wurde. Das bedeutet: Die Kursrückschläge nach den Aussagen von Trump zu einem Handelskrieg könnten überzogen sein. Da fällt der Blick vor allem auf die Titel, die in den letzten Tagen besonders stark nach unten gingen. Dort kommt zur Angst von einem Handelskrieg aber nicht selten auch noch eine mehr oder weniger enttäuschende – unerwartet enttäuschende – Geschäftsentwicklung obendrauf. Im schwachen Gesamtmarkt nahmen Anleger dann verstärkt Gewinne mit und so ging es bei solchen Firmen mit dem Kurs besonders arg nach unten.
Während sich der SPI immerhin von der Trump-Delle Anfang des Monats schon fast wieder komplett erholen konnte – der Index notiert nur noch etwa ein bis zwei Prozent unter dem Ausgangswert –, liegen einige Titel noch deutlich im Minus: Dazu zählen beispielsweise Dorma+Kaba oder EFG International oder besonders zyklische Werte wie Panalpina und Kühne + Nagel aus der Transport- und Logistikbranche sowie der Personaldienstleister Adecco und der Baukonzern LafargeHolcim. Die genannten Unternehmen haben in den letzten sechs Wochen oft zehn, manche sogar bis zu rund 20 Prozent oder gar mehr an Wert verloren.
Dorma+Kaba – 20 Prozent Aufholpotential
In das von Zollängsten geplagte Börsenumfeld kamen bei Dorma+Kaba vor einigen Tagen ausgerechnet auch noch unerwartet schwache Zahlen. So konnte der weltweit aktive Player in der Sicherheitsbranche seinen Umsatz in den ersten sechs Monaten zwar um 19.3 Prozent auf 1,4 Milliarden Franken steigern und das Ergebnis je Aktie von 11.80 auf 14.0 Franken ausbauen. Doch das lag unter den Erwartungen und der Sicherheitsexperte reduzierte auch die Wachstumsguidance für das Gesamtjahr 2017/18 von vier bis 4.5 auf rund 3.5 Prozent.
Das Margenziel für dieses Jahr und auch mittelfristig blieb dagegen konstant und ein Wertverlust des Unternehmens an der Börse von rund elf Prozent könnte eine gute Gelegenheit zum Einstieg sein. Wird nämlich das Margenziel auf Basis EBITDA von 18 Prozent im kommenden Geschäftsjahr 2018/19 erreicht, könnten die Januar-Hochs von über 900 Franken bei der Aktie schnell wieder drin sein.
Panalpina und Kühne+Nagel: Auf den Rebound setzen
Richtig zusammengefaltet wurden in den letzten zwei Wochen auch die Kurse von Panalpina und Kühne+Nagel. Die Aktionäre der beiden Transportkonzerne verbuchen dabei Kursverluste von zehn und sogar von knapp 20 Prozent. Bei den beiden global Playern hängen aktuell ohnehin Sorgen über die Entwicklung der Margen wie ein Damoklesschwert und zusammen mit dem Trump-Effekt wurde das offensichtlich vielen Anlegern zu mulmig.
Dabei konnten beide Unternehmen im vergangenen Jahr deutlich wachsen – die Umsätze stiegen um 6.5 und 12.5 Prozent – und blicken zuversichtlich nach vorne. Bekommt Panalpine seine Probleme mit der Seefracht in den Griff und kommt Kühne + Nagel in den Bereich der Konsensschätzung beim Gewinn – da wäre ein 18er-KGV drin – könnten die aktuellen Kursrückschläge reichlich Aufholpotential eröffnen. Panalpina notiert an der unteren Begrenzung des Aufwärtstrends aus 2016, Kühne+Nagel hat die starke Unterstützung bei 150 Franken erreicht. Anleger setzen darauf, dass es von der jeweiligen Marke nun zum schnellen Rebound nach oben kommt.
Adecco – die Aktie hat schon nach oben gedreht
Vor dem Hintergrund der Trump-Zölle sehen Anleger möglicherweise auch bei Adecco im Moment zu viel Negatives. Der Personaldienstleister brachte Anfang März die Jahreszahlen und da ging es mit dem Kurs gleich um zehn Prozent nach unten. Dabei konnte das SMI-Mitglied insbesondere im Schlussquartal operativ stark zulegen und berichtet auch in den ersten beiden Monaten über Steigerungen von fünf Prozent.
Dieser Zuwachs war Börsianern aber offensichtlich ebenso wie der Margendruck im Schlussquartal zu wenig und da half auch die Begründung des Unternehmens nichts: Das Adecco-Management sieht nämlich als Ursache Feiertagseffekte. Immerhin konnte die Adecco-Aktie schon wieder von der Unterstützung bei etwa 68 Franken nach oben drehen und möglicherweise kommt es wie schon dreimal bei derselben Konstellation in 2017 jetzt wieder zu einer Kurserholung in den Bereich von 76 oder 78 Franken.
LafargeHolcim – Kurseinbruch trotz hoher Umsätze und guter Perspektiven
In die Sorgen um einen Handelsstreit und damit genau zur falschen Zeit kamen auch die Jahreszahlen von LafargeHolcim. Der Baukonzern konnte zwar den Umsatz schneller ausbauen als geschätzt, doch wegen Wertberichtigungen infolge Zukaufs kam es unerwartet zum Verlust.
Der Ausblick ist aber positiv. Das SMI-Mitglied will in den nächsten fünf Jahren beim Umsatz jährlich um drei bis fünf Prozent wachsen und das operative Ergebnis um zumindest fünf Prozent im Jahr ausbauen. Anleger setzen darauf, dass der Titel wie schon mehrmals in den letzten 18 Monaten von der psychologischen Kursmarke von 50 Franken in Richtung 60 Franken nach oben schiessen wird.
EFG International – deutlicher Gewinnanstieg nach Sondereffekten
Richtig unter die Räder kam in den letzten sechs Wochen EFG International. Die Aktie der Bank rauschte seit Ende Januar um rund 30 Prozent nach unten. Grund dafür sind auch dort überraschend rote Zahlen und auch die gehen zum grössten Teil auf das Konto eines Zukaufs. Das Ergebnis von EFG liegt zwar mit -57.5 Millionen Franken meilenweit unter dem Vorjahreswert von 228 Millionen Franken, doch bereinigt um die Einmaleffekte sieht es etwas anders aus.
Auf dieser Basis hätte die Bankengruppe ihren Gewinn im Vergleich zum Vorjahr nämlich in 2017 auf 165.0 Millionen Franken verdoppeln können. Und auch bei EFG ist der Ausblick vielversprechend. So will der Finanzkonzern in den nächsten Jahren etwa bei den Kundengeldern beständig wachsen. Ist damit bei der Bank fundamental betrachtet in absehbarer Zeit ohnehin wieder mit höheren Kurslevels zu rechnen, so verspricht auch hier die Charttechnik ebenfalls schnelle Steigerungen. Die Aktie notiert nicht nur an der Unterstützung bei 8.00 Franken, sondern hat auch die untere Begrenzungslinie ihres Aufwärstrends erreicht. Anleger setzen auf einen schnell Rebound!
* Georg Pröbstl ist Chefredaktor des Börsenbriefs Value-Depesche. Der Börsendienst ist auf substanzstarke, unterbewertete Aktien mit guten Perspektiven aus der D-A-CH-Region (Deutschland, Österreich, Schweiz) spezialisiert. Performance des Musterdepots 1 Jahr: +18,7 Prozent (DAX: +5,6 Prozent), 3 Jahre: +51,8 Prozent (DAX: +14,9 Prozent). Seit Start im April 2010 steht ein Zuwachs von +374,2 Prozent (Dax: +96,9 Prozent)